Wissenschaft & Forschung

<p>Die Tiefen der Ozeane bergen selbst für die moderne Wissenschaft noch viele Geheimnisse, die sie nur in kleinen Schritten enthüllt. Zu den neueren Entdeckungen gehören Zusammenhänge, die für das Verständnis von Stoffkreisläufen wichtig sind, und Mechanismen, die sich für nachhaltige Technologien eignen.</p>
<p>Vor knapp 20 Jahren wurde in einer exotisch anmutenden, aber weit verbreiteten Gruppe von Meeresbakterien die anaerobe Ammoniakoxidation (Anammox) entdeckt. Sie wandelt Ammoniak in elementaren Stickstoff und schließt damit den globalen Stickstoffkreislauf. Dieser Mechanismus dient inzwischen kombiniert mit Nitratreduktion in neu entwickelten Kläranlagen dazu, den Stickstoffgehalt der gereinigten Abwässer zu verringern.</p><p>Die Anammoxbakterien haben ungewöhnliche Membranlipide, einen auf den Anammoxprozess spezialisierte Teil der Zelle (Organell), wachsen langsam und nutzen Hydrazin als Stoffwechselintermediat.</p><p>Eine weitere Überraschung aus dem Meer, die wir uns gleich näher anschauen, verknüpft die biologische Oxidation von Nitriten mit der Fixierung anorganischen Kohlenstoffs und möglicherweise auch mit der Verwertung reduzierter Stickstoffverbindungen wie Harnstoff und Ammoniak.</p><h2>Die im Dunkeln sieht man nicht</h2><p>Ein Großteil des Volumens der Ozeane (rund 90 Prozent) befindet sich mehr als 200 Meter unter der Oberfläche und erhält kein Sonnenlicht. Für diesen Teil der Biosphäre gelten deshalb andere Regeln als für die Welt, die wir sehen. In der Tiefsee ist Biolumineszenz weit verbreitet und Photosynthese unbekannt. Manche Organismen ernähren sich von photosynthetisch erzeugten Nährstoffen, die aus den oberflächennahen Schichten herabrieseln, andere stellen sich ihre Nahrung selbst her und gewinnen ihre Energie allein aus chemischen Reaktionen, leben also chemoautotroph.</p><p>Bei der Photosynthese absorbieren Pflanzen Kohlendioxid aus der Luft und setzen es zu Biomolekülen um. Ebenso verwerten chemoautotrophe Organismen im Ozean anorganischen Kohlenstoff und führen ihn in den Nährstoffkreislauf. Deshalb haben sie, ebenso wie Pflanzen, eine wichtige Funktion im biochemischen Kreislauf der Elemente, da sie die Biosphäre mit der anorganischen Chemie verbinden.</p><p>Ein erst in den 1970ern entdecktes, aber inzwischen recht bekanntes Beispiel der Chemosynthese in der Tiefsee sind die Biotope in der Umgebung von Hydrothermalquellen am Meeresboden mit Röhrenwürmern und ihren symbiontischen Bakterien. Dort dient das Reduktionspotenzial der Sulfidmineralien, die mit der Hydrothermallauge aus tiefen Gesteinsschichten aufsteigen, als Energiequelle, die das Sonnenlicht ersetzt.</p><p>Diese Chemosynthese beschränkt sich auf Quellen, die vor allem in vulkanisch aktiven Gegenden des Meeresbodens vorkommen. Eine soeben erst in ihrer Bedeutung erkannte Gruppe von Chemoautotrophen ist hingegen viel weiter verbreitet und trägt vermutlich umfassend zu den weltweiten Stoffkreisläufen bei.</p><h2>Nitrit-Oxidierer</h2><p>Die Arbeitsgruppe von Ramunas Stepanauskas am Bigelow Laboratory for Ocean Sciences in East Boothbay im US-Bundesstaat Maine und die von Gerhard Herndl an der Universität Wien haben aus 39 Wasserproben Genome und Stoffwechselaktivitäten tausender Mikroben analysiert, welche die Mehrheit der lichtlosen Tiefseegewässer repräsentieren.<sup>1)</sup> Beide Arbeitsgruppen interessierten sich besonders für die nitritoxidierenden Bakterien, eine Gruppe, die sich über verschiedene Familien im Stammbaum der Bakterien erstreckt und deren Bedeutung in der Ökologie der Ozeane bisher kaum erforscht war.</p><p>Die Forscher identifizierten 98 Genome, die sie dem Stamm Nitrospinae (früher: Deltaproteobacteria) zuordneten, und 4 vom Stamm der Nitrospirae. Diese waren am stärksten in Tiefen zwischen 200 und 1000 Metern vertreten (4,6 Prozent der untersuchten Genome), mit sinkender Tendenz jenseits von 1000 bis 4000 Metern. In oberflächennahem Wasser waren sie hingegen nicht nachzuweisen.</p><p>Die Nitrospinae-Genome sind in zwei Gruppen aufzuteilen: Eine entspricht der erst vor kurzem vorgeschlagenen Gattung Candidatus Nitromaritima; von der anderen waren bisher keine Vertreter bekannt.</p><p>Genomstudien an den 4 Nitrospirae-Genomen und 30 Vertretern der Nitrospinae-Proben verglichen mit 240 anderen mikrobiellen Genomen zeigten: Nur Nitrospinae und Nitrospirae, aber keine der anderen in denselben Gewässern vertretenen Mikroorganismen haben die Nitritoxidoreduktasegene, die zur Oxidation von Nitriten dienen. Frühere Arbeiten mit kultivierten Meeresmikroben hatten diese Situation nicht korrekt abgebildet, da die wenigen Arten, die sich im Labor halten lassen, nicht repräsentativ für die Gesamtheit des Ökosystems sind.</p><p>Die Genomanalysen zeigten zudem: Die Nitrospirae und Nitrospinae synthetisieren Enzyme, die anorganischen Kohlenstoff, etwa aus Kohlendioxid, durch den reduktiven Citratzyklus zu Biomolekülen umsetzen. Im Einklang mit einer chemoautotrophen Lebensweise scheinen die Bakterien keine Transporter zu haben, um Kohlenhydrate zu importieren. Diese Spezialisierung unterscheidet die Bakterien von vielen anderen marinen Mikroorganismen, die sowohl autotroph als auch heterotroph leben.</p><p>Das genetische Umfeld der Nitritoxidoreduktasegene legt nahe, dass die Mikroben diese Reaktion als Energiequelle nutzen. Sie ist aber nicht ihre einzige Berührung mit dem Stickstoffkreislauf. Bei mehreren Arten fanden die Forscher auch Gene für den Abbau von Harnstoff und Cyanat zu Ammoniumionen und Kohlendioxid. Der Harnstoffabbau liegt als komplettes Genpaket vor, das auch Gene für Kanäle zum Import von Stickstoffquellen wie Harnstoff und Aminosäuren enthält. Auffallend ist, dass Nitrospinae dieses Paket von den Gammaproteobacteria erhalten haben, während das entsprechende genetische Programm bei Nitrospirae aus einer eukaryotischen Quelle stammt.</p><p>Die Entdeckung des Harnstoffabbaus verleitete die Autoren zu der Spekulation, dass die Bakterien mit ammoniumoxidierenden Archäen wie Thaumarchaeota zusammenarbeiten könnten. In diesem hypothetischen Zusammenspiel würden die Bakterien den Archäen den Ammoniak aus dem Abbau von Harnstoff oder Cyanat liefern und im Gegenzug Nitrit erhalten, das sie wiederum zu Nitrat oxidieren.</p><h2>Weltweite Zyklen</h2><p>Die Zusammenarbeit von Archäen und Bakterien ist erst noch zu beweisen. Aber bereits die Häufigkeit und die nachgewiesenen Fähigkeiten der Nitrospirae und Nitrospinae zeigen, dass diese Mikroben eine nicht zu vernachlässigende Funktion im globalen Stickstoff- und Kohlenstoffkreislauf haben. Nach Hochrechnung fixieren diese beiden Gruppen allein eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff pro Jahr – das entspricht früheren Schätzungen des Gesamtumsatzes in den dunklen Bereichen der Ozeane. Dieses Phänomen war bisher verborgen, möglicherweise weil die Nitritoxidierer so effizient im Abbau sind, dass Analysen des Nitritgehalts zu niedrigeren Schätzungen führen.</p><p>Die Zyklen der Elemente Stickstoff, Kohlenstoff und Phosphor korrekt einzuschätzen, ist allerdings eine wichtige Voraussetzung, um die Folgen menschlicher Eingriffe bewerten zu können. Beim Stickstoff hat sich in den gut einhundert Jahren seit Einführung der Haber-Bosch-Synthese das Volumen des globalen Kreislaufs verdoppelt,<sup>2)</sup> und die Wissenschaft kann noch nicht absehen, welche Folgen das haben wird. Beim Kohlenstoff wissen wir, was das zusätzliche Kohlendioxid in der Atmosphäre anrichtet. Aber die Auswirkungen in den Ozeanen sind nicht ganz so einfach vorherzusagen.</p><p>Michael Groß ist freier Wissenschaftsjournalist in Oxford, England. <a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a></p><h2>Quergelesen</h2><p>Tiefseemikroben der Stämme Nitrospirae und Nitrospinae oxidieren Nitrite und gewinnen damit Energie. Möglicherweise verwerten sie auch reduzierte Stickstoffverbindungen wie Harnstoff und Ammoniak.</p><p>Zudem fixieren sie anorganischen Kohlenstoff – Hochrechnungen zufolge bis zu einer Milliarde Tonnen pro Jahr.</p><p>Wie der anthropogene Kohlenstoffausstoß sich auf die Stoffkreisläufe in den Ozeanen auswirkt, ist im Gegensatz zu seinen Folgen in der Atmosphäre noch nicht abzusehen.</p>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
<sup>1 </sup>M. G. Pachiadaki, E. Sintes, K. Bergauer et al., Science 2017, 358, 1046.</li><li>
<sup>2 </sup>M. Groß, Nachr. Chem. 2012, 60, 451.</li></ul>


Artikel

Dinner im Dunkeln

Die Tiefen der Ozeane bergen selbst für die moderne Wissenschaft noch viele Geheimnisse, die sie nur in kleinen Schritten enthüllt. Zu den neueren Entdeckungen gehören Zusammenhänge, die für das Verständnis von Stoffkreisläufen wichtig sind, und Mechanismen, die sich für nachhaltige Technologien...

Prof.Dr.

<p>Ob beim Spaziergang im Wald oder beim Kauf neuer Möbel: Der Geruch von Holz begegnet Menschen täglich. Er gilt als typisch und generell als angenehm. Welche Substanzen den natürlichen Holzgeruch verursachen, ist nicht leicht herauszufinden, da Holz so viele geruchsaktive wie geruchlose Stoffe enthält.</p>
<p>Holz ist Brennstoff, Baumaterial und Rohstoff für Spielzeuge, Gebrauchsgegenstände und auch Modeaccessoires wie Sonnenbrillen und Uhren. In der Produktion von Wein und Spirituosen gehen Aromen aus Holzfässern, insbesondere aus Eichenholz, in das Füllgut über und sorgen so für den besonderen Geschmack. Diese Substanzen, die durch Röstung des Holzes entstehen, sind weitgehend bekannt.</p><p>Bisher kaum erforscht sind die Geruchsstoffe, die das unbehandelte Holz enthält und die für dessen Geruch verantwortlich sind. Mit dem Wissen darüber ließen sich Produkte optimieren: Angenehme Gerüche blieben erhalten, die Entstehung von Fehlgerüchen bei der Verarbeitung oder Behandlung des Holzes würde reduziert oder vermieden.</p><p>Holz besteht hauptsächlich aus Cellulose, Hemicellulose und Lignin. Diese Biopolymere werden von Extraktstoffen und wenigen anorganischen Stoffen, etwa Salzen, begleitet. Extraktstoffe sind kein Bestandteil der Strukturelemente der Zellwand und lassen sich daher, wie der Name sagt, mit organischen Lösungsmitteln extrahieren. Zu den Extraktstoffen gehören Terpene und Terpenoide, Fettsäuren und Fettalkohole, Steroide, Aminosäuren und Phenole. Viele dieser Substanzen sind Geruchsstoffe oder aus ihnen können Geruchsstoffe entstehen.</p><h2>Strukturen und Geruch</h2><p>Damit ein Molekül geruchsaktiv ist, muss es flüchtig sein. Geruchsstoffe haben daher in der Regel eine Molekülmasse von unter 300 Dalton und sind weitgehend hydrophob, wodurch sie den olfaktorischen Rezeptor in der menschlichen Nase erreichen können. Davon abgesehen sind Geruchsstoffe heterogen. Sie gehören unterschiedlichen Stoffklassen an und haben verschiedene Strukturen.</p><p>Auf der einen Seite gibt es Geruchsstoffe, deren Strukturen sich ähneln, die sich aber in ihrer Geruchsqualität unterscheiden. Ein Beispiel hierfür ist das Enantiomerenpaar R-Carvon und S-Carvon ((R)-2-Methyl-5-(1-methylethenyl)-2-cyclohexen-1-on beziehungsweise (S)-2-Methyl-5-(1-methylethenyl)-2-cyclohexen-1-on): R-Carvon riecht nach Pfefferminze, S-Carvon nach Kümmel. Auf der anderen Seite gibt es Geruchsstoffe, die zwar gleich riechen, aber unterschiedliche Strukturen haben. Beispiele sind Benzaldehyd und Blausäure: Beide riechen nach Bittermandeln. Auch die Geruchsschwelle variiert von Stoff zu Stoff, was die Analytik mit Olfaktometrie erschwert.</p><h2>Sensorische Bewertung</h2><p>Probenmaterial war das Holz zweier Nadelbäume (Abbildung 1): das der Deutschen Waldkiefer (Pinus sylvestris L.) und das der Zeder (Calocedrus decurrens (Torr.) Florin). Die Kiefer ist einer der Bäume, die in Deutschlands am weitesten verbreitet sind, und Ausgangsmaterial für viele Holzprodukte wie Möbel. Die Zeder ist vor allem als Rohstoff für Schreibwaren wie Bunt- und Bleistifte bekannt.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/Xtw2SLF9R0qp0bddRgaV"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Das Probenmaterial. Links: Holz der Weihrauchzeder (Calocedrus decurrens (Torr.) Florin). Rechts: Holz der deutschen Waldkiefer (Pinus sylvestris L.), extrahiert wurden Holzspäne.</figcaption></figure>
<p>Für einen ersten Eindruck von den Proben geht der chemischen Analyse eine sensorische Untersuchung voran (Abbildung 2). Über die Geruchsprofilanalyse charakterisieren Tester den Gesamtgeruch der Holzproben. Dabei bestimmt ein Panel aus geschulten Personen zunächst gemeinsam Attribute, die den Geruch der Probe beschreiben. Dann bewertet es deren Intensität auf einer Skala von null (nicht wahrgenommen) bis zehn (sehr intensiv wahrgenommen). Auch die Gesamtintensität und Hedonik, also das persönliche Ge- oder Missfallen, wird abgefragt.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/6AFHkKS8RQuq5aw4L1uW"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Ein geschultes Panel beschreibt den Probengeruch anhand ausgewählter Attribute. Es bewertet auch Gesamtintensität und persönliches Ge- oder Missfallen am Geruch der Holzproben.</figcaption></figure>
<p>Wie die Geruchsprofile zeigen (Abbildung 3), unterscheiden sich die Proben im Geruch deutlich: Die Kiefer riecht stark nach Harz und hat Noten von Weihrauch und Sägespänen. Den Geruch der Zeder dagegen dominiert eine Bleistiftnote. Das Kiefernholz bewerteten die Tester mit einer Hedonik von sechs als neutral, den Geruch des Zedernholzes stuften sie mit einer Hedonik von vier als eher unangenehm ein. Die Gesamtintensität lag bei beiden Proben bei acht.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/lzdgXm8RK67x6WRx3wQr"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Geruchsprofil der Kiefern- und der Zedernholzprobe als Spinnennetzdiagramm.<sup>3,4)</sup></figcaption></figure>
<h2>Probenvorbereitung</h2><p>Um die Geruchsstoffe zu analysieren, werden sie aus der Probenmatrix extrahiert. Dafür wird das Holz zu Spänen verarbeitet. Dichlormethan löst dann die Geruchsstoffe aus den Holzspänen. Der Extrakt wird anschließend lösungsmittelgestützt im Hochvakuum destilliert (Solvent Assisted Flavor Evaporation, Safe).<sup>1)</sup> Dazu reichen 55 °C; die Geruchsstoffe werden anschließend mit flüssigem Stickstoff ausgefroren. Diese Methode verhindert, dass durch hohe Temperaturen neue Geruchsstoffe entstehen oder sich vorhandene zersetzen. Die Destillation trennt die flüchtigen Stoffe von den nichtflüchtigen. Der Extrakt wird anschließend über Vigreux- und Mikrodestillation nach Bemelmans von zirka 100 mL auf 100 µL eingeengt.<sup>2)</sup></p><h2>Detektivarbeit</h2><p>Alle flüchtigen Stoffe im Holzextrakt werden mit Gaschromatographie-Olfaktometrie (GC-O) analysiert. Aufgrund ihrer unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften laufen sie unterschiedlich auf der Trennsäule. Als Detektor dient ein Flammenionisationsdetektor (FID) oder ein Massenspektrometer (MS). Um aus allen flüchtigen Stoffen diejenigen zu bestimmen, die geruchsaktiv sind, ist ein weiterer Detektor unerlässlich: die menschliche Nase. Daher werden die Peaks nach der Trennung auf der Säule neben dem FID oder MS noch einem Sniffing-Port zugeführt, an dem ein geschulter Proband Geruchsqualität und -intensität der Substanzen bewertet.</p><p>Mit einer Geruchsextraktverdünnungsanalyse, bei der der Extrakt schrittweise verdünnt und analysiert wird, bestimmt ein geschulter Proband, welche Geruchsstoffe den Geruch der Probe bestimmen. Diese sind stark verdünnt noch wahrnehmbar. Die Geruchsstoffe werden identifiziert über die Geruchsqualität und -intensität, über den Retentionsindex und das Massenspektrum, alles im Vergleich zu einer Referenzsubstanz.</p><p>Geruchsstoffe sind häufig noch in sehr kleinen Konzentrationen wahrnehmbar. So liegt die Geruchschwelle von Sotolon, einer Geruchskomponente des Liebstöckel, bei 0,000014 μg·L<sup>–1</sup>.<sup>5)</sup> Daher ist es nicht trivial, sie zu identifizieren. Im Chromatogramm werden sie oft von geruchlosen Substanzen überlagert, oder ihre Konzentration in der Probe liegt unter der Nachweisgrenze des Systems. Daher ist Detektivarbeit nötig.</p><p>Mit zweidimensionaler GC-GC-MS/O lassen sich die Substanzen aber aufschlüsseln (Abbildung 4). Dabei werden die Substanzen gaschromatographisch getrennt, und zwar nacheinander auf zwei Säulen mit unterschiedlicher Polarität.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/p409ZgQTDK4NUytU3qZw"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Zweidimensionales GC-GC-MS/O-System. Die Substanzen werden auf zwei Trennsäulen unterschiedlicher Polarität getrennt und anschließend mit einem Massenspektrometer detektiert. Ein Y-Splitter teilt den Gasstrom und führt ihn jeweils einem Odour-Detection-Port zu. So entsteht das Massenspektrum, während gleichzeitig die Geruchsqualität der Substanzen eingeschätzt wird.</figcaption></figure>
<h2>Bestandteile des Holzgeruchs</h2><p>Mit GC-O wurden jeweils über 45 Geruchsstoffe in den Hölzern detektiert. Darunter sind viele, die typischerweise beim Fettabbau entstehen, etwa gesättigte und ungesättigte Carbonylverbindungen wie das nach Gras riechende Hexanal, das nach Citrus riechende Octanal, 1-Octen-3-on, das nach Pilz riecht, oder fettig riechende Substanzen wie (E)-Non-2-enal oder (E,E)-Nona-2,4-dienal.</p><p>Außerdem wurden einige Geruchsstoffe mit Terpenstruktur gefunden, etwa das harzig, holzig riechende α-Pinen und das balsamisch, pfeffrig riechende α-Bisabolol. Terpene sind natürlicher Bestandteil des Harzes.</p><p>Zusätzlich zu den Fettabbauprodukten und terpenoiden Substanzen wurden Substanzen mit phenolischer Grundstruktur als Geruchsstoffe detektiert. Hierzu gehören Vanillin oder das nach Pferdestall riechende p-Kresol. Diese Substanzen stammen zum Beispiel aus dem Abbau des Makromoleküls Lignin, das eine phenolische Grundstruktur hat.</p><p>Ein weiterer Geruchsstoff, der auch in hohen Verdünnungsstufen im untersuchten Holz vorkommt, ist Thymochinon, das hier erstmals dem Bleistiftgeruch zugeordnet wurde. Es ist Hauptbestandteil des Schwarzkümmels.</p><p>Vergleicht man die Ergebnisse der Geruchsprofilanalyse mit den Ergebnissen der analytischen Untersuchung, fällt auf: Die Gerüche nach Bleistift und nach Harz, die in der Geruchsprofilanalyse für Zedernholz beziehungsweise Kiefernholz jeweils dominieren, hängen möglicherweise mit den Substanzen Thymochinon („nach Bleistift“) und α-Pinen („harzig“) zusammen. Es könnte aber auch ein Zusammenwirken vieler einzelner Geruchsstoffe sein, das den Gesamtgeruch „Holz“ ausmacht.</p><p>Weitere Studien sollen ergeben, wie verschiedene Geruchsstoffe den Gesamtgeruch beeinflussen. Die einzelnen geruchsaktiven Substanzen werden über Stabilisotopenverdünnungsanalyse quantifiziert, um dann das Geheimnis des Geruchs von unbehandeltem Holz zu entschlüsseln.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/EKHfzdUgTN6Xlq6bGN3O"><figcaption><label>Abb. 5: </label>Waldkiefer Pinus Sylvestris. Lebensmittelchemiker versuchen herauszufinden, wonach ihr Holz riecht.<named-content> Foto: Wikipedia, Picasa</named-content></figcaption></figure>
<h2>Quergelesen</h2><p>Aus unbehandeltem Holz lassen sich Geruchsstoffe extrahieren und anschließend über Gaschromatographie-Olfaktometrie identifizieren.</p><p>In Hölzern unterschiedlicher Baumarten finden sich Stoffe mit unterschiedlichen Geruchsqualitäten, etwa das harzig riechende α-Pinen und das nach Bleistift riechende Thymochinon.</p><p>Möglicherweise sorgen nicht typische Substanzen in einem Holz für seinen charakteristischen Geruch, sondern das Zusammenwirken vieler einzelner Geruchsstoffe.</p><h2>Vitakasten</h2><p>Linda Schreiner hat Lebensmittelchemie an der Universität Erlangen-Nürnberg studiert. Seit dem Jahr 2015 promoviert sie am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising in der Geruchsforschung. <email><a href="mailto:linda.schreiner@fau.de">linda.schreiner@fau.de</a></email></p><div><img src="https://media.graphcms.com/sHYMam9SQGOYhuHRYy5N">

</div><p></p><p>Andrea Büttner ist an der Universität Erlangen-Nürnberg seit dem Jahr 2012 Professorin für Aromaforschung und hat seit 2017 den Lehrstuhl für Aroma- und Geruchsforschung inne. Seit 2007 leitet sie parallel dazu die Abteilung Analytische Sensorik am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV und ist seit 2017 stellvertretende Institutsleiterin. Sie studierte Lebensmittelchemie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, promovierte und habilitierte an der TU München in der Aromaforschung. <email><a href="mailto:andrea.buettner@fau.de">andrea.buettner@fau.de</a></email></p><div><img src="https://media.graphcms.com/DajYyRq0TEWbs1TrrHwW">

</div><p></p>
<ul><h2>Literatur</h2><li>
<sup>1 </sup>W. Engel, W. Bahr, P. Schieberle, Eur. Food Res. Technol. 1999, 209, 237–241. doi:10.1007/s002170050486</li><li>
<sup>2 </sup>J. Bemelmans, Prog. Flavour Res. 1979, 8, 79–98.</li><li>
<sup>3 </sup>L. Schreiner, H. M. Loos, A. Buettner, Anal. Bioanal. Chem. 2017, 409, 3719–3729. doi:10.1007/s00216–017–0314-x</li><li>
<sup>4 </sup>L. Schreiner, P. Bauer, A. Buettner, Sci. Rep. 2018, unveröffentlicht.</li><li>
<sup>5 </sup>I. Blank, A. Sen, W. Grosch, Z. Lebensm. Unters. Forsch. 1992, 195, 239–245.</li></ul>


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