Notizen


<h2>Mehr an die Fachhochschulen</h2>
<p>Der österreichische Wissenschaftsrat empfiehlt, die Studienplatzzahl an Fachhochschulen zu erhöhen und an Universitäten zu senken. Viele Studierende seien mehr an einer akademisch strukturierten Berufsvorbereitung interessiert. In Österreich bilden Fachhochschulen 11 % der Studierenden aus, in Deutschland sind es 30 %.</p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.wissenschaftsrat.ac.at" target="_blank">www.wissenschaftsrat.ac.at</a></ext-link></p>


<h2>Programm für Batterie-Entwicklung</h2>
<p>Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert mit dem Programm “Excellentbattery” die Entwicklung neuer Energiespeichersysteme. Der Schwerpunkt des Programms liegt bei dem Exzellenz-Zentrum für Batteriezellen an der Technischen Universität München. Außerdem beteiligen sich die Fraunhofer-Gesellschaft, BMW, Manz Tübingen und TÜV Süd Battery Testing. Die Projektpartner erhalten in den kommenden drei Jahren 4,3 Mio. Euro Bundesmittel. Die Forscher wollen durch die Entwicklung neuer Systeme vor allem die Energiedichte der Zellen steigern. Ziel von “ExcellentBattery” ist, dass bis zum Jahr 2020 in Deutschland 1 Mio. Elektroautos fahren. Am ersten Januar 2012 waren in Deutschland 51,7 Mio. Kraftfahrzeuge zugelassen.</p>


<h2>CHE-Ranking ohne die Chemie</h2>
<p>Die GDCh empfiehlt den Chemiefachbereichen deutscher Hochschulen, sich nicht mehr am Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zu beteiligen. Die GDCh folgt der Argumentation der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS). Die DGS wirft dem CHE methodische Mängel vor und hat die soziologischen Hochschulinstitute zum Boykott aufgerufen. Zum Forschungsrating des Wissenschaftsrats beschloss der GDCh-Vorstand, diese “anspruchsvolle und solide Initiative weiterhin wohlwollend und konstruktiv zu begleiten”.</p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.soziologie.de" target="_blank">www.soziologie.de</a></ext-link></p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.gdch.de/service-information/oeffentlichkeitsarbeit/pressenotizen.html" target="_blank">www.gdch.de/service-information/oeffentlichkeitsarbeit/pressenotizen.html</a></ext-link></p>


<h2>Bund fördert Molekularmedizin</h2>
<p>Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt mit dem Konzept “e:Med” die Systemmedizin, die molekularbiologische Forschung und Medizin verknüpft. Das Programm fördert zudem den Nachwuchs und die internationale Einbindung deutscher Forschung. Für die kommenden acht Jahre stellt der Bund 200 Mio. Euro bereit. Einsendeschluss für Anträge ist der 15. Januar 2013.</p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.bmbf.de/pubRD/foerderkonzept_eMed.pdf" target="_blank">www.bmbf.de/pubRD/foerderkonzept_eMed.pdf</a></ext-link></p>


<h2>Erneuerbare Energien studieren</h2>
<p>Die Universität Halle-Wittenberg bietet seit dem Wintersemester den Masterstudiengang “Erneuerbare Energien”. Er richtet sich vor allem an Bachelorabsolventen der Chemie und Physik. Seine Schwerpunkte sind: Physik und Chemie der Energieumwandlung, erneuerbare Energien und Energietechnik, Energiespeicherung sowie ökologische Energiewirtschaft.</p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.studienangebot.uni-halle.de/" target="_blank">www.studienangebot.uni-halle.de/</a></ext-link></p>


<h2>Impact-Faktor wächst</h2>
<p>In den Thomson ISI Journal Citation Reports steigerte die von der GDCh herausgegebene <i>Angewandte Chemie</i> ihren Impact-Faktor auf 13,46 und stärkte dadurch ihre Stellung als die interdisziplinäre Chemiezeitschrift für Forschungs- und Übersichtsartikel. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.wiley-vch.de/publish/dt/" target="_blank">www.wiley-vch.de/publish/dt/</a></ext-link></p>


<h2>Stipendiaten-Datenbank für die Chemieindustrie</h2>
<p>Stipendiaten des Fonds der Chemischen Industrie können sich in eine Datenbank eintragen lassen. Dabei geben sie ihr Forschungsthema und ihre Hochschule an. Auf diese Daten können Mitglieder des Verbands der Chemischen Industrie zugreifen. Aufgeführt sind bisher etwa 300 Promovierende und 35 angehende Hochschullehrer. Die Datenbank soll Unternehmen dabei unterstützen, Kooperationspartner und Mitarbeiter zu finden.</p>


<h2>Preis für Wissenschaftsvermittler</h2>
<p>Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schreibt den “Communicator-Preis” aus. Er ist mit 50 000 Euro dotiert und geht an Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse in den Medien und der Öffentlichkeit herausragend vermitteln. Bewerbungen und Vorschläge sind bis zum 31. Dezember einzureichen.</p>
<p><ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.dfg.de/gefoerderte_projekte/wissenschaftliche_preise/communicator-preis/index.html" target="_blank">www.dfg.de/gefoerderte_projekte/wissenschaftliche_preise/communicator-preis/index.html</a></ext-link></p>
<p>Severine Rupp, Jessica Schölch, Frankfurt</p>



Forschung und Bildung

Mehr an die Fachhochschulen Der österreichische Wissenschaftsrat empfiehlt, die Studienplatzzahl an Fachhochschulen zu erhöhen und an Universitäten zu senken. Viele Studierende seien mehr an einer akademisch strukturierten Berufsvorbereitung interessiert. In Österreich bilden Fachhochschulen 11 %...

Magazin


<p>“Schon wieder haben Biologen den Nobelpreis für Chemie erhalten”, hört man in diesem Jahr immer wieder. Dabei ist dies völlig falsch. Sowohl Robert Lefkowitz als auch Brian Kobilka haben Chemie studiert: Lefkowitz an der Columbia University in New York, Kobilka an der University of Minnesota und an der Duke University, Durham — aber darüber hinaus auch Medizin oder Biologie. Beide Wissenschaftler haben sich bereits in ihrer Ausbildung — ausgehend vom Chemiestudium — für angrenzende Gebiete interessiert: für die Chemie in biologisch-medizinisch relevanten Fragen.</p>


<h2>So wirken die Rezeptoren</h2>
<p>Jede unserer Körperzellen ist von einer Zellmembran umgeben, die für die meisten Substanzen undurchlässig ist. Botschaften, die zwischen den Zellen ausgetauscht werden, müssen daher irgendwie durch die Zellmembran gelangen. Die Botschaft kann dabei vielfältig sein, von anderen Zellen oder auch von außen kommen. Typische Botschaften von außen sind Geruchs- und Geschmacksmoleküle; wir riechen Kaffee (2-Furfurylmercaptan), Vanille (4-Hydroxy-3-methoxybenzaldehyd, Vanillin) oder schmecken Zucker und Bitterstoffe.</p>
<p>Chemische Botschaften, die Zellen aussenden, werden Neurotransmitter, Hormone oder Chemokine genannt. Sie weisen den Rest des Körpers darauf hin, dass lokal beispielsweise Entzündungen entstanden sind, eine Stresssituation vorliegt oder Nährstoffe fehlen und der Organismus “hungrig” ist.</p>
<p>Je nach Botenstoff setzen unterschiedliche Körperzellen chemisch höchst verschiedenen Signalstoffe frei: kleine endogene Amine wie das Stresshormon Adrenalin oder den Neurotransmitter Serotonin, Lipide wie die Fieber erzeugenden Mediatoren der Prostaglandinfamilie, Peptidhormone wie die Regulatoren der Nahrungsaufnahme Ghrelin und Glucagon oder Proteine wie die Familie der Chemokine. Über benachbarte Zellen, den synaptischen Spalt oder in der Blutbahn wandern diese Botenstoffe nun bis zu den Zielzellen, welche die entsprechenden Rezeptoren tragen.</p>
<p>Die Rezeptoren der oben beschriebenen Botenstoffe — externe wie interne Signalmoleküle — haben einen gemeinsamen Bauplan und ein gemeinsames Wirkprinzip: Es sind die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR). Natürlich hat die Zelle noch andere Arten von Rezeptoren: Ionenkanalrezeptoren, enzymgekoppelte Rezeptoren oder Steroidrezeptoren für membrangängige Botenstoffe. Doch die GPCR sind diejenigen, welche die diversesten Botenstoffe erkennen, der Zahl nach am häufigsten vorkommen und die in der Wirkstoffforschung das größte Potenzial haben.</p>
<p>Viele Krankheiten, Fehlregulationen und Missfunktionen im Körper beruhen darauf, dass zu viel oder zu wenig eines Botenstoffs vorhanden ist, oder der entsprechende Rezeptor nicht in genügender Menge oder Aktivität oder in zu großer Zahl mit überschießender Funktion vorliegt. GPCR sind somit seit langem eine wichtige Klasse an Zielmolekülen in der pharmazeutischen Industrie.</p>
<p>Ein Drittel der heute auf dem Markt befindlichen Medikamente wirkt über GPCR. Dazu gehören Medikamente, die den Blutdruck beeinflussen, wie die Beta-Blocker, die den β-adrenergen Rezeptor inhibieren, der das körpereigene Hormon Adrenalin bindet, und juckreizstillende Salben, die Histaminantagonisten enthalten und bei Insektenstichen abschwellend und entzündungshemmend wirken. Auch Schmerzmittel wie Morphine wirken an GPCR, in diesem Fall dem µ-Opioidrezeptor, und Medikamente zur Therapie von Schizophrenie, Angst, Allergien, Übelkeit, Migräne oder Asthma — um nur einige typische Anwendungen zu nennen.</p>


<h2>Wie arbeiten die Rezeptoren?</h2>
<p>G-Protein-gekoppelte Rezeptoren sind große Proteine, die zwischen 350 und 700 Aminosäuren enthalten, einzelne Ausnahmen sogar über 6000. Sie sind alle aus sieben transmembrandurchspannenden Helices aufgebaut, die durch drei extrazelluläre und drei intrazelluläre Schleifen verbunden sind. Der N-Terminus befindet sich jeweils außerhalb, der C-Terminus innerhalb der Zelle. Allerdings sind die Helices in ihrer dreidimensionalen Struktur dabei nicht plattgedrückt sondern — von außen betrachtet — in einem Oval gegen den Uhrzeigersinn angeordnet.</p>
<p>Vor über dreißig Jahren zeigte Robert Lefkowitz, dass Hormone wie das adrenocorticotrope Hormon an einen spezifischen Rezeptor binden. Er verwendete dazu radioaktiv markiertes Hormon und verdrängte damit nicht markiertes. In den 1970er Jahren klärte er dann den Funktionsmechanismus am Beispiel des β-adrenergen Rezeptors auf. Auf seinen Arbeiten beruht unser heutiges Verständnis von der Wirkweise: </p>
<p>GPCR können in verschiedenen Zuständen vorliegen, in einem inaktiven, den inverse Agonisten stabilisieren, und in einem oder mehreren aktiven Zuständen, die durch die Agonisten stabilisiert werden. Antagonisten binden an den Rezeptor und hemmen damit den Zugang von Agonisten und inhibieren die Aktivität. Lefkowitz zeigte, dass nach Bindung eines Hormons im Inneren der Zelle der Spiegel an cyclischem Adenosinmonophosphat durch eine Änderung der Aktivität des Enzymes Adenylatcyclase beeinflusst wird (im Fall des β-adrenergen Rezeptors steigt er). Weiterhin wies er den Mechanismus der G-Protein-Kopplung durch die Untersuchung des Austauschs von Guanosindiphosphat (GDP) durch Guaniosintriphosphat (GTP) nach. Wir wissen heute, dass ein GPCR im aktiven, durch den Botenstoff stabilisierten Zustand ein trimeres Protein (G-Protein), das das Nucleotid GDP gebunden hat, erkennt und in diesem Protein den Austausch von GDP durch GTP veranlasst. Dies schwächt das G-Protein selbst in seiner Stabilität, und es zerfällt in seine GTP-bindende α-Untereinheit und die βγ-Untereinheiten. Diese lösen unabhängig voneinander unterschiedliche Reaktionen in der Zelle aus — beispielsweise die Aktivierung des Enzyms Adenylatcyclase, die aus Adenosintriphosphat cyclisches Adenosinmonophosphat herstellt, das Schließen und Öffnen von Ionenkanälen oder die Aktivierung von Lipasen und Kinasen.</p>


<h2>Nobelpreis an die zwei Richtigen</h2>
<p>Robert Lefkowitz hat somit wesentlich dazu beigetragen, dass wir verstehen, wie die aus über 800 Mitgliedern bestehende Familie der GPCR in unserem Körper prinzipiell funktioniert. Allerdings war das Wissen über diese Rezeptoren nie auf molekularer Ebene bekannt. Die Rezeptoren befinden sich überwiegend in der Membran, sind schlecht zugänglich für biochemische und biophysikalische Untersuchungen sowie schlecht löslich und wenn, dann nicht mehr funktionell. Strukturelle Information war jahrelang nicht vorhanden und schränkte die rationale Entwicklung von Liganden und das Verstehen der Funktionsweise auf chemisch-molekularer Ebene beträchtlich ein.</p>
<p>Hier setzen nun die Ergebnisse von Brian Kobilka an. Nach jahrzehntelanger Arbeit hielt er endlich ein Verfahren in Händen, mit dem die Struktur dieser wichtigen Molekülklasse zugänglich ist. Er ermittelte im Jahr 2007 die erste Kristallstruktur des β-adrenergen Rezeptors und konnte Ähnlichkeiten und Unterschiede mit der Struktur des Sehpurpur Rhodopsin ausmachen. Er zeigte mit molekularer Auflösung, wie die Transmembranhelices zueinander orientiert sind, wie der Rezeptor die Liganden bindet und wie sich aktive und inaktive Strukturen unterscheiden. Seitdem ist es ihm gelungen, mehrere Strukturen von unterschiedlichen Rezeptoren zu erhalten, viele davon mit großer Bedeutung in der Wirkstoffentwicklung, etwa der µ-Opioidrezeptor.</p>
<p>Mit all diesen Informationen wird es wesentlich einfacher und effektiver sein, neuartige Medikamente rational zu entwickeln und deren chemisch-molekulare Wirkweise aufzuklären. Der Nobelpreis wurde damit zu Recht in Chemie vergeben für diese wichtigen Erkenntnisse, die unsere medizinisch-chemische Forschung nachhaltig geprägt haben und weiter prägen werden.</p>
<p>Annette Beck-Sickinger ist seit dem Jahr 1999 Lehrstuhl-Inhaberin für Biochemie und bioorganische Chemie an der Universität Leipzig. Sie ist Sprecherin des Sonderforschungsbereich 610 “Protein-Zustände mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz” und untersucht unter anderem auch die Proteinzustände G-Protein-gekoppelter Rezeptoren.</p>



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