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Fragmentbasierte Wirkstoffentwicklung

Bei der fragmentbasierten Wirkstoffentwicklung (fragment-based drug design, FBDD) werden Bibliotheken mit niedermolekularen Substanzen von 150 bis 300 Da durchsucht. Dies sind meist Fragmente wirkstoffähnlicher Verbindungen einer Größe von ungefähr 400 Da. Aus den ersten Treffern eines solchen Sc...

Brennende Kunststoffe bieten eine Fülle an chemischen Reaktionen: Während die Kohlenwasserstoffverbindung exotherm dahin oxidiert, folgt eine Radikalreaktion der anderen. Besonders gut brennen Massenkunststoffe wie Polypropylen, sagt Bernhard Schartel, Polymerflammschutzexperte bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin: “Polypropylen ist wie schnittfestes Benzin.” Bei der Zersetzung des Kunststoffs treten hochentzündliche Substanzen wie Ethan, Ethen und Butan auf.
Bei den meisten Kunststoffgegenständen ist Entflammbarkeit unerwünscht, bei einigen schlichtweg verboten. Nationale und internationale Vorschriften zum vorbeugenden Brandschutz fordern, dass Bauprodukte, Materialien in der Elektrotechnik und Elektronik sowie im Transportwesen das Risiko für einen Brand und dessen Ausbreitung minimieren. Computergehäuse sind oft aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat gefertigt, dürfen bei einem Kurzschluss aber kein Feuer fangen. Kabelisolierungen müssen so beschaffen sein, dass sich der Brand über sie nicht im ganzen Gebäude ausbreiten kann.
In Gebäuden mit sichtbaren Stahlkonstruktionen übernehmen kunststoffbasierte Brandschutzbeschichtungen eine Schutzfunktion: Sie bewahren den Stahl davor, sich zu schnell zu erhitzen. Stahlträger knicken so möglichst spät ein, und die Menschen haben mehr Zeit, sich aus dem brennenden Gebäude zu retten.


<h2>Hinzugeben oder einbauen</h2>
Die meisten Flammschutzmittel werden den Kunststoffen bei der Herstellung als Additive zugegeben. Manchmal reichen schon wenige Prozent, bei anderen Mitteln allerdings ist ein Anteil von über 60 Prozent üblich.
Trotz der Zusätze sollten die Kunststoffe ihre erwünschten Eigenschaften, etwa eine hohe Elastizität, behalten und sich wie gewohnt verarbeiten lassen, sagt Manfred Döring, Leiter der Abteilung Polymersynthese am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF) in Darmstadt. “Außerdem wird das Bauteil umso teurer, je mehr Flammschutzmittel man dazugeben muss.” Ziel der Industrie ist es daher, Formulierungen mit möglichst wenigen Zusätzen zu entwickeln. “Dass wirklich ganz neue Flammschutzmittel erfunden werden, ist selten”, berichtet Schartel, “normalerweise sind es immer die üblichen Verdächtigen, nur ein kleines bisschen verändert.” Ausnahmen gibt es vor allem da, wo altbewährte Flammschutzmittel verboten werden und die Industrie Ersatz suchen muss.
Kunststoffe lassen sich chemisch auch so verändern, dass sie von alleine, aufgrund ihrer Zusammensetzung bereits flammgeschützt sind. Bestes Beispiel ist Polyvinylchlorid (PVC) mit seiner Cl-Gruppe oder auch Teflon sowie phosphorhaltige Epoxidharze. Intrinsisch flammgeschützte halogenfreie Polymere sind in der Regel aber sehr viel teurer als die klassischen leicht brennbaren Kunststoffe.


<h2>Halogene fangen Radikale</h2>
Halogenhaltige Flammschutzmittel waren lange Zeit weit verbreitet. Wenn der Kunststoff brennt, wirken sie als Radikalfänger und stoppen Kettenreaktionen. Die Halogenradikale reagieren mit Sauerstoff, entziehen ihn der Verbrennungsreaktion und hemmen so die Ausbreitung der Flammen.
Inzwischen sind einige der halogenhaltigen Mittel verboten, zum Beispiel polybromierte und polychlorierte Biphenyle (Abbildung 1a). Denn sie sind giftig, persistent und akkumulieren in der Umwelt. Die meisten halogenhaltigen Flammschutzmittel sind aber noch immer erlaubt und werden es vermutlich auch in Zukunft bleiben, beispielsweise Tetrabrombisphenol A (Abbildung 1b). Bromhaltige Flammschutzmittel finden in Asien bei der Massenproduktion von Elektronik breiten Einsatz.
Kurz vor einem gesetzlichen Verbot steht hingegen Hexabromcyclododekan (HBCD), ein additives Flammschutzmittel für expandierte und extrudierte Polystyrolschäume (Abbildung 1c).1 Die Verbindung wurde im Mai 2013 in das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe aufgenommen, gilt als Substance of Very High Concern unter Reach. Ihre Verwendung ist ab August 2015 in der EU verboten.
“HBCD war nicht einfach zu ersetzen”, sagt Schartel. Inzwischen hat das US-Unternehmen Dow eine Alternative patentiert: die Bromverbindung PolyFR, ein Blockcopolymer aus Polystyrol und bromiertem Polybutadien (Abbildung 1d). Sie wird vertrieben unter den Namen FR-122P, Emerald 3000 sowie GreenCrest und wird gerade in den Markt eingeführt. Die BASF hat viele ihrer Anlagen zur Produktion von Polystyrolschäumen bereits auf das neue Mittel umgestellt.
Wie ihre Vorgängersubstanz enthält auch PolyFR Brom. Aber im Gegensatz zu HBCD ist es ein Polymer, kann daher nicht aus dem Kunststoff migrieren und schädigt weder Mensch noch Umwelt. “Der Übergang von molekularen Verbindungen hin zu polymeren ist allgemein ein Trend in der Flammschutzmittelbranche”, sagt Döring.


<h2>Vielseitiger Phosphor</h2>
Halogenhaltige Flammschutzmittel machen zwar noch einen großen Teil des Marktes aus, aber halogenfreie Flammschutzmittel auf Basis von Phosphor, Stickstoff oder anorganischen Verbindungen werden wichtiger, vor allem in Europa und den USA. Sie sind auch der Fokus der “Phosphorus, Inorganic and Nitrogen Flame Retardants Association” (Pinfa), einem Zusammenschluss europäischer Industrieunternehmen.
P-haltige Flammschutzmittel gehören beispielsweise zu den Substanzklassen der Phospinoxide, Phosphinate, Phosphonate und Phosphate.2 Daneben werden phosphorhaltige Salze eingesetzt wie Ammoniumpolyphosphat (APP, Abbildung 1g). Es bewirkt ein Aufquellen der Brandrückstände — ein Vorgang, der sich Intumeszenz nennt.3,4 Die entstehende Schicht schützt das Material vor Wärme und Sauerstoffzutritt.
Auch elementarer roter Phosphor verhindert, dass sich ein Feuer ausbreitet, indem sich eine Schicht aus Phosphor- und Polyphosphorsäuren bildet. “Der Nachteil von rotem Phosphor ist allerdings seine Farbe”, sagt Schartel, “wer weiße Ware herstellen möchte, kann naturgemäß nicht zu diesem Flammschutzmittel greifen.”
Viele phosphorhaltige Flammschutzmittel wirken als Radikalfänger, zum Beispiel DOPO, Dihydro-oxa-phosphaphenanthren-Oxid, ein zyklisches Phosphinat (Abbildung 1e). Es lässt sich dem Kunststoff zugeben, aber auch als Seitenkette in Epoxidharze einbauen.
Aluminiumdiethylphosphinat (Abbildung 1f) zersetzt sich oberhalb von 350 °C und ist ein häufiges Flammschutzmittel in Lichtschaltern, Steckdosen und PC-Lüftern. Auch diese Verbindung fängt H- und O-Radikale ab, darüber hinaus bildet es — wie roter Phosphor — schwer entflammbare Überreste, die Hitze und Sauerstoff von der brennenden Masse abhalten.


<h2>Schützender Schaum</h2>
 Ein zentimeterdicker Schaum (Abbildung 2, S. 123) entsteht, wenn Ammoniumpolyphosphat (APP) (Abbildung 1g) in Kombination mit Melaminderivaten (Abbildung 1h) und Pentaerythritol (Abbildung 1i) bei einem Brand heiß wird. Die Verbindungen werden — beispielsweise in Dispersionen als Teil der Deckfarbe — dünn auf Stahlträger aufgetragen. Bei Hitze schwillt die mikro- bis millimeterdünne Schicht auf das 10- bis 100-fache an: Ammoniumpolyphosphat zersetzt sich oberhalb von 250 °C; Phosphorsäure wird frei und diese reagiert mit Pentaerythritol zu Phosphatestern. Wenn diese Ester sich bei Hitze weiter zersetzen, entstehen Kohlenstoffdioxid sowie C- und P-haltige, schwer entflammbare Überreste. Melamin wiederum gibt bei Zersetzung Ammoniak und andere Gase frei. Diese Gase lassen die C- und P-haltigen Esterreste aus dem APP expandieren — so entsteht der wärmeisolierende Schaum, der die Stahlträger vor Hitze abschirmt (Abbildungen 3 und 4). Nach etwa einer Stunde allerdings lässt die Isolierung nach, die Stahlträger werden aufgrund der Hitze schließlich doch weich und knicken ein.
Unternehmen wie Wacker versuchen, den Fluchtzeitraum weiter zu verlängern. Das Bindemittel in flammschützenden Dispersionen verbindet den Schaum mit dem Stahl und verhindert, dass er zu früh abspringt oder abgleitet. Neue Bindemittel erhöhen laut Wacker den Fluchtzeitraum auf zwei Stunden.


<h2>Metallhydroxide kühlen und verdünnen</h2>
Die vom Gewicht her meistproduzierten Flammschutzmittel sind die Metallhydroxide Al(OH)3, AlOOH und Mg(OH)2. Werden sie heiß, zersetzen sie sich zu Metalloxid und Wasser (Abbildung 5). Da die Reaktionen endotherm sind, sorgen sie für Abkühlung. Außerdem setzen sie Wasser frei, das verdampft, zusätzlich kühlt und nebenbei die Konzentration brennbarer Gase in der Flamme verdünnt.
Diese Flammschutzmittel werden Kunststoffen typischerweise mit einem Massenanteil von bis zu 60 oder sogar 70 Prozent zugesetzt. Dieser hohe Anteil erschwert jedoch die Extrusion einiger Kunststoffe. Auf viele Maschinen wirken die Verbindungen korrosiv oder abrasiv. Organisch modifizierte Siloxane als zusätzliche Additive schaffen Abhilfe. Sie dienen als Verarbeitungshilfe im Extrusionsprozess. Evonik berichtet, dass ihre Siloxane auch die Menge an Metallhydroxide herabsetzen können, die für den Flammschutz nötig sind, denn auch Siloxane bilden verkrustende Rückstände, die das Material vor weiterer Hitzezufuhr schützen.


<h2>Flamme aus mit Graphen?</h2>
Nanopartikel wie modifiziertes Schichtsilikat, aber auch Kohlenstoffnanoröhren waren lange Zeit als Flammschutzmittel der Zukunft im Gespräch — sie sind laut Schartel bisher aber nur in Kombination mit konventionellen Flammschutzmitteln in wenigen speziellen Systemen erfolgreich. Jetzt haben Forscher ein Auge auf die zweidimensionale Kohlenstoffschicht Graphen geworfen.
Die BAM hat Graphen in Kooperation mit den Universitäten Freiburg und Bayreuth bereits unter die Lupe genommen. “Es hat sich gezeigt, dass auch Graphen nicht die Lösung für alle Probleme ist”, sagt Schartel. Graphen soll, so die Idee, als inerter Füllstoff dienen und zur Bildung von schützenden Brandrückständen beitragen. “Graphen alleine ist allerdings kein richtiges Flammschutzmittel”, sagt Schartel, “es wirkt überzeugend nur in Kombination, zum Beispiel mit Metallhydraten.” Manfred Döring ist daher skeptisch: “Die Wirkung ist nicht berauschend und im Moment ist Graphen viel zu teuer.”
Die promovierte Chemikerin Brigitte Osterath ist Wissenschaftsjournalistin in Bonn. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.writingscience.de" target="_blank">www.writingscience.de</a></ext-link>



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1 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/faq_hbcd.pdf" target="_blank">www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/faq_hbcd.pdf</a></ext-link>.
</li>
<li>
2 

 
S. V. Levchik, 
E.D. Weil, 
<source>Journal of Fire Sciences 
(2006), 
24, 
345.
</li>
<li>
3 

Flammschutzwirkung von rotem Phosphor: <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.bam.de/de/service/publikationen/publikationen_medien/dissertationen/diss_10_vt.pdf" target="_blank">www.bam.de/de/service/publikationen/publikationen_medien/dissertationen/diss_10_vt.pdf</a></ext-link>
</li>
<li>
4 

 
S. Bourbigot, 
M. Le Bras, 
S. Duquesne, 
M. Rochery, 
<source>Macromol. Mater. Eng. 
(2004), 
289, 
499.
</li>
<li>
5 

Zum Weiterlesen: Fire retardant polymers: recent developments and opportunities
</li>
<li>
5a 

 
S. Bourbigot, 
S. Duquesne, 
<source>J. Mater. Chem. 
(2007), 
17, 
2283.
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</ul>

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