Notizen


<h2>Steigende Ausgaben für Forschung und Bildung</h2>
<p>Das Statistische Bundesamt hat es ausgerechnet: 245,1 Mrd. Euro haben Bund, Länder, Kommunen, Wirtschaft und private Haushalte im Jahr 2011 in Forschung und Bildung investiert. Das sind 31 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2008. Damals vereinbarten Bund und Länder, dass jährlich 10 % des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung fließen sollen. Von den Ländern geben Baden-Württemberg, Berlin und Bayern am meisten für Forschung und Entwicklung aus. <i>SK</i></p>
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<h2>Studenten zieht es ins Ausland</h2>
<p>Knapp 4,3 Mio. Studenten weltweit gingen 2011 ins Ausland. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2000. Über die Hälfte zog es in die USA, nach Großbritannien und nach Deutschland. Mit 53 % sind Asiaten die größte Gruppe unter den im Ausland lebenden Studenten. Mit dem Programm Erasmus gingen 25 178 deutsche Studenten im Studienjahr 2010/ 2011 ins europäische Ausland, vor allem nach Spanien, Frankreich und in das Vereinigte Königreich. Die Angaben veröffentlicht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im aktuellen Bildungsbericht. <i>SK</i></p>
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<h2>Europäische Gesellschaft für Bioverfahrenstechnik</h2>
<p>Die Europäische Gesellschaft für Bioverfahrenstechnik (Esbes) hat zum Ziel, die Zusammenarbeit von biotechnischen Fachbereichen zu fördern. Außerdem bemüht sie sich um einen Austausch zwischen akademischer und industrieller Forschung. Esbes war vormals eine Abteilung der European Federation of Biotechnology und hat sich im April von diesem Verband gelöst. Zu ihm gehören unter anderen die Dechema, das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und die RWTH Aachen. <i>FR</i></p>
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<h2>Nationallizenzen für Unibibliotheken</h2>
<p>Die Rektorin der Universität Leipzig, Beate Schücking, fordert den kostenlosen Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und Primärjournalen. Die Bundesregierung könne nationale Lizenzen für die wichtigsten Online-Journale erwerben und damit die wissenschaftlichen Einrichtungen in den Ländern entlasten. Allein die Unibibliothek Leipzig hat ein Defizit von 1,1 Mio. Euro, 380 000 Euro Unterstützung vom Land Sachsen reichen da nicht aus. In Norwegen, Schweden und in der Schweiz sind solche Lizenzen üblich. <i>SK</i></p>
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<h2>Forschung für Rohstoffe</h2>
<p>Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat ein Programm für Edelmetalle und seltene Erden aufgelegt. Ziel sind Verfahren, die diese Rohstoffe gewinnen und recyceln und so die Versorgung mit diesen Ressourcen gewährleisten. Bis zum Jahr 2018 gibt der Bund dafür 60 Mio. Euro aus. <i>SK</i></p>
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<h2>Communicator-Preis der DFG</h2>
<p>Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schreibt den Communicator-Preis aus. Er ist mit 50 000 Euro dotiert und geht an Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit vermitteln. Bis zum 31. Dezember können sich Wissenschaftler oder Forschungsgruppen bewerben oder vorgeschlagen werden. <i>FR</i></p>
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<h2>EU-Programm Horizon 2020</h2>
<p>Die EU-Institutionen haben sich auf ein neues Rahmenprogramm für Forschung und Innovation geeinigt: Horizon 2020. Das Programm startet voraussichtlich am 1. Januar 2014 und verfügt über ein Budget von 70 Mrd. Euro. Diese Summe verteilt sich auf drei Säulen: Exzellenz der Wissenschaft, Ausbau der industriellen Führungsposition und gesellschaftliche Herausforderungen. Mit dem Exzellenz-Budget fördert die EU Grundlagenforschung und finanziert Ausrüstung. Das Industrieprogramm soll kleine und mittelständische Unternehmen stärken. Die dritte Säule ist auf die Lösung gesellschaftlicher Probleme ausgerichtet. Dazu zählen Gesundheit, Energieversorgung und Klimaschutz. Projekte, die Wissenschaftler aus ärmeren Ländern beteiligen, erhalten ein Prozent des Horizon-2020-Budgets. So profitieren nicht nur wissenschaftlich führende Länder wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien davon. Ein weiteres Ziel des EU-Forschungsprogramms sind einfachere Finanzierungsprozesse ohne Hürden wie lange Bearbeitungszeiten. <i>FR</i></p>
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<p>Sophie Kopsch, Franziska Rauh, Frankfurt</p>



Forschung und Bildung

Steigende Ausgaben für Forschung und Bildung Das Statistische Bundesamt hat es ausgerechnet: 245,1 Mrd. Euro haben Bund, Länder, Kommunen, Wirtschaft und private Haushalte im Jahr 2011 in Forschung und Bildung investiert. Das sind 31 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2008. Damals vereinbarten Bund und L...

Magazin


<h2>Zum Thema</h2>
<p>Prozesse in komplexen chemischen Systemen verlaufen im Allgemeinen auf verschiedenen Längen- und Zeitskalen. Beispiel: Bei enzymatischen Reaktionen werden chemische Bindungen an einer bestimmten Stelle im aktiven Zentrum des Proteins gebrochen und geknüpft; die damit einhergehenden schnellen Änderungen der Elektronenstruktur lassen sich nur mit der Quantenmechanik (QM) beschreiben. Bei der Reaktion bewegen sich auch die Atome im aktiven Zentrum und in der näheren Proteinumgebung. Die Kerne sind aber deutlich langsamer als die Elektronen, und sie folgen in guter Näherung den Gesetzen der klassischen Molekülmechanik (MM). Gegen Anfang und Ende einer enzymatischen Reaktion, also bei der Aufnahme des Substrats in die Bindungstasche und bei der Freisetzung des Produkts, bewegen sich ganze Domänen auf großer Zeitskala und relativ langsam. Diese Bewegungen der Domänen lassen sich durch eine mesoskopische Dynamik größerer Untereinheiten des Enzyms simulieren.</p>
<p>In komplexen chemischen Systemen gibt es somit verschiedene Ebenen der theoretischen Beschreibung. Die Quantenmechanik ist zwar anerkanntermaßen die korrekte Theorie für die Chemie, aber der Rechenaufwand für genaue quantenchemische Rechnungen steigt — trotz aller Fortschritte in den Rechenprogrammen — mit steigender Systemgröße immer noch sehr stark an. Eine akkurate Brute-force-QM-Behandlung stößt somit schnell an ihre Grenzen. Die theoretische Untersuchung enzymatischer Reaktionen galt daher lange Zeit als ein unerreichbares Ziel der theoretischen Chemie, auch angesichts der Tatsache, dass sich die effizienten kraftfeldbasierten MM-Verfahren für Reaktionen nicht eignen. Es ist das Verdienst der drei diesjährigen Nobelpreisträger, dass sie in den 1970er Jahren einen konzeptionellen Ausweg aus diesem Dilemma gezeigt haben. Die Idee ist eigentlich ganz einfach: Man wende die genauen, aber teuren QM-Verfahren nur dort an, wo sie wirklich nötig sind — nämlich in einem kleinen QM-Bereich, in dem sich die lokalisierten elektronischen Prozesse abspielen, beispielsweise chemische Reaktionen oder elektronische Anregungen. Den größeren Rest des Systems behandle man mit einfachen, klassischen MM-Verfahren. Dieser Ansatz verheiratet die Schrödinger-Gleichung mit der Newtonschen klassischen Mechanik und erzeugt somit den QM/MM-Prototyp eines Multiskalenmodells. Dies erlaubt es, sehr viele komplexe chemische Probleme maßgeschneidert zu behandeln: Der Rechenaufwand konzentriert sich auf die wichtigen elektronisch relevanten Bereiche, ohne den Einfluss der Umgebung zu vernachlässigen. Der Ansatz verbindet somit die Vorzüge beider Welten: Er modelliert komplexe Systeme mit guter Genauigkeit (QM) und erfasst dabei ihre Komplexität (MM).</p>


<h2>Zur Historie</h2>
<p>Warshel und Karplus machten den ersten Schritt in Richtung Multiskalenmodelle im Jahr 1972, als sie für planare Moleküle die semiempirische PPP-π-Elektronenmethode (QM) mit einem empirischen Potenzial für das Molekülgerüst inklusive der σ-Elektronen (MM) kombinierten, um Potenzialflächen im Grundzustand und im angeregten Zustand zu berechnen.<sup>1</sup></p>
<p>Warshel und Levitt formulierten dann im Jahr 1976 ein allgemein gültiges QM/MM-Schema mit der Aufteilung des Systems in QM- und MM-Bereiche, mit einem wohldefinierten Ausdruck für die QM/MM-Gesamtenergie und mit einer expliziten Behandlung der QM/MM-Kopplungsterme.<sup>2</sup></p>
<p>Diese Pionierarbeiten aus den 1970er Jahren waren in vieler Hinsicht ihrer Zeit voraus — aus den 1980er Jahren gibt es fast keine nennenswerten QM/MM-Publikationen. Dies liegt zum großen Teil sicher daran, dass die QM- und MM-Verfahren jeweils für sich genommen noch einiges zu wünschen übrig ließen und besser werden mussten. Dies geschah in den 1980er Jahren auf breiter Front, und gegen 1990 war die Zeit reif für den erfolgreichen Einsatz von QM/MM-Verfahren. Die diversen methodischen Fragen bei der Kombination von QM- und MM-Methoden wurden angegangen und gelöst, und parallel dazu wurden zahlreiche QM/MM-Methoden angewandt, meist zu Fragen aus der Biochemie.</p>
<p> Bei einer bibliometrischen Analyse im Web of Science findet man unter dem Suchbegriff “QM/MM or QMMM” eine exponentiell wachsende Zahl von Publikationen und Zitationen seit dem Jahr 1994, insgesamt liegt der Stand bei etwa 9000 Zitationen im Jahr 2012 (vermutlich mit einer recht hohen Dunkelziffer). Es ist daher hier schlicht unmöglich, einen angemessenen Überblick über die Entwicklung zur QM/MM-Forschung in den letzten Jahren zu geben, stattdessen sei auf einen allgemeinen Review zu QM/MM-Untersuchungen an Biomolekülen verwiesen.<sup>3</sup></p>
<p>QM/MM-Ansätze werden zunehmend auch in anderen Bereichen der Chemie eingesetzt, beispielsweise bei theoretischen Untersuchungen zur heterogenen Katalyse, zu Reaktionen in Lösungen und zur Spektroskopie in der kondensierten Phase. Es ist zu erwarten, dass Multiskalenmethoden bei der Modellierung komplexer chemischer Prozesse weiter an Bedeutung gewinnen werden.</p>


<h2>Zu den Laureaten</h2>
<p>Es griffe sicher zu kurz, die wissenschaftlichen Verdienste der drei Preisträger auf die Entwicklung von QM/MM-Verfahren einzuengen. Alle drei haben wesentlich zu den Fortschritten auf dem allgemeinen Gebiet der biomolekularen Modellierung beigetragen. So war Martin Karplus die treibende Kraft hinter der Entwicklung des klassischen CHARMM-Kraftfelds und des CHARMM-Programms — beide werden weltweit von vielen Gruppen verwendet. Karplus führte bereits sehr früh klassische Trajektorienrechnungen an dreiatomigen reaktiven Systemen durch, später präsentierte er dann die ersten klassischen Molekulardynamiksimulationen an einem Protein in der Gasphase. Er legte viele Pionierarbeiten zur Struktur, Dynamik und Reaktivität von Proteinen vor, und die Karplus-Gleichung für NMR-Kopplungskonstanten hat Eingang in die Lehrbücher gefunden.</p>
<p>Arieh Warshel entwickelte zu Beginn seiner Karriere gemeinsam mit Shneior Lifson eines der ersten Kraftfelder für die organische Chemie und führte dann später für Rechnungen an Enzymen die Empirical-valence-bond-Methode (EVB) ein. Bereits im Jahr 1976 legte er eine visionäre Molekulardynamikstudie zum Primärprozess beim Sehvorgang vor. Als wegweisend erwiesen sich auch seine Arbeiten zur Dynamik von Enzymen und zur Bedeutung der elektrostatischen Präorganisation des aktiven Zentrums in der enzymatischen Katalyse.</p>
<p>Michael Levitt lieferte essenzielle Beiträge zum Verständnis von Proteinstrukturen und Proteinfaltung.</p>
<p>Angesichts dieser kurzen und bei weitem nicht vollständigen Aufzählung ist offenkundig, dass die drei Laureaten — auch jenseits der jetzt ausgezeichneten Entwicklung von Multiskalenmodellen — das Feld der biomolekularen Modellierung wesentlich geprägt haben. Die Königliche Schwedische Akademie hat würdige Preisträger gefunden.</p>


<h2>Zum Fachgebiet</h2>
<p>In den letzten Jahrzehnten gingen Nobelpreise in der theoretischen Chemie im Jahr 1998 an Walter Kohn (Dichtefunktionaltheorie) und John Pople (Quantenchemie), 1992 an Rudolph Marcus (Elektronentransfer) und 1981 an Kenichi Fukui und Roald Hoffmann (Reaktivität). Der diesjährige Nobelpreis spiegelt die gewaltigen Fortschritte des Fachs in diesem Zeitraum wider, von qualitativen und formalen Theorien zu chemischen Reaktionen (1981, 1992) über die Entwicklung möglichst quantitativer quantenmechanischer Rechenverfahren (1998) hin zur realistischen Modellierung komplexer chemischer Systeme (2013). Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem theoretische Rechnungen wesentlich dabei helfen, konkrete chemische Probleme zu lösen, und zwar nicht nur in den Lebenswissenschaften — dem Arbeitsschwerpunkt der drei Laureaten —, sondern auch auf anderen Gebieten der Chemie wie der Katalyse oder den Materialwissenschaften. Für Theoretiker ist es daher eine große Freude und Genugtuung, dass der diesjährige Nobelpreis diese Fortschritte würdigt.</p>
<p>Walter Thiel, Jahrgang 1949, ist Direktor der Abteilung Theorie am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Seine Gruppe entwickelt theoretische Methoden und Rechenprogramme für große Moleküle und untersucht ein breites Spektrum von Anwendungen, von hochgenauen Ab-initio-Rechnungen an kleinen Molekülen bis zur QM/MM-Modellierung komplexer chemischer Systeme mit Tausenden von Atomen.</p>



<ul>
<li>
<sup>1 </sup>

 
A. Warshel, 
M. Karplus, 
<source>J. Am. Chem. Soc. 
(1972), 
94, 
5612–<lpage>5625.</lpage>
</li>
<li>
<sup>2 </sup>

 
A. Warshel, 
M. Levitt, 
<source>J. Mol. Biol. 
(1976), 
103, 
227–<lpage>249.</lpage>
</li>
<li>
<sup>3 </sup>

 
H. M. Senn, 
W. Thiel, 
<source>Angew. Chem. 
(2009), 
121, 
1220–<lpage>1254.</lpage>
</li>
</ul>


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