Industrie + Technik

Mikroplastik lässt sich zentral in einer Kläranlage entfernen, bevor es in weitere Gewässer und etwa aus marinen Ökosystemen in den menschlichen Körper gelangt. Welche Verfahren wie funktionieren und woran noch zu forschen ist.
Die mechanische und biologische Reinigung in Kläranlagen reduziert derzeit die Menge an Mikroplastikpartikeln um durchschnittlich 88 Prozent.1) Kunststoffteilchen unter 20 Mikrometer Durchmesser gelangen aus Kläranlagen aber weiterhin in Gewässer. Deshalb nutzen manche Betreiber zusätzliche Filtertechniken, um die Abtrennung zu verbessern. Vereinzelt verwenden sie chemische Reinigungsverfahren, weitere sind in der Forschung und Entwicklung.Chemische Verfahren lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: solche, die das Abtrennen von Mikroplastik erleichtern, und solche, die Kunststoffe abbauen. Beide Wege sind weiter zu differenzieren (Abbildung rechts).<figure><img src="https://media.graphcms.com/Q3JRZymwR3WwnXcBG7kP"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Systematisierung chemischer Verfahren, die Mikroplastik beseitigen.</figcaption></figure>
<h2>Chemisch agglomerieren</h2>Chemische Flockung erleichtert es, Mikroplastik abzutrennen, da sie bei der Sedimentation im Nachklärbecken Feststoffpartikel vergrößert. Häufig werden dabei Aluminium- und Eisensalze eingesetzt. Diese destabilisieren suspendierte Mikrokunststoffpartikel und bilden beispielsweise durch basische Fällung voluminöse Niederschläge, die weitere Kunststoffpartikel adsorbieren. Zusätzlich können hochmolekulare Polyelektrolyte die Mikropartikel vernetzen, wodurch große, leicht filtrierbare Flockencluster entstehen. Damit sind Reinigungsgrade zwischen 50 und 90 Prozent möglich.2,3)Die Gruppe um Schuhen entwickelte einen Sol-Gel-Prozess auf Basis von Organotrichlorsilanen, der ähnliche Effekte nutzt: Durch Hydrolyse und Polykondensation bilden diese zunächst kleine Kolloide im Wasser (Sol); dreidimensionales Vernetzen führt zum Gel. Dabei wachsen die Teilchen agglomerierend um die Polymerpartikel und dazwischen. Die hochvernetzten Festkörper haben bis zu 10 000-fach größere Volumina als die Teilchen, was es einfacher macht, sie zu entfernen (Abbildung S. 48 oben).4)<figure><img src="https://media.graphcms.com/2wLp3poYTPCGUXn4TMNk"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Sol-Gel-Prozess zur Mikroplastikagglomeration und erleichterten Entfernung. RG: reaktive Gruppe, Org.: organische Gruppe. Abbildung: Wasser 3.012)</figcaption></figure>
Die Reinigungseffizienz beträgt bei Polyethylen und Polypropylen mit den richtigen Organosilanen mehr als 95 Prozent.4,5)<h2>Elektrisch koagulieren</h2>In der Elektrokoagulation werden an der Anode positiv geladene Metallionen (meist Fe2+ und Al3+) ins Wasser freigesetzt. Die Kathode führt Elektronen zu, wobei das Wasser dissoziiert und Hydroxidionen entstehen. Die entstehenden Metallhydroxide führen zur Flockung. Der bei der Wasserdissoziation entstehende Wasserstoff treibt die Flocken an die Wasseroberfläche. Dort lassen sie sich abtrennen.Die Elektrokoagulation erreicht bisher eine Entfernungseffizienz bis zirka 85 Prozent. Vorteile des elektrochemischen Prozesses sind unter anderem die Umweltverträglichkeit, die Automatisierbarkeit sowie die Energie- und Kosteneffizienz des Verfahrens. Nachteilig ist der hohe Elektrodenverschleiß.6)<h2>Magnetisch sammeln</h2>Eine weitere Möglichkeit, Mikroplastik abzutrennen, sind magnetisierte Komposite [diese Nachrichten, S. 43]. Ein Beispiel sind Trennpartikel aus superparamagnetischen Eisenoxidkernen (Fe2O3, Hämatit) und einer porösen Silikathülle. Diese Partikelzusammensetzung ermöglicht, die Teilchen magnetisch zu entfernen und die Oberflächen des Konstrukts weiter zu funktionalisieren. Dafür modifizieren polyoxometallatunterstützte ionische Flüssigkeiten (POM-ILs) die Oberflächen. Die POM-ILs-Schicht kann aufgrund hydrophober Wechselwirkungen organische, anorganische und Mikroplastik-Verunreinigungen binden (untere Abbildung).7)<figure><img src="https://media.graphcms.com/lWSpRnguRvqEAf85tkBE"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Magnetische Komposite, um Mikroplastik zu binden und zu entfernen. Links: Polystyrolkugel, beladen (rot gestrichelte Linie); Mitte und rechts: Testlösungen vor und nach der Mikroplastikentfernung.7)</figcaption></figure>
Theoretisch lassen sich die Abwassermengen einer Kläranlage mit diesem Verfahren behandeln; die Technik ist aber noch im Labormaßstabstadium.<h2>Chemisch-oxidativ arbeiten</h2>In der Photokatalyse adsorbieren nanostrukturierte Halbleiter energiereiche Photonen und erzeugen dadurch Elektronen-Loch-Paare (Exzitone). Diese reagieren mit umgebenden Sauerstoffmolekülen und Wasser zu hochreaktiven Spezies wie Superoxiden (O2−) und Hydroxylradikalen (OH·). Diese führen zum oxidativen Teilabbau der Polymerketten, wobei sich neue funktionelle Gruppen bilden, darunter Carbonyl-, Hydroperoxid- und Peroxidgruppen.8) Nach 18 Stunden Behandlung sind allerdings nicht einmal 7 Prozent eines Partikels abgebaut.9) Zudem zerfallen die Kunststoffe in kleinere Teilchen (Nanoplastik) und sind weiterhin in der Umwelt vorhanden. Somit ist das Verfahren zurzeit ungeeignet, um Kunststoff zu beseitigen.Auch die in der Abwassertechnik etablierte Ozonierung und Chlorierung bauen Mikroplastik oxidativ ab. Ähnlich wie in der Photokatalyse werden die Partikel zersetzt, und es entstehen Verbindungen mit sauerstoffhaltigen funktionellen Gruppen. Allerdings können aufgrund der Transformation einiger Abwasserinhaltsstoffe toxikologische Oxidationsnebenprodukte entstehen. Um diese Stoffe zu entfernen, wäre ein zusätzlicher Behandlungsschritt notwendig.10) Des Weiteren sind die bei der Chlorierung entstandenen Kohlenstoff-Chlor-Bindungen gegenüber weiterem Abbau resistent, sodass die Partikel in der Umwelt bleiben.11) Daher ist die Chlorierung als ungeeignet einzustufen.<h2>INFO: Mikroplastik – woher und wohin</h2>Für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und einige Forscher besteht Mikroplastik aus Polymerpartikeln kleiner 5 mm, für viele Meeresforscher gilt dies kleiner 1 mm. Gelangen die Partikel in die Nahrungskette, gehören zu den Schäden falsche Sättigung, beeinträchtigte Fortpflanzung, verringerte Wachstumsrate und Krankheiten wie Krebs.Primäres Mikroplastik wird gezielt hergestellt. Sekundäres Mikroplastik entsteht durch chemische, physikalische und biologische Einflüsse. Größte Primärquelle sind Pelletverluste: 182 Gramm je Einwohner und Jahr (g·EW–1·a–1). Als Maßnahme dagegen sind Auswaschungen an Produktions- und Verarbeitungsstandorten zu unterbinden.Die größte Masse an Mikroplastik gelangt in Deutschland sekundär durch Reifen- und Bitumenabrieb ins Wasser (1450 g·EW–1·a–1). Straßennahe Spezialfilter könnten hier helfen. Im Haushaltsabwasser dominiert der Faserabrieb von Textilien (77 g·EW–1·a–1), den Waschmaschinenfilter abtrennen könnten. Inhaltsstoffe von Hygieneartikeln und Kosmetika liefern den Kläranlagen eine eher unbedeutende Partikelfracht (4,6 g·EW–1·a–1).<h2>Die Autoren</h2>Den Beitrag haben Markus Miller (oben) und Thomas Osterland verfasst. Miller hat im April den Bachelorstudiengang Umwelt- und Verfahrenstechnik an der Hochschule Augsburg abgeschlossen. Osterland ist promovierter Chemiker und seit dem Jahr 2015 Professor für chemische Technologie an der Hochschule Augsburg in der Fakultät Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Mit Mikroplastik befasst er sich in Wasser-, Abwasser- und Umwelttechnik sowie über die Betreuung von Abschlussarbeiten wie Millers Bachelorarbeit „Überblick über die weitergehenden Reinigungsverfahren zur Mikroplastikentfernung aus Kläranlagen“.<div><img src="https://media.graphcms.com/wq4mAxRwSMC3nM9ScYDS">

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<ul class="references"><li>
1 P. U. Iyare, S. K. Ouki, T. Bond, Environ. Sci.: Water Res. Technol. 2020, 6, 2664</li><li>
2 G. Zhou, Q. Wang, J. Li et al., J. Zhang, Sci. Total Environ. 2021, 752 (141837)</li><li>
3 B. Ma, W. Xue, Y. Ding et al., J. Environ. Sci. 2019, 78, 267</li><li>
4 A. F. Herbort, M. T. Sturm, K. Schuhen, Environ. Sci. Pollut. Res. Int. 2018, 25, 15226</li><li>
5 M. T. Sturm, A. F. Herbort, H. Horn, K. Schuhen, Environ. Sci. Pollut. Res. 2020, 27, 10888</li><li>
6 W. Perren, A. Wojtasik, Q. Cai, ACS omega 2018, 3, 3357</li><li>
7 A. Misra, C. Zambrzycki, G. Kloker et al., Angew. Chem. 2020, 132, 1618</li><li>
8 W. Liang, Y. Luo, S. Song, X. Dong, X. Yu, Polymer Degradation and Stability 2013, 98, 1754</li><li>
9 M. C. Ariza-Tarazona, J. F. Villarreal-Chiu, V. Barbieri, C. Siligardi, E.I. Cedillo-González, Ceram. Int. 2019, 45, 9618</li><li>
10 C. Baresel, M. Harding, J. Fång, Applied Sciences 2019, 9, 710</li><li>
11 M. S. El-Shahawi, A. Hamza, A. S. Bashammakh et al., Talanta 2010, 80, 1587</li><li>
12 M. Sturm, M. Rudloff, P. Bimmler et al.,Wassertechnik (WWT) 2018, Modernisierungsreport, 45</li></ul>

Artikel

Gewässerschutz: Chemische Reinigungsverfahren

Mikroplastik lässt sich zentral in einer Kläranlage entfernen, bevor es in weitere Gewässer und etwa aus marinen Ökosystemen in den menschlichen Körper gelangt. Welche Verfahren wie funktionieren und woran noch zu forschen ist. Die mechanische und biologische Reinigung in Kläranlagen reduziert de...

Which of the 17 Sustainable Development Goals has Clariant selected, why those, and how does the company intend to achieve them?
Clariant is committed to advancing the Sustainable Development Goals (SDGs) adopted by the United Nations member states. Drafted in 2015, they offer a global framework for our most pressing societal and environmental needs, expressing them in a common language and clear set of actions for all stakeholders. Furthermore, they also present powerful avenues to unleash innovation and growth, as evidenced by The Business &amp; Sustainable Development Commission‘s „Better Business, Better World“ report estimating that USD 12 trillion of additional market value could be generated by 2030 if the SDGs are achieved.At Clariant, we are working towards this transformative agenda with our innovative and sustainable products and services, sound environmental management, and commitment to uphold human rights across our operations and supply chain.<figure><img src="https://media.graphcms.com/sgCtytLhTlCmFJdby8yn"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Clariant‘s 2030 sustainability targets.</figcaption></figure>
<h2>Priority goals</h2>To help us decide where to focus our efforts and realise the biggest impact, we evaluated our business activities in relation to the SDGs – including the 169 underlying targets and corresponding indicators – by assessing the impacts, both positive and negative, of our products and services, operations, value chain, corporate citizenship activities, and collaborations. While the outcome indicated that the company contributed in some respect to every SDG, we assigned a priority to six of them:<list list-type="simple"><list-item></list-item></list>SDG 3 Good Health and Well-being and SDG 12 Responsible Consumption and Production<list-item>SDG 7 Affordable and Clean Energy and SDG 13 Climate Action</list-item><list-item>SDG 9 Industry, Innovation, and Infrastructure</list-item><list-item>SDG 17 Partnerships for the Goals</list-item>Four of the relevant goals are paired (SDG 3 and SDG 12; SDG 7 and SDG 13), as their relevance to Clariant cannot be evaluated independently of the other. In addition, certain business activities of Clariant also contribute to SDG 2 Zero Hunger, SDG 6 Clean Water and Sanitation, and SDG 15 Life on Land. Our six focus SDGs are closely interlinked with the focus areas of our sustainability strategy.<h2>Health and production</h2>Strong product stewardship and innovation capabilities enable the company to continuously develop products and solutions that support the sound management of chemicals and waste, reduce resource consumption, improve production efficiency, and offer safer chemistry alternatives. Our Ecotain label is only awarded to those products that offer outstanding sustainability advantages. These have undergone a systematic, in-depth screening process using 36 criteria in all three sustainability dimensions: social, environmental, and economic.The product‘s value is also recognised in the industry, for example with an American Chemistry Council Sustainability Leadership Award, in the category Product Safety, Innovation and Transparency for our low-carbon footprint glucamide surfactants. The award recognised the sugar-based surfactants Glucotain and Glucopure for cleaning products, which are demonstrated to perform as effectively as widely used existing surfactant solutions while also having significantly lower emission profiles. The smaller carbon footprint is attributable to the feedstocks used to develop the product and the fewer processing steps needed in the ingredients’ manufacture.Our third-party assured Portfolio Value Program is a screening process that ensures our sustainability performance, bringing forward verifiable claims and driving continuous improvement in our product portfolio. The system allows us to continuously identify and strengthen opportunities for value chain collaboration, engage in dialogue with customers and stakeholders, and further add value with sustainability and innovation. It also acts as the basis for identifying possible Ecotain products. Through these efforts, the company supports both SDG 12 and SDG 3.By offering a continuously expanding circular product portfolio and exploring promising options, partnerships, and areas for growth and innovation, we contribute to a circular economy. We established Ecocircle, a company-wide initiative, specifically to support the circular plastics economy and to develop solutions to reduce, reuse, and recycle plastics along the entire value chain. Through this initiative, we support SDG 12 and link to SDG 17.<h2>Clean energy and climate action</h2>Clariant has consistently set clear environmental targets for its operations to drive towards continuous improvements in energy consumption, waste generation, water consumption, and wastewater generation. To put the company firmly on the path to climate neutrality, we decided to upgrade our ambitions and committed to new 2030 targets to reduce CO2 emissions in line with the Science Based Targets initiative (SBTi) from the Carbon Disclosure Project, the United Nations Global Compact, the World Resources Institute, and the World Wide Fund for Nature.The new climate targets, which have been officially validated by the SBTi, set out ambitious absolute emission reductions in the company’s operations and supply chain. Between 2019 and 2030, Clariant targets a 40 percent absolute reduction in scope 1 and 2 greenhouse gas emissions and a 14 percent absolute reduction in scope 3 greenhouse gas emissions, thereby striving for the level of decarbonisation required to keep global temperature increase to well below 2 °C.The Ecotain-labelled sunliquid technology for converting agricultural residues into biofuel produces cellulosic ethanol. It saves around 95 percent of CO2 emissions when compared to fossil gasoline and could play a role in achieving the EU Green Deal target for transport emissions to fall by 90 percent by 2050. Thus the company directly supports SDG 7 and SDG 13 and also contributes to SDG 12.<h2>Industry and infrastructure</h2>Innovation and sustainability are two strongly connected, overarching themes of our strategy. As a key sustainability enabler for other industry sectors, innovation is vital in the chemical industry. Examples of innovation include the company’s catalysts, its plant-milking technologies, and its regional R&amp;D hubs, which all address SDG 9.The company also advances this SDG by investing in digitalisation, not only in operations but also in its interactions with stakeholders. In fact, due to Covid-19, digital customer approaches have become the new norm. These efforts also contribute to SDG 12.<h2>Partnerships for the goals</h2>Collaborations are key to develop and deliver products and services that meet market needs and to advance sustainable development. Clariant seeks and engages in partnerships with customers, suppliers, universities, and other research institutes as well as peers who enhance its transformation roadmap in the areas of innovation and sustainability.Company initiatives like Ecocircle, Ecotain Partnerships, and our open innovation activities are specially designed to cultivate collaborative platforms and new partnerships to find viable solutions for the most pressing sustainability challenges. Sustainability is much too big a challenge to take on alone.<h2>Add value with sustainability</h2>Whether the world must become sustainable is a question we’ve long stopped asking ourselves. We are much too busy working on how this can be done. „Add value with sustainability“ is one of Clariant’s five strategic pillars and thus influences the direction of our company and our innovation efforts. We see the impact we have as an opportunity: to generate value for people with safe chemistry and the responsible use of resources; to enable a sustainable future in every way we can. And, above all, to add value with sustainable innovation.<figure><img src="https://media.graphcms.com/6KZSowSAScSRAqGcdjIa"><figcaption><label>Abb. 2: </label></figcaption></figure>
<h2>Der Autor</h2>This article was written by Richard Haldimann, Head of Sustainability Transformation at Clariant. A Chemist with a PhD from the ETH Zurich and postdoctoral studies at UC San Diego, Haldimann has over the past 20 years held positions in business development and innovation in the pharmaceutical and chemical industry.<div><img src="https://media.graphcms.com/d1BHzFmRJG0cAEb5Ish3">

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