Blickpunkt

Laborjournal- und Lagerverwaltungsprogramme sind häufig für große Pharma- und Chemieunternehmern entwickelt. Manches Programm eignet sich aber ebenso für kleinere Forschungs- und Entwicklungslabore, auch an Universitäten. Seit etwa einem Jahr nutzt der Arbeitskreis Helm am Institut für Pharmazie und Biochemie der Universität Mainz ein Softwarepaket des Softwareunternehmens Quattro zur elektronischen Versuchsprotokollierung und Laborverwaltung.


<h2>Das Projekt im Griff haben</h2>
Das Laborjournal (LJ) verwaltet Projekte inklusive digitaler Dokumentation. Dabei kann die Protokollführung projekt- oder mitarbeiterorientiert sein; beides lässt sich durch die Software abbilden.
Zusätzlich zum konventionellen Protokoll, wie es in der Papierform üblich ist, lassen sich externe Dateien mit Formaten wie .doc, .pdf und .jpg hochladen, verlinken und indizieren. Damit sind alle Versuchsdaten eingebunden und gesichert, wenn sie digital vorliegen oder digitalisierbar sind. Selbst Fotos von Geräteaufbauten sind so schnell sowie unkompliziert hinterlegt und vor allem wiederzufinden. Die Software enthält eine Suchfunktion nach Volltext, Autor, chemischer Struktur, Substruktur usw. Dies ermöglicht, Versuchsbeschreibungen und Reagenzien des gesamten Arbeitskreises zu finden. Sowohl die Suche als auch die Protokollführung werden durch eine Interaktion mit Formelzeichenprogrammen unterstützt.
Besonders nützlich sind die Werkzeuge (Integrated Tools), die eine Reaktion sowohl durch chemische Formeln beschreiben, als auch die Stöchiometrie und Ausbeute berechnen. Dabei gibt es noch Raum für Weiterentwicklungen, beispielsweise bei der Interaktion mit Chemdraw und Isisdraw.
Das Laborjournal läuft am effizientesten, wenn die laboreigene Datenbank auf einem Server installiert und von Clientrechnern abgerufen wird. So ist die gespeicherte Information gegen Zugriff von außen geschützt und patentfestes Arbeiten möglich, wie in der Industrie üblich.


<h2>Das Lager verwalten</h2>
Eine sinnvolle Ergänzung zum Laborjournal bietet ein Lagerverwaltungsprogrammprogramm (Compound-Management, CM). Quattro CM verwaltet und inventarisiert alle chemischen Substanzen im Labor, inklusive der synthetisierten und im Laborjournal beschriebenen. Allerdings fehlt die Option, Substanzinformationen wie Molekularmasse, Reinheit und Restmenge aus dem Verwaltungsprogramm in das Laborjournal automatisch übertragen zu lassen.
Das Programm beobachtet den Vorrat an Substanzen und Proben, die im Labor vorhanden sind. Für jede Chemikalie lässt sich ein Mindestvorrat definieren, bei dessen Unterschreitung das Programm automatisch nachbestellt oder eine Nachbestellung anmahnt. Vorteilhaft im akademischen Umfeld ist, dass das Lagerverwaltungsprogramm auch Gefahrstoffinformationen wie Sicherheitsdatenblätter verwaltet.


<h2>Der Barcode hilft forschen</h2>
Besonders gefallen hat uns, dass Quattro CM sehr gut mit einem Barcodescanner und einen Barcodedrucker zusammenarbeitet. Dies vereinfacht die Suche nach chemischen Daten. Ein Mitarbeiter kann so ein Gefäß allein aufgrund des Barcodes identifizieren und damit z. B. alle gespeicherten Versuchsdaten nach genau dieser Substanz durchsuchen.
Trotz einiger Kinderkrankheiten, die aus der Anpassung von Industrie an Akademie entstanden, haben Quattros LJ und CM unsere Labororganisation und Verwaltung vereinfacht.
Michaela Kotaskova und Lyudmil Tserovski sind Mitarbeiter im Arbeitskreis von Mark Helm im Institut für Pharmazie und Biochemie der Universität Mainz. <a href="mailto:kotaskov@uni-mainz.de">kotaskov@uni-mainz.de</a> <a href="mailto:l.tserovski@gmail.com">l.tserovski@gmail.com</a>


<h2>— — — Auf einen Blick</h2>
Quattro LJ und CM arbeiten auf Clientseite mit Windows 2000 und Windows XP (SP1 und SP2) sowie auf der Serverebene mit Windows 2000 und 2003 mit Oracle 9.x und 10. Die Programme unterstützen OLE-Objekte und Formate wie RTF, SDF und PDF.
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<h2>— — — Kurz notiert</h2>


<h2>Berufsschul-Wiki</h2>
Im Internet finden sich heute unzählige Wiki-Angebote. Gemeinsam ist ihnen, dass alle Nutzer die einzelnen Beiträge bearbeiten und neue anlegen können. Während Wikipedia ein internationales und alle Themen umfassendes Online-Lexikon sein will, fokussieren sich kleinere Angebote auf spezielle Themen oder Zielgruppen.
Auf der Homepage der Beruflichen Schule Winsen an der Luhe entsteht ein Lexikon zu technischen und naturwissenschaftlichen Themen. Es richtet sich in erster Linie an berufliche Schulen und umfasst die dort vertretenen Fächer. Von den 1675 im März verzeichneten Artikeln befassen sich ungefähr 1200 (also etwa 70 Prozent) mit chemischen Themen.
Die Beiträge sind überwiegend kurz, aber prägnant, einige dienen nur als Glossar. Sie stellen Elemente und Verbindungen vor, erklären Reaktionen und Prozesse oder beschreiben Experimente. Aufgaben mit Lösungen ergänzen das Angebot. Die meisten Beiträge schließen mit weiterführenden Links oder Literaturangaben. Die eingebundenen Abbildungen stammen überwiegend aus externen Quellen, leider fehlen oft die Hinweise über Nutzungsrechte. Das Gesamtangebot steht unter “GNU-Lizenz für freie Dokumentation”, darf also — unter Angabe der Quelle — weiterverwendet werden.
 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.bs-wiki.de" target="_blank">www.bs-wiki.de</a></ext-link>
Axel Schunk, <a href="mailto:axel.schunk@charite.de">axel.schunk@charite.de</a>


<h2>60 Millionen CAS-Nummern</h2>
Die 60-millionste ins CAS-Register aufgenommene Substanz entstammt einer chinesischen Patentanmeldung. Die möglicherweise gegen Viren wirksame Verbindung, erhielt die CAS-Nummer 1298016— 92—8. Die 50-millionste Substanz gelangte vor zwei Jahren ins Register.
<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.cas.org" target="_blank">www.cas.org</a></ext-link>


<h2>Computerspiel um Chemiereaktor</h2>
Erst HCl, dann CH2O: Beim Computerspiel “Space Chem” geht es darum, Moleküle zusammenzubauen — und das mit möglichst wenigen und einfachen Reaktoren. In späteren Schwierigkeitsstufen baut der Spieler ganze Chemieanlagen. Für Nichtchemiker klingt das wahrscheinlich nicht sonderlich spannend, aber ein Chemiker hat mit dem Denkspiel gewaltigen Spaß. Wie stolz ist man doch, wenn die Anlage schließlich steht, Formaldehyd produziert, und eine Beförderung ansteht: vom Trainee zum Reaction Engineer.
Anfangs braucht es etwas Geduld, um die Aufgabe zu verstehen: Zwei Kreise, eine Art elektronische Wagen, sind so zu programmieren, dass sie die Edukte zum richtigen Zeitpunkt am Reaktorzufluss abholen, zum richtigen Platz bringen, dort Bindungen spalten oder erzeugen und das Produkt zum Ausfluss transportieren. Bei der Produktion von Salzsäure ist das relativ einfach, bei Stickstoffmolekülen verzweifelt man zunächst: Gleich drei Bindungen nacheinander zu knüpfen, ist gar nicht so leicht für den Internetchemiker.
Allerdings darf der Spieler die Chemie hinter dem Spiel nicht zu ernst nehmen: Zumindest in den ersten Schwierigkeitsstufen spielt es keine Rolle, ob eine Reaktion in der Realität auch so ablaufen würde — was sie meist nicht tut. Acetylen beispielsweise baut der Spieler aus je zwei C- und zwei H-Atomen, die der Reaktor aneinanderreiht; Ammoniak entsteht praktischerweise ebenfalls nur aus einzelnen Atomen. Mag sein, dass sich das in späteren Stufen ändert und der Chemiker dann noch mehr zu tüfteln hat.
“Space Chem” von Zachtronics Industries ist als spielbare Demoversion mit vielen Schwierigkeitsstufen herunterzuladen. Die Vollversion kostet 15 US-Dollar.
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Brigitte Osterath, Bonn

Artikel

Elektronisches Journal an der Uni

Laborjournal- und Lagerverwaltungsprogramme sind häufig für große Pharma- und Chemieunternehmern entwickelt. Manches Programm eignet sich aber ebenso für kleinere Forschungs- und Entwicklungslabore, auch an Universitäten. Seit etwa einem Jahr nutzt der Arbeitskreis Helm am Institut für Pharmazie...

Der Begriff “Megatrends” bezeichnet Veränderungsprozesse, die sowohl auf die Lebensumstände des individuellen Menschen als auch auf gesamtwirtschaftliche Entwicklungen von Ländern und Regionen wirken. Viele der Megatrends sind — trotz der publizistischen Welle — überhaupt nicht neu, sondern per Definition langfristig wirkend. Das Neue liegt häufig nicht im Megatrend selbst, sondern im Bewusstwerdungsprozess der Öffentlichkeit und damit in der Relevanz für kundenorientierte politische Entscheidungsträger.
Die Liste der Megatrends ist lang. Unterschiedliche Autoren und Institutionen fassen einzelne Megatrends zu “Oberthemen” zusammen:
<list list-type="order">
<list-item>
</list-item></list>Demografie und Bevölkerungsentwicklung;

<list-item>
weltweit unterschiedliches Wirtschaftswachstum (Two-speed-economy): Stagnation in reifen, häufig westlichen, Ländern und hohe Wachstumsraten in Regionen wie Ost- und Südasien, Südamerika und Teilen von Afrika;
</list-item>
<list-item>
Ressourcenverknappung (Energieträger, Wasser, landwirtschaftliche Anbauflächen, Nahrungsmittel) und die Notwendigkeit verbesserter Ressourceneffizienz;
</list-item>
<list-item>
zunehmende Mobilität und sinkende Kosten der Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -übertragung;
</list-item>
<list-item>
Übergang in eine multipolare Welt, Zunahme von regionalen Konflikten und Terroraktivitäten sowie der resultierende Anstieg von Sicherheitsbedürfnissen.
</list-item>

Einzelne Megatrends lassen sich sehr konkret in Bedarfe übersetzen für chemische Produkte oder für Endprodukte, die spezifische chemische Vorprodukte erfordern. So führt der Megatrend “Ressourcenverknappung” zu gewichtsreduzierenden Materialen im Auto (Kunststoffe, Verbundwerkstoffe etc.), die den spezifischen Kraftstoffverbrauch senken. Gleiches gilt für Materialen, die Gebäude und Einrichtungen dämmen und so den Energieverbrauch für Heizung oder Kühlung verringern.
Die Tabelle zeigt, dass ein Megatrend wie Ressourceneffizienz die Nachfrage nach chemiespezifischen Produkten und Lösungskomponenten steigert: nach Enzymen und Katalysatoren ebenso wie nach Membranen und Lacken.
Insofern ist es kaum überraschend, dass nahezu alle Chemieunternehmen den Zusammenhang zwischen Wachstumschancen für das eigene Unternehmen und den globalen Megatrends betonen: Megatrends als Wachstumstreiber. Begriffe und Schlagworte erscheinen dabei oft austauschbar. Warum das eigene Unternehmen in besonderer Weise — und damit im Vergleich zum Wettbewerb — von einem spezifischen Megatrend profitieren sollte, wird oft nicht erläutert.


<h2>Im Trend wertschaffend</h2>
Die Boston Consulting Group analysiert jährlich die Wertschaffung von börsennotierten Unternehmen.1 Maßstab der Wertschaffung ist dabei die jährliche Kursveränderung einer Aktie einschließlich der Dividendenausschüttungen (total shareholder return, TSR).
Für Unternehmen der investitionsintensiven chemischen Industrie ist ein mehrjähriger Vergleich aussagefähig: Um wie viel Prozent hat sich der TSR eines Unternehmens pro Jahr im Durchschnitt der letzten 5 oder 20 Jahre verändert (Abbildung 1)? So stieg bei BASF der TSR im Durchschnitt der letzten 20 Jahre jedes Jahr um 17 Prozent. BASF liegt damit im ersten Quartil der 83 Chemieunternehmen, die seit 20 Jahren börsennotiert sind. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre erhöhte BASF den TSR pro Jahr um 18 Prozent und liegt damit im zweiten Quartil der 131 betrachteten Unternehmen, die seit mindestens fünf Jahren börsennotiert sind.


<h2>Welches Segment bringt's?</h2>
Die durchschnittliche jährliche Wertschaffung schwankte in den letzten fünf Jahren sowohl nach Region als auch nach Geschäftsschwerpunkt: Sie war in Asien größer als in Japan und bei Düngemitteln höher als bei Industriegasen. Die Bandbreite der jährlichen Wertschaffung innerhalb der Segmente ist groß. Sie wird entscheidend durch das Portfolio, das Geschäftsmodell und die Qualität der Unternehmensführung bestimmt. Zudem sind die regionale und segmentspezifische Zugehörigkeit relevant.
Die Wertschaffungshitliste bestimmen die Segmente “Düngemittel”, “Basischemie” (ohne Japan), “Industriegase” und “Agrochemie”. Eine Betrachtung über zehn Jahre führt dabei zu den gleichen Top-Vier-Segmenten wie eine Betrachtung über fünf Jahre.
Die Wertschaffungscluster Düngemittel und Agrochemie stehen im Zusammenhang mit dem Megatrend Demografie, der steigenden Nachfrage nach Fleisch und verarbeiteten Lebensmitteln in den schnell wachsenden Ländern sowie der Begrenztheit von Ressourcen wie fruchtbarem Land.


<h2>Regionale Wertschaffungscluster</h2>
Abbildung 3 zeigt, dass es eine Verbindung zwischen wichtigen, schon seit längerem wirkenden globalen Megatrends und der Reihenfolge der Wertschaffungscluster gibt:
Im jährlichen Durchschnitt haben asiatische Chemieunternehmen (mit Ausnahme von Japan) mit großem Abstand mehr Wert geschaffen als die Chemieunternehmen der anderen Regionen. Die negative Entwicklung der japanischen Chemieindustrie hängt mit der generell schlechten Börsenentwicklung in Japan zusammen.
Die Größe der Marktkapitalisierung in Asien (die Kreisgrößen in Abbildung 3) prägen Unternehmen der Basischemie und breit aufgestellte Multibusiness-Chemieunternehmen.
Treiber des basischemienahen Wachstums sind erstens die Verarbeitungsindustrien in Asien und zweitens die Investitionen in die Infrastruktur der Wachstumsländer. Dritter Treiber ist das steigende verfügbare Einkommen pro Kopf in Ländern wie China und Indien, aber auch in den bevölkerungsreichen südostasiatischen Ländern. Dies hat dazu geführt und wird weiter dazu führen, dass Millionen von Menschen zum ersten Mal überhaupt aktiv als Konsumenten auftreten und Produkte wie Haushaltsgeräte, Automobile, Wohnungseinrichtungen, aber auch Bekleidung und Nahrungsmittel nachfragen.2
Die negative Wertschaffung von Basischemieunternehmen im Nahen Osten ist zum einen durch die geringe Anzahl von drei untersuchten Unternehmen nur begrenzt aussagefähig. Zum anderen ist sie aber auch ein Indiz dafür, dass erheblich in die Zukunft — in Akquisitionen und neue Produktionskapazitäten — investiert wurde. Diese Investitionen sind betriebswirtschaftlich noch nicht alle in der Gewinnzone. Ihnen liegt eine langfristige Strategie zugrunde, zum Teil verbunden mit Entwicklungszielen der jeweiligen Volkswirtschaft.


<h2>Europa spezial</h2>
Unternehmen der Basischemie spielen in Europa und Amerika kaum mehr eine Rolle und schaffen keinen Wert.
Die europäische Chemieindustrie prägen Unternehmen der Spezialitätenchemie und Chemieunternehmen mit einem breit aufgestellten Geschäftsportfolio. Deren Wertschaffung ist mindestens genauso gut wie die der Basischemieunternehmen in den übrigen Regionen. Aus unserer Sicht ist dies nicht überraschend, und wir gehen davon aus, dass die europäischen Chemieunternehmen auch in Zukunft ein wichtiges und wertschaffendes Cluster in der globalen Chemieindustrie sein werden: Europäische Chemieunternehmen sind dabei, sich global aufzustellen, und haben hier oft einen Vorsprung gegenüber amerikanischen und japanischen Chemieunternehmen.
Unsere Analysen zeigen, dass europäische Chemieunternehmen gelernt haben, in sehr unterschiedlichen und differenzierten Chemiesegmenten Wert zu schaffen. Die Fähigkeit, unterschiedliche Geschäftsmodelle in einem Konzern zu steuern, zeichnet europäische und führende amerikanische Chemieunternehmen aus. Geschäfte, die eine Komplexitätsanforderung haben, erzeugen Kundenbindung und sind Grundlage für Innovationen. “Komplexe Geschäfte unkompliziert zu steuern” — dies ist die Anforderung.


<h2>Megatrends und Wertschaffung in der nächsten Dekade</h2>
Die Ressourceneffizienz wird mit entsprechenden regulatorischen Auflagen und der kostenmäßigen Sanktionierung von Ressourcen-Ineffizienz immer mehr von den Unternehmen fordern.
Chemieunternehmen werden sich dabei nicht dadurch differenzieren, wie sie mit bunten Bildern im Geschäftsbericht die vermeintlich automatische, segensreiche Wirkung der Megatrends fürs eigene Geschäft darstellen. Chemieunternehmen werden sich dadurch differenzieren, welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen und welche strukturellen Veränderungen sie realisieren, um Vorteile aus den Megatrends zu ziehen.
Das Beispiel strukturell unterschiedliches Wachstum: Etwa 85 Prozent des Konsumwachstums in Deutschland werden bis zum Jahr 2030 Verbraucher verursachen, die älter als 55 Jahre sind. Mehr als zwei Drittel des globalen Wachstums der chemischen Industrie bis zum Jahr 2020 und annähernd 50 Prozent der globalen Chemienachfrage werden in Asien stattfinden. Das Gravitätszentrum von Wachstum und Nachfrage verschiebt sich. Europäische Chemieunternehmen sind dabei, Produktionsstätten “in Asien für Asien” auszubauen. Auch Forschung und Produktentwicklung sollten häufig “in Asien für Asien” erfolgen.
Aus unserer Sicht müssen die Unternehmen noch mehr unternehmen: Das eigene Gravitätszentrum muss stärker mit dem zukünftigen Gravitätszentrum der globalen Chemiemärkte und des Marktwachstums übereinstimmen. Dies darf sich nicht nur auf Absatzmärkte und Produktionsnetzwerke beziehen. Es betrifft ebenso Entscheidungszentren und -prozesse globaler Chemieunternehmen: Sind sie nah genug am Markt? Sind die Entscheidungsträger mental, kulturell und sprachlich mit den Wachstumsmärkten vertraut? Ist die Marktkenntnis der Bedeutung der Märkte angemessen?
Ein weiterer Megatrend kommt hinzu: Unternehmen aus den schnell wachsenden Märkten treiben ihre eigene Globalisierung aus Asien heraus voran — mit einem Anspruch, einer Energie und einer Nachhaltigkeit, welche die amerikanischen und europäischen Platzhirsche in ihrer Wirkungen oft unterschätzen.
Udo Jung, promovierter Betriebswirt, ist Senior Partner und Managing Director bei der Boston Consulting Group (BCG) in Frankfurt. Er ist globaler Leiter des Sektors Chemie bei BCG. Über Wertschaffung internationaler Unternehmen im Kontext globaler Megatrends berichtete er während der Handelsblatt Jahrestagung Chemie in Köln. <a href="mailto:jung.udo@bcg.com">jung.udo@bcg.com</a>


— — — Thomas Seuß beantwortet Fragen zum Patentrecht


<h2>Warten auf die Gemeinschaft?</h2>
Thomas Seuß Patentanwalt
Frage 52:
Lohnt es sich, mit meiner Patentanmeldung noch zu warten, bis die Regelungen zum EU-Gemeinschaftspatent in Kraft treten?
Antwort:
Das EU-Gemeinschaftspatent, welches als einheitliches Recht in allen EU-Mitgliedsstaaten gelten würde, wird bereits seit 1975 diskutiert, ohne dass bislang eine Regelung gefunden wurde, die die Zustimmung aller EU-Mitgliedsstaaten fände. Es werden zwar in schöner Regelmäßigkeit Durchbrüche gemeldet, hierbei handelt es sich allerdings in der Regel um wenig relevante Fragen. Die entscheidenden Fragen, welche die Einführung eines Gemeinschaftspatentes immer wieder verzögern, sind seit dem Jahr 1975 die Gleichen: Die Frage der Sprachen und die Frage des Gerichtssystems.
Wenn jedes Gemeinschaftspatent eine Übersetzung in alle Sprachen der EU erforderte, dann wäre es voraussichtlich so teuer, dass es allgemein abgelehnt wird. Beim derzeit bestehenden europäischen Patent, welches nichts mit der EU zu tun hat, bestehen zwar auch viele Mitgliedsländer noch darauf, eine Übersetzung in ihre Landessprache zu erhalten, der Anmelder hat hier aber die Möglichkeit, sein Patent nur in wenigen Ländern zu “validieren”, und muss nur für diese Länder gegebenenfalls Übersetzungen vornehmen. Die EU-Kommission befürwortet für das Gemeinschaftspatent derzeit ein Modell, bei dem die Übersetzungen automatisch durch Google angefertigt würden. Für eine Übergangszeit von einigen Jahren müssten aber noch Übersetzungen in mindestens einer anderen Sprache angefertigt werden, damit die Übersetzungssoftware entsprechend trainiert werden kann.
Das zweite Problem betrifft das Gerichtssystem: Hier ist zu berücksichtigen, dass das Patentrecht eine sehr spezielle Materie ist. Nicht in allen Ländern existieren derzeit Gerichte, die in dieser Materie sachkundig sind, während beispielsweise das Landgericht Düsseldorf mehr als die Hälfte aller Patentstreitfälle innerhalb der EU verhandelt. EU-intern scheint es nicht verhandelbar zu sein, die existierenden sachkompetenten Patentstreitkammern mit den Gemeinschaftspatentstreitfällen zu beauftragen. Der Aufbau eines europäischen Patentgerichts erscheint wiederum sehr aufwendig. Befürchtet wird insbesondere, dass inkompetent besetzte Gerichte ein Gemeinschaftspatent nichtig erklären könnten, so dass mit einem Schlag der Patentschutz für die gesamte Gemeinschaft entfiele. Das letzte entwickelte Modell zum Gerichtssystem wurde übrigens kürzlich vom Europäischen Gerichtshof als nicht vereinbar mit dem EU-Vertrag beurteilt.
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass kurzfristig ein Gemeinschaftspatentsystem zur Verfügung stehen wird, so dass Sie für Ihre Erfindung wohl oder übel die bestehenden Schutzrechtssysteme benutzen müssen.
Fragen für Thomas Seuß an: nachrichten@ <a href="https://gdch.de" target="_blank">gdch.de</a>. Telefonische Beratung über <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.gdch.de/ks/service/rechtsberatung/patent" target="_blank">www.gdch.de/ks/service/rechtsberatung/patent</a></ext-link> recht.htm. Alle Beiträge dieser Serie in MyGDCh und: <ext-link ext-link-type="uri"><a href="http://va.gdch.de/spez_angebote/my_recht/patentrecht.asp" target="_blank">http://va.gdch.de/spez_angebote/my_recht/patentrecht.asp</a></ext-link>



<ul>
<li>
1 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.bcg.de/documents/file59590.pdf" target="_blank">www.bcg.de/documents/file59590.pdf</a></ext-link>.
</li>
<li>
2 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.bcg.com/documents/file15126.pdf" target="_blank">www.bcg.com/documents/file15126.pdf</a></ext-link>.
</li>
</ul>

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