Blickpunkt


<p>Der finnische Petrochemiekonzern Neste plant, Diesel bis 2017 vollständig aus Abfallfetten herzustellen. Im Jahr 2014 produzierte das Unternehmen, das zur Hälfte dem finnischen Staat gehört, 16 Mrd. Liter Biodiesel. Zurzeit sind 60 % der Fette, die das Unternehmen im NEXBTL genannten Prozess einsetzt, tierisch und kommen aus der Lebensmittel und Fisch verarbeitenden Industrie, sowie gebrauchte Frittierfette und Abfallfette aus der Holzverarbeitung. Insgesamt produzieren die Neste-Raffinerien in Singapur, Rotterdam und Porvoo, Finnland, jährlich 15 Mio. Tonnen Erdölprodukte und 2,4 Mio. Tonnen Biodiesel, in Singapur (1 Mio. t) vor allem aus Palmöl. Allerdings trug im Jahr 2014 Biodiesel über 40 % zum Konzernergebnis bei. Der Verkehrssektor in Deutschland verbraucht jährlich 31 Mio. Tonnen Diesel.</p>
<p>Die chemische Industrie Finnlands setzte 25 Mrd. Euro im Jahr 2013 um, davon etwa die Hälfte mit Ölprodukten. <i>FZ</i></p>


<h2>Biotechnica plus</h2>
<p>Mit ihren alten Qualitäten will die Biotechnica zukunftssicher werden.</p>
<p>In der Vergangenheit war die Biotechnica eher ein Experimentierfeld für Messekonzepte als eine verlässlicher Fixpunkt in der wechselhaften und sich schnell entwickelnden Bioszene. Jetzt hat die Deutsche Messe Hannover ein Konzept vorgestellt, das die klassische Biotechnik abbildet. Gleichzeitig fügt sie mit der neuen Messe “Labvolution” auf etwa 1000 Quadratmetern “die ganze Welt der Labortechnik” für alle Branchen hinzu. Damit und mit einem vernetzten Musterlabor 4.0 will die Messe, so sagt Vorstandsmitglied Jochen Köckler, “die gesamte Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung bis zum Produkt” zeigen.</p>
<p>Themen sollen in Hannover die Biologisierung und die Digitalisierung der Welt sein. Dazu kommen im Oktober personalisierte Medizin und die Verknüpfung von Biotechnik mit Datenerfassung und -auswertung. Partering-Strukturen und die assoziierte Europäische Konferenzmesse für Laborautomation ergänzen das Programm.</p>
<p>Das Konzept dieser Messe, einer Labormesse für den Norden, erinnert an die ersten Ausgaben der Biotechnica ab dem Jahr 1985, die bei den Marketingverantwortlichen der Firmen als “Analytica Nord” galt. Da waren neben der Analytik schon sterile Pumpen in V2A-Stahl zu sehen und Hersteller von Produktionsanlagen für die Milchverarbeitung, die den Sprung in die ebenfalls sterile Biotechnik wagen wollten. <i>EG</i></p>


<h2>Antibakterieller Stahl</h2>
<p>Das Institut für Metallforschung der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) stellte Cu-haltigen Edelstahl vom Typ 304 im 40-t-Maßstab in 1200 mm × 0,4 — 2,5 mm starken Matten her. Der Stahl enthält Austenit, Ferrit, Martensit und zweiphasige Strukturelemente. Das CAS-Institut für Physikalische und Chemische Technologie zertifizierte die antibakteriellen Eigenschaften des Stahls. Varianten davon dienen versuchsweise für Reinraumprodukte zur Lebensmittelherstellung sowie für chirurgische Geräte und Implantate.</p>


<h2>Mehr Biodiesel</h2>
<p>In China werden derzeit jährlich zirka 1,5 bis 2 Mio. Tonnen Biodiesel produziert, meist aus Speiseresten oder importierten Pflanzenölen. In Peking hat sich nun eine nationale Biodieselallianz gegründet, die bis zum Jahr 2020 in sechs regionalen Raffinerien insgesamt 600 000 Tonnen Biodiesel aus Jatropha-Öl herstellen will. Jatropha wird in China großflächig angebaut, und seine Verarbeitung zu Biodiesel untersuchen die Unternehmen Petrochina, Sinopec und China National Offshore Oil.</p>
<p>Rolf Schmid, <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.asia-tech.eu" target="_blank">www.asia-tech.eu</a></ext-link></p>


<h2>Chinesen greifen nach Pirelli</h2>
<p>China National Chemical (Chem China), der staatliche chinesische Chemiekonzern, sicherte sich 26,2 % der Anteile am italienischen Reifenhersteller Pirelli. Für knapp 1,9 Mrd. Euro kauften die Chinesen das Mehrheitspaket von der Holding Camfin. Im Sommer will Chem China alle Anteile am fünftgrößten Reifenproduzenten erwerben und für die Übernahme mehr als 7 Mrd. Euro ausgeben. <i>CS</i></p>



Diesel aus Fettabfällen

Der finnische Petrochemiekonzern Neste plant, Diesel bis 2017 vollständig aus Abfallfetten herzustellen. Im Jahr 2014 produzierte das Unternehmen, das zur Hälfte dem finnischen Staat gehört, 16 Mrd. Liter Biodiesel. Zurzeit sind 60 % der Fette, die das Unternehmen im NEXBTL genannten Prozess eins...


<p>China erreichte im Jahr 2013 als erstes Land weltweit 1000 Mrd. Euro Umsatz in der chemischen Industrie. Mit etwa einem Drittel des globalen Umsatzes ist der chinesische Chemiemarkt nun nahezu so groß wie der europäische und der nordamerikanische zusammen. Grund ist das Umsatzwachstum in China, das in den zehn Jahren von 2003 bis 2013 durchschnittlich etwa 25 % pro Jahr betrug.</p>
<p>Die Marktgröße Chinas ist einer der beiden entscheidenden Einflussfaktoren auf die regionale Verteilung von Investitionen in Produktionsanlagen in jüngster Zeit. Um dem chinesischen Markt gerecht zu werden, haben Chemieunternehmen aus allen hoch industrialisierten Regionen Produktionstechnik nach China eingeführt, dort Umsätze und Gewinne generiert und zumindest Teile dieser Gewinne wieder in ihre Heimatländer zurückgeführt.</p>
<p>Zweitens entstanden in den vergangenen zehn Jahren Neuanlagen verstärkt bei den Rohstoffquellen: bei Erdöl auf der arabischen Halbinsel und bei Schiefergas vorrangig in den USA. So entstand eine Reihe von Produktionsanlagen für organische Basischemikalien auf der arabischen Halbinsel, da sich Erdöl dort für unter zehn US-Dollar pro Barrel fördern lässt.</p>
<p>Noch dynamischer sind die Schiefergas-Entwicklungen in den USA, die bis zum Absturz des Ölpreises im Sommer 2014 Investitionen in Produktionsanlagen auslösten. Unabhängig von der Kostensituation der einzelnen Kohlenstoffquellen gibt es Bedenken zur ökologischen Nachhaltigkeit bei der Schiefergasgewinnung. Hier stellt sich die Frage nach der Unendlichkeitsverpflichtung — ähnlich dem Umgang mit Atommüll aus der Kernenergiegewinnung.</p>


<h2>Fracking: Rechnung ohne den Wirt?</h2>
<p>Aus den Erfahrungen bei der Energiegewinnung aus Atomkraft und Steinkohle hat die heutige deutsche Bundesregierung zum Thema Fracking im Rahmen des Koalitionsvertrags im Dezember 2013 mit dem Titel “Wachstum, Innovation und Wohlstand” folgende Aussagen manifestiert: “Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang.” und “Den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie … lehnen wir ab.”</p>
<p>Insbesondere die Verwendung von Chemikalien scheint nun auch die US-Regierung zu beschäftigen, da mittlerweile etwa 1,5 Millionen Stellungnahmen von besorgten Bürgern im US-amerikanischen Innenministerium vorliegen. Als Resultat sind in den USA seit Juni Vorschriften in Kraft, die eine Offenlegung der jeweils verwendeten Chemikalien vorschreiben.</p>
<p>Besonders zu beachten sind dabei solche Chemikalien, welche die Gefahrensymbole T für toxisch oder N für umweltgefährlich tragen. Dazu gehören etwa Glutaraldehyd und quartäre Ammoniumchloride als Biozide, Ameisensäure als Korrosionsinhibitor, Polyacrylamid zur Reibungsreduktion und Naphthalin als Tensid. Sollte sich herausstellen, dass solche oder ähnliche von der US-amerikanischen, staatlichen Registrierungsstelle Fracfocus bereits gelistete Chemikalien zur Anwendung kommen, dürfte sich das öffentliche Interesse der Schiefergasentwicklung in den USA von der Ökonomie auf die Ökologie ausdehnen.</p>


<h2>Beste Finanzdaten. Wohin mit den Gewinnen?</h2>
<p>Unabhängig von Marktverschiebungen gen Osten und vom Rohstoffthema haben sich die europäischen Chemieunternehmen seit dem Platzen der amerikanischen Immobilienblase im Jahr 2008 bestens entwickelt. Der europäische Anteil am globalen Umsatz hat sich von 2003 bis 2013 zwar fast halbiert, absolut jedoch um etwa 170 Mrd. Euro erhöht.</p>
<p>Nach dem Umsatzrückgang im Jahr 2009 verbesserten deutsche Chemieunternehmen innerhalb Europas ihre Finanzergebnisse laufend. Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der marktbestimmenden deutschen Chemieunternehmen zeigen bis auf wenige Ausnahmen eine äußerst positive Tendenz (Tabelle 1). Ebenso gestalten sich die relativen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen (Tabelle 2). Nahezu alle hier gelisteten Unternehmen zeigen sowohl eine zweistellige Ebit-Marge — ein Indiz für gesunde Geschäftsaktivitäten — als auch positive Nettomargen.</p>
<p>Diese gute Finanzsituation der vergangenen Jahre gepaart mit der günstigen Möglichkeit der Fremdmittelbeschaffung haben etliche Unternehmen genutzt, um mit Transaktionen und Beteiligungen ihr Portfolio zu verbessern.</p>


<h2>Devestition: Adieu klassische Chemie</h2>
<p>Mehrere Chemieunternehmen haben sich von Produkten und Geschäftseinheiten getrennt, deren Margen in den vergangenen Jahren zurückgegangen waren. Dabei handelt es sich oft um Großmengenprodukte wie Styrol (Tabelle 3, S. 794: Styrolution/Ineos) oder auch Titandioxid (Rockwood/Huntsman). Bei Basischemie ist jedoch grundsätzlich die Frage, ob eine kleine Marge eines großen Umsatzvolumens heute unattraktiver ist als das Zukunftsversprechen auf eine mögliche große Marge eines Produkts ohne aktuellen Markt.</p>


<h2>Investition: Spezialitäten gesucht</h2>
<p>In ähnlichem Umfang wie bei den Veräußerungen fanden auch Kaufaktivitäten der Chemieunternehmen statt. Grund dafür ist mitunter, dass die chemische Industrie weder Sprunginnovationen noch die Entdeckung neuer Moleküle mit bahnbrechenden Eigenschaften erwartet. Aufgrund der heute blendenden Kapitaldecke sind Chemieunternehmen weltweit aggressiv auf der Suche nach Wachstumssegmenten, die ein möglichst nichtzyklisches Verhalten zeigen.</p>
<p>Bei Pharma gab es in der letzten Dekade einige Milliardendeals. Bayer sticht bei den Pharma-Akquisitionen besonders hervor. Im Jahr 2006 übernahm das Unternehmen die Berliner Schering für 17 Mrd. Euro und integrierte im Jahr 2014 für etwas über 14 Mrd. USD das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten der US-amerikanischen Merck &amp; Co. Die Darmstädter Merck bemüht sich gerade um Sigma-Aldrich mit einem geschätzten Transaktionswert von 17 Mrd. US-Dollar (USD).</p>
<p>Neben Pharma spielt die Spezialchemie eine große Rolle. Vor allem die BASF ist mit größeren Investitionen in Erscheinung getreten. In den letzten zehn Jahren waren dies im Jahr 2006 Engelhard mit dem Katalysator-Schwerpunkt für über 5,2 Mrd. USD und die Bauchemie von Degussa für über 2,7 Mrd. Euro, im Jahr 2009 Ciba mit über 6,1 Mrd. Schweizer Franken sowie im Jahr 2010 Cognis mit einem Volumen von 3,1 Mrd. Euro.</p>


<h2>Querschnittstechnologien: Schlüssel für künftigen Erfolg</h2>
<p>Deutsche Chemieunternehmen investieren auch in Zukunftsthemen wie Rohstoffwandel, Energie und Mobilität. Die eingesetzten Kapitalbeträge sind aber ob des noch kaum vorhandenen Marktes gering im Vergleich zu den M+A-Aktivitäten und in Relation zu Ebit und Nettogewinn. Von Interesse sind hier unter anderem Querschnittstechnologien wie die industrielle Biotechnologie, die Pflanzenbiotechnologie und neue Energietechniken.</p>
<p>Beim Rohstoffwandel stehen vor allem Chemikalien aus Zucker oder Stärke und Lignocellulose als Rohstoff im Akquisitionsfokus.</p>
<p>So hat BASF zwei Investitionen in den USA getätigt: zum einen den Kauf des Enzymexperten Verenium für über 62 Mio. USD im Jahr 2013. Des Weiteren zählt dazu eine Entwicklungskooperation mit Renmatix, um Industriezucker aus Biomasse herzustellen, die einer Investition in Höhe von 30 Mio. USD im Jahr 2012 gefolgt ist. Im selben Jahr beteiligte sich Lanxess mit 10 Mio. USD an Bioamber, dem weltweit führenden Hersteller von biobasierter Bernsteinsäure. Evonik beteiligte sich 2014 an Biosynthetic Technologies aus Kalifornien, einem Spezialisten für Estolide, also biobasierte Schmierstoffe.</p>
<p>Die globale chemische Industrie, die deutsche im Besonderen, ist sowohl hervorragend positioniert als auch für künftige Herausforderungen gewappnet. Durch die weltweiten Marktverschiebungen hat sich das in der Öffentlichkeit bekannte Bild großer und komplexer Produktionsanlagen in der chemischen Industrie in den industrialisierten Regionen seit geraumer Zeit verändert. Die anhaltenden M+A-Aktivitäten sowie kleinere Investitionen deuten darauf hin, dass diese Entwicklung fortschreiten dürfte.</p>
<p>Thorsten Bug ist seit dem Jahr 2008 Senior Manager Chemicals bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade &amp; Invest, einer dem Wirtschaftsministerium zugeordneten Bundes-GmbH. Davor war er fünf Jahre selbstständig in der strategischen Vermögensberatung. Nach einer Ausbildung als Chemielaborant und dem Chemiestudium in Regensburg promovierte er im Jahr 2003 bei Herbert Mayr an der LMU München.</p>
<p><a href="mailto:thorsten.bug@gtai.com">thorsten.bug@gtai.com</a>.</p>


<h2>Glossar</h2>
<p><b>Ebit-Marge</b>: Verhältnis des Ergebnisses vor Steuern und Zinsen zum Umsatz</p>
<p><b>Nettomarge</b>: Für diesen prozentualen Anteil des Gewinns am Umsatz werden vom Umsatz sämtliche angefallenen Kosten wie Herstellungs- und Verwaltungskosten sowie Aufwendungen für Zinszahlungen abgezogen.</p>
<p><b>Transaktionen</b>: Dieser Begriff steht hier für Mergers &amp; Acquisitions (M+A). Dazu gehören Fusionen, Unternehmenskäufe, Betriebsübergänge, fremdfinanzierte Übernahmen und Unternehmenskooperationen.</p>



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