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Umweltchemikalien

Die Suche nach der Achillesferse

Nachrichten aus der Chemie, März 2024, S. 26-30, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe widerstehen Temperaturen über 1000 °C kaum. Auch Elektrooxidation und Plasmaverfahren zerstören die Stoffe teilweise. Forscher versuchen zudem, sie mit Bornitrid oder superkritischem Wasser zu eliminieren. Weitere Ansatzpunkte dafür sind die nicht fluorierten sauerstoff- oder schwefelhaltigen Reste dieser Substanzen.

Per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe (per- and polyfluoroalkyl substances, PFAS) können zu Leberschäden führen, zu Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen, geringerem Geburtsgewicht bei Neugeborenen und zu einer verringerten Aktivität von Immunzellen oder zu Krebs. Da PFAS viele Jahre genutzt wurden, finden sie sich fast überall. Sie gelangen hauptsächlich über das Trinkwasser und die Nahrung in den menschlichen Organismus.

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Verwundeter Achill. Grafik: gmagakis / Adobe Stock

Tausende Stellen kontaminiert

Nach Angaben der Universität Wuppertal kommen PFAS in Deutschland an mindestens 1500 Standorten vor, in Europa an 17 000.1) Allein die bekannten kontaminierten Orte zu sanieren, würde einer nordirischen Studie zufolge 17 Mrd. Euro kosten. Bundesumweltministerin Steffi Lemke schätzt, dass eine PFAS-Sanierung – also alle kontaminierten Stellen zu finden – „fast unmöglich“ sei.

Das liegt an den für PFAS charakteristischen CF2- und CF3-Gruppen. Deren Stabilität verleiht den Vertretern der Stoffgruppe die Bezeichnung „Ewigkeitschemikalien“. Wegen ihrer Eigenschaften – darunter wasser-, fett- und ölabweisend sowie hitzebeständig – wurden oder werden sie etwa in Backpapier, beschichteten Pfannen, Lebensmittelverpackungen, Outdoorkleidung, Feuerlöschschäumen, Netz- und Pflanzenschutzmitteln eingesetzt.

PFAS sind ein weltweites Problem und möglicherweise die hartnäckigste und gefährlichste Umweltkontamination schlechthin. So finden sich in den USA Vertreter dieser Stoffgruppe gehäuft an 20 000 Standorten, am massivsten auf einem ehemaligen Brandschutzübungsgelände des Verteidigungsministeriums, wo sie wohl aus Feuerlöschschäumen stammen.

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Typische Vertreter per- und polyfluorierter Kohlenwasserstoffe (PFAS): Perfluorbutan, Perfluorbutansäure und Perfluorhexansulfonsäure. Grafik: Cepreh / Adobe Stock

Über einzelne Standorte hinaus geht die Verunreinigung zudem in die Breite. Schätzungen der US-Geologiebehörde (USGS) zufolge könnte fast die Hälfte des Leitungswassers in den USA mit PFAS belastet sein. Schon haben sich nach ersten Klagen von Kommunen mit PFAS-verunreinigtem Trinkwasser drei amerikanische Chemiekonzerne auf einen Vergleich geeinigt, mit Entschädigungszahlungen von 1,2 Mrd. US-Dollar.

In Rastatt in Baden-Württemberg machten im Jahr 2019 PFAS das Trinkwasser unbenutzbar.2) Und nach einer Untersuchung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften waren in der Schweiz 80 Prozent der Böden mit 0,5 bis 4,1 Mikrogramm PFAS pro Kilogramm Boden-Trockensubstanz belastet – als hätte man es mit der Gießkanne ausgegossen.3)

Verbände gegen PFAS-Verbot

Die US-amerikanische Umweltbehörde (United States Environmental Protection Agency, USEPA) hat für verschiedene PFAS Grenzwerte im Trinkwasser festgelegt.

Die EU-Kommission plant ein Komplettverbot. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und der Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik Spectaris sind allerdings dagegen.4) Dort hält man PFAS bei bestimmten Anwendungen für alternativlos, zum Beispiel für Lithiumionenbatterien in Elektroautos und damit als Baustein für die Klimapolitik.

Selbst in den Massenspektrometern, mit denen man PFAS überhaupt erst aufspürt, sind kleine Mengen davon verbaut. Diese sind zudem in Komponenten für die endoskopische Chirurgie enthalten – etwa für minimalinvasive Verfahren im Bereich von Gallenblase, Blinddarm, Leistenbruch, Uterus oder Prostata – sowie in Dichtungsmaterialien, Dämpfungselementen, Isolierungen und Schmiermitteln für Lithografieoptiken zur Chipherstellung.

Darum täte Spectaris-Geschäftsführer Jörg Mayer zufolge Europa gut daran, „eine Vorreiterrolle beim Thema PFAS zu übernehmen und mit Innovationen an Ersatzstoffen zu arbeiten, wo immer das geht“. Die Regulierung ganzer Stoffgruppen – unabhängig von deren nachgewiesenem Risiko – würde Europa, seine Bürger und seine Industrie irreparabel schädigen.

Raus aus dem Wasser

Da Trinkwasser als das Hauptrisiko für Menschen gilt, PFAS aufzunehmen, und Kläranlagen wie andere konventionelle Wasser- und Abwasserbehandlungen PFAS unzureichend entfernen, haben Wissenschaftler und Forschungsabteilungen Verfahren entwickelt. Diese basieren auf Ionenaustauscherharzen, gekörnter Aktivkohle, Nanofiltration, Umkehrosmose und Hochdruckmembransystemen.5)

Dabei zeigte sich: Ionenaustauscherharzverfahren sind teurer als andere, haben aber die höhere Adsorptionskapazität für PFAS. Außerdem ist der CO2-Fußabdruck bei der Herstellung des nötigen Equipments niedriger als etwa bei Aktivkohleverfahren.

Ionenaustauscherharze lassen sich vor Ort regenerieren – und das zu fast 100 Prozent. Dabei werden die PFAS mit einer Salzlösung herausgewaschen. Der Mensch kann das Trinkwasser dann ohne PFAS-Risiko zu sich nehmen.

Die fluorierten Substanzen bleiben allerdings bei diesen Verfahren unversehrt. Sie hängen beispielsweise in einem Filter oder in einer Salzlösung – das ist dann Sondermüll. Darum wünschen sich Wasserwerke, Abwasserspezialisten und Betreiber PFAS-belasteter Standorte neue Techniken, die die risikobehafteten Substanzen zerstören. Grundsätzlich eignen sich dafür

elektrochemische Oxidation,Plasma-Verfahren,Photokatalyse,Sonochemie,Oxidation in superkritischem Wasser undthermische Zersetzung.

Ein PFAS-Entsorgungsverfahren sollte die Substanzen sicher eliminieren und dabei einen möglichst geringen Energiebedarf und CO2-Ausstoß aufweisen. Sonst würde die Belastung – zumindest teilweise – nur in ein anderes Umweltkompartiment verlagert.

Elektrooxidatives Eliminieren

Um PFAS zu zerstören, kombinieren Forscher Wasserreinigungsverfahren mit anschließender Zersetzung. Ein zweistufiges Verfahren für abgelegene Regionen, die über Brunnen mit Wasser versorgt werden, entwickeln zurzeit kanadische Wissenschaftler der Universität von British Columbia: Sie scheiden die PFAS an Filtern ab und zerlegen sie dann elektrochemisch.

Kürzlich haben Wissenschaftler der Universität des Saarlands eine Methode entwickelt, die PFAS aus dem Wasser entfernt und anschließend wieder freisetzt. So lassen sich die fluorierten Substanzen nicht nur sammeln, sondern auch untersuchen und dann vernichten. Diese Entwicklung nutzt Elektroden aus Ferrocen und – noch effektiver – aus einem speziellen Cobaltocen.

PFAS werden damit aus dem Wasser herausgefiltert, lassen sich durch Anlegen einer elektrischen Spannung wieder abgeben und dann direkt im flüssigen Medium vernichten (ohne den Umweg über das Einfangen in einem Filter). Die Wissenschaftler sehen dies als eine Grundlage für Entwicklungen in größerem Maßstab. Eignen könnten sich diese zum Beispiel in Flüssen und Ozeanen.

Allgemein werden die PFAS bei elektrooxidativen Verfahren entweder direkt in der Lösung zerstört oder zunächst an der Anode adsorbiert und dann dort zerstört. Dabei unterstützt eine hohe Konzentration, weswegen vorheriges Konzentrieren mit Ionenaustauscherharz- oder Nanofiltrationsverfahren vorteilhaft ist.

Elektrooxidieren mit zwei Kathoden

Experimenten im ehemaligen Brandschutzübungsgelände des US-Verteidigungsministeriums zufolge macht eine Anordnung mit zwei Kathoden (links und rechts der Anode) elektrooxidative Verfahren effizienter.

Zudem lässt sich die Reaktion an den Elektroden selbst durch Dotieren mit Metallen katalysieren.

Allerdings sind die gebräuchlichen bordotierten Diamantelektroden teuer. Ein Problem bleiben außerdem unerwünschte Nebenprodukte wie Flusssäuredämpfe, Perchlorate und Chlorate, bromhaltige Substanzen und Chlorgas bei chloridhaltigem Wasser.

Plasma für wilde Mischungen

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB setzt im Verbundprojekt Atmosphären-Wasserplasma-Behandlung auf eine plasmabasierte Technik:6) Kontaminiertes Wasser wird in einen Zylinder aus Glas und Edelstahl eingeleitet und dort mit ionisiertem Gas behandelt. Für entscheidend halten die Forschenden, dass das Plasma die PFAS-Molekülketten im Wasser kürzt. Dies sei ein wichtiger Schritt hin zur völligen Beseitigung. Das Verfahren hat sich im Technikumsmaßstab an realen Wasserproben bewiesen (Abbildung links). Das waren keine Standard-PFAS-Gemische für Laborzwecke, sondern „eine wilde Mischung mit verschiedensten Partikeln wie Schwebstoffen und organischen Trübungen“.

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Versuchsanlage zum Eliminieren per- und polyfluorierter Kohlenwasserstoffe (PFAS). Quelle: Fraunhofer IGB

Plasmaverfahren sind unempfindlich gegenüber Störstoffen, Ausnahmen sind hohe Nitratgehalte und pH-Werte. Bei der Entladung eines ionisierten Gases entstehen oxidative und reduktive Spezies, darunter Ozon, Protonen, Elektronen und Hydroxylkationen, die PFAS zerstören können. In der Praxis erzeugt man dazu Blasen, und zwar mit Hilfsgasen wie He, Ne, Ar, O2 oder N2. An den Grenzflächen stoßen die PFAS mit Ionen, Elektronen, Radikalen und Photonen zusammen und zerbrechen. Auch die Kombination aus vorgeschaltetem Ionenaustauscher und Plasmaverfahren wurde erfolgreich im Technikum getestet.

Photokatalyse mit Bornitrid funktioniert überraschend

Bei der photokatalytischen PFAS-Zersetzung agieren Halbleitermaterialien wie In2O3, Fe2O3, TiO2, ZnO, CdS und Ga2O3. Das Verfahren bringt photonaktiviert negative (Elektronen) und positive (Löcher) Ladungen an die Oberfläche des Halbleitermaterials; beide zerstören die Ewigkeitschemikalien.

In der Regel dient dazu UV-Licht, zuweilen einfach Sonnenlicht, und das bei Raumtemperatur. Allerdings ist dies weniger effektiv als andere PFAS-Zerstörungsverfahren. Zudem ist die Photokatalyse selektiver, also beispielsweise eher geeignet für Perfluoroktansäure (PFOA, das häufigste PFAS) als für Perfluoroktansulfonsäure (PFOS).

Als Halbleitermaterial war Titanoxid aufgrund seiner sowohl photokatalytischen als auch hydrophilen Eigenschaften lange das Material der Wahl. Doch wie Forscher der Abteilung für chemische und biomolekulare Technik an der Rice‘s Brown School of Engineering herausfanden, zerstört Bornitrid PFOA schneller als jeder andere Photokatalysator.7) Man setzt dazu Bornitridpulver und ultraviolettes Licht mit einer Wellenlänge von 254 Nanometern ein. Innerhalb weniger Stunden wandeln sich 99 Prozent in Wasser gelöster PFOA in Fluorid, Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff um.

Dass das so gut funktioniert, war eine Überraschung, denn nach der Theorie muss ein Katalysator zur PFOA-Zerstörung 254-Nanometerlicht absorbieren, um zu wirken. Das kann Bornitrid aber nicht. Aufgrund atomarer Defekte geht es dennoch.

Die Forscher ermittelten darüber hinaus, dass Bornitridpulver auch einen PFOA-Ersatzstoff zerstört. Dieser mit Emulsionspolymerisation von Fluorpolymeren erzeugte Stoff (Genx) könnte ebenfalls umweltproblematisch sein. Das praxisrelevante Hauptziel dieser Forschungen ist, netzunabhängige Wasseraufbereitungssysteme zu entwickeln.

PFAS-Oxidation in superkritischem Wasser

Die für eine PFAS-Eliminierung nötigen harschen Bedingungen bietet die Oxidation in überkritischem Wasser. Einer Studie der US-Umweltschutzbehörde EPA zufolge lassen sich damit 99 Prozent der in einer Wasserprobe enthaltenen PFAS zerstören. Sie werden im Wesentlichen zu Kohlendioxid und Wasser zersetzt, ohne unvollständig oxidierte PFAS oder gefährliche Oxidantien und ohne toxische Stick- und Schwefeloxide als Nebenprodukte. Allerdings entstehen korrosive Säuren (H2SO4, HCl), und es fallen Salze aus, was die Reaktionsführung erschwert.

Zudem ist das Verfahren wegen der hohen Temperaturen und Drücke (> 374 °C, > 221 bar) aufwendig und teuer. Kontaminierte Böden und Grundwässer lassen sich auf diesem Weg wohl nicht reinigen, höchstens PFAS-belastetes Trinkwasser. Im Allgemeinen gilt die Oxidation in überkritischem Wasser als effektiv, das Scale-up des Verfahrens aber als schwierig.

Induktionserwärmung

Wenn scheinbar nichts mehr geht, zersetzt sich doch alles unter hinreichend großer Hitze – nach diesem Leitgedanken lassen sich auch PFAS zu Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Wasser, Flusssäure und gegebenenfalls schwefelhaltigen Verbindungen wie Schwefelsäure zersetzen. Der grundsätzliche Vorteil dieses Verfahrens: Dafür eignen sich bestehende Müllverbrennungsanlagen.

Probleme bereiten die Rückstände. Die Asche enthält womöglich noch unzersetzte PFAS, die dort an anorganische Verbindungen gebunden sind und mindestens genauso lange überdauern wie die reinen Ewigkeitschemikalien.

Darüber hinaus kann vieles in die Atmosphäre gelangen: hochkorrosives HF-Gas zum Beispiel oder toxische Nebenprodukte wie Tetrafluormethan, Hexafluorethan, Fluordioxide, Fluorbenzofurane und perfluorierte Carbonsäuren sowie unvollständig zersetzte PFAS. Aufgrund erhöhter PFOA-Konzentrationen in der Nähe einer PFAS-Verbrennungsanlage darf das US-Militär PFAS-haltiges Material (Löschmittel ebenso wie wasserabweisende Textilien) dort nicht mehr vernichten. Das deutsche Umweltbundesamt empfiehlt aus demselben Grund eine PFAS-Mindestverbrennungstemperatur von 1300 °C, das Bundesministerium für Umwelt 1000 °C.

Aussichtsreich erscheint aufgrund einer Studie der University of Missouri die thermische Induktionserwärmung zum PFAS-Abbau auf Aktivkohle- und Anionenaustauscherharz-Oberflächen. Das Verfahren basiert auf dem Joule‘schen Erwärmungseffekt und zielt insbesondere auf mit PFAS beaufschlagte Filter aus kommunalen Abwasserreinigungen.

Ultraschall

Bei der Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren zur PFAS-Eliminierung werden Umwelteffekte wie der CO2-Fußabdruck, Kosten für Wartung, Energie und gegebenenfalls für Kredite eine Rolle spielen. Darüber hinaus stellt sich bei dieser Stoffgruppe die Frage: Eignet sich das Verfahren eher für langkettige oder eher für kurzkettige PFAS? Die meisten Verfahren tendieren dazu, die langkettigen PFAS zu eliminieren, und haben eher Schwierigkeiten bei den kurzkettigen.

Im Allgemeinen werden sich die elektrochemische Oxidation und Plasmaverfahren an erster Stelle anbieten, gegebenenfalls mit einer vorgeschalteten PFAS-Konzentrierung etwa durch Ionenaustauscher. Denn bei hohen Konzentrationen arbeiten diese Eliminierungsverfahren effektiver. Beide sind im Feldversuch erprobt, und ein Scale-up gilt als machbar.

Daneben sind einige Verfahren in der Entwicklung, im Labor- oder Technikumsmaßstab. Hoffnungen weckt beispielsweise der sonochemische Abbau von PFAS: Akustische Felder, insbesondere Ultraschall, bewirken dabei die Zersetzung in Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid und Fluoridionen (Abbildung S. 29). Ähnlich wie bei Plasmaverfahren erfolgt diese durch Gasblasen, wobei lokal hohe Temperaturen auftreten: im Durchschnitt 5000 Kelvin bei 500 bar. Die beiden wichtigsten PFAS-Vertreter, PFOS und PFOA, werden auf diese Weise nicht nur in Wasser, sondern auch in (feuchten) Böden zersetzt. Dabei bilden sich keine unerwünschten Nebenprodukte. Energieaufwand und CO2-Fußabdruck sind allerdings hoch.

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PFAS-Sonolysemechanismen: PFAS-Adsorption an der Blasengrenzfläche unter Ultraschall (1), Blasenwachstum bis zur kritischen Größe (2), Blasenkollaps und Reaktionsinitiierung durch Thermolyse (3a) oder Angriff solvatisierter Elektronen (3b), Freisetzung der verkürzten Perfluor-Einheit und wiederholte Oxidation-Verkürzung (1–4a-Schleife) oder Sono-Zwischenpyrolyse im Blasenkern (4b), Bildung von C1-C2-Zwischenprodukten (5) und Zwischenhydrolyse zu Endprodukten in flüssiger Masse (6). Nicht maßstabsgetreu. Quelle: Ultrason Sonochem. doi: 10.1016/j.ultsonch.2022.105944

Allerweltschemikalien

Ein Verfahren verblüfft durch seine Einfacheit: Die Northwestern University in Illinois greift mit Natriumhydroxid und Dimethylsulfoxid (DMSO) den nicht fluorierten Rest sauerstoff- oder schwefelhaltiger PFAS an, zum Beispiel von PFOS oder PFOA.8)

Die Forscher bezeichnen die funktionelle Gruppe als die „Achillesferse der ewigen Chemikalien“. Beispielsweise spaltet sich bei PFOA Kohlenstoffdioxid ab, und der verbleibende Molekülrest wird dabei so instabil, dass er in kleinere Stücke und Fluorid zerfällt.

Die PFAS-Reinigungsquote beträgt zwischen 78 und 100 Prozent. Die Reaktionstemperatur liegt bei 40 bis 120 °C, und genauso wie für PFOA funktioniert das Verfahren für den ebenfalls gefährlichen Ersatzstoff Genx. Ob es aber für alle PFAS taugt, bleibt ebenso unklar wie die technische Umsetzung.

Mit mechanischer Mahlkraft

Auch große mechanische Kraft kann helfen: Speziell PFAS in Böden wurden von Forschern durch Zermahlen mit Metallkugeln und Bornitrid zerstört.9) Dieses Kugelmahlen löst Festkörperreaktionen aus; die vermeintlich bombenfesten CF-Bindungen brechen. So entstehen weniger schädliche Produkte. Als Additiv bietet sich klassischerweise Kaliumhydroxid an. Das dabei drohende Verklumpen und die Korrosionswirkungen lassen sich mit Bornitrid vermeiden.

Darüber hinaus ist sogar eine stoffliche Verwertung möglich: Perfluoralkene, eine PFAS-Untergruppe, lassen sich relativ einfach in fluorierte N-heterocyclische Carbene umwandeln. Dies haben Chemiker der Osaka Metropolitan University herausgefunden. Ihr Verfahren entfernt zwei Fluoratome aus 1,2-Difluoralken-Derivaten. Anwenden lassen könnte sich das etwa in der Fluorchemie, der metallorganischen Chemie, der Katalyse und der Materialwissenschaft.10)

Der Autor

Der promovierte Chemiker Christian Ehrensberger ist freier Mitarbeiter der Nachrichten aus der Chemie.

AUF EINEN BLICK

Da konventionelle Wasserbehandlungen per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFAS) kaum entfernen, haben Forschungsabteilungen Verfahren auf Basis etwa von Ionenaustauschern, Aktivkohle und Nanofiltration entwickelt.

PFAS lassen sich durch Hitze, Plasma oder Anlegen einer elektrischen Spannung vernichten.

Ein anderer Ansatz greift an den nicht fluorierten sauerstoff- oder schwefelhaltigen funktionellen Gruppen der PFAS an.

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