Blickpunkt


<p>Im dritten Quartal des Jahres 2013 war die Gesamtzahl an Transaktionen in der chemischen Industrie mit 156 etwas geringer als im Vorjahresquartal (175). Insgesamt scheint hier im Jahr 2013 die Tendenz rückläufig zu sein. Es fällt zudem die im Vergleich zum Jahr 2010 weiterhin geringe Transaktionsdynamik auf (Abbildung 1).</p>
<p>Die Entwicklung der Zahl größerer Deals folgte in den ersten drei Quartalen dem Muster der Gesamtzahl: Es gab in der Chemie nur wenige Megadeals (also Transaktionen mit einem Gesamtwert von mehr als 1 Mrd. US-Dollar, Abbildung 2).</p>


<h2>Quartalsweise</h2>
<p>Im ersten Quartal akquirierte in den USA der Industriegasehersteller Praxair den Kohlendioxid-Spezialanbieter NuCO2; Verkäufer war der Finanzinvestor Aurora Capital. Die österreichische Borealis kaufte den belgischen Düngemittelhersteller Rosier vom französischen Petrochemieunternehmen Total. Das Dispersions-PVC-Geschäft der amerikanischen Polyone ging an den südamerikanischen Petrochemiegiganten Mexichem.</p>
<p>Im zweiten Quartal dominierten drei Deals: Zum einen akquirierte in den USA Georgia Pacific, ein Papier- und Papierchemikalienhersteller den Zelluloseproduzenten Buckeye Technologies für 1,5 Mrd. US-Dollar. Zum anderen legten in Europa Solvay und Ineos ihre Chlor-Vinyl-Aktivitäten zusammen. Eine weitere große Transaktion war der Verkauf der Plochinger Ceramtec von der US-amerikanischen Rockwood-Gruppe an die europäische Beteiligungsgesellschaft Cinven für etwa 2 Mrd. US-Dollar.</p>
<p>Im dritten Quartal fielen vor allem die Verkäufe von Rockwood ins Gewicht: Die US-amerikanische Spezialchemie-Holding verkaufte die Rheologie-Additive für 635 Mio. US-Dollar an Altana [<i>Nachr. Chem.</i> 2013, 61, 869]. Das Titandioxid-Geschäft ging inklusive der Pigmente — dazu gehört die Duisburger Sachtleben Chemie — für 1325 Mrd. US-Dollar an den US-amerikanischen Konkurrenten Huntsman. Ebenfalls ins dritte Quartal fällt die Übernahme des US-amerikanischen Kohlefaserherstellers Zoltek für 584 US-Dollar durch die japanische Toray-Gruppe.</p>


<h2>Regional</h2>
<p>Bei der regionalen Verteilung der Deals, gemessen an der Zahl, verdrängte Asien/Ozeanien Nordamerika wieder aus der Führungsposition. Auf den Plätzen folgen Europa und Nordamerika (drittes Quartal). Damit scheint die zwischen dem dritten Quartal 2012 und dem ersten Quartal 2013 wiedererstarkte Rolle der Region Nordamerika ein Strohfeuer gewesen zu sein.</p>


<h2>Zukünftig</h2>
<p>Obwohl die Weltwirtschaft sich zum Teil über die vergangenen Jahre stabilisierte, bleibt die Unsicherheit bezüglich ökonomischer und finanzwirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Der Schuldenstand ist weiterhin hoch — sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler und individueller Ebene. Das Wachstum ist in Europa schwach, stabil in China und schwach in anderen aufstrebenden Märkten wie Brasilien, Indonesien und Indien.</p>
<p>Die US-Wirtschaft wächst langsam, aber die Regierung muss sich mit Budget- und Schuldenbegrenzungsdiskussionen auseinandersetzen. Weiterhin können sich die erwartete Einschränkung der amerikanischen Notenbank hinsichtlich Anleihenkauf, der Staatsschuldenabbau in der Eurozone sowie die Unruhen in Nordafrika (vor allem in Syrien und Ägypten) negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch auf das Transaktionsgeschehen auswirken. Allerdings gibt es die Akquisitionsfinanzierung zu relativ günstigen Bedingungen. Die Bilanzen der Chemieunternehmen weisen zudem weiterhin genügend Liquidität auf, so dass die Kriegskassen gefüllt scheinen.</p>
<p>Es ist außer in den USA (siehe Dow, Dupont und Rockwood) auch in Europa verstärkt zu erwarten, dass sich große diversifizierte Chemieunternehmen von einzelnen Geschäften trennen; sie werden sich weiter auf einzelne wachstumsstarke Aktivitäten konzentrieren — häufig außerhalb Europas. Die seit Ende des Jahres 2012 an den Markt gegebenen Ankündigungen von Henkel, Lanxess und DSM sind nur einige Beispiele dafür. Gleichzeitig treten verstärkt nichteuropäische Käufer mit Anlagedruck und großer Kaufkraft auf.</p>
<p>Im Oktober kündigte Oman Oil an, den Oxochemikalienanbieter Oxea vom Finanzinvestor Advent International für 1,8 Mrd. Euro zu kaufen [<i>Nachr. Chem.</i> 2013, 61, 1093]. Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass bisher kaum in Erscheinung getretene Käufer aus exotischen Regionen beim Transaktionsgeschehen innerhalb der chemischen Industrie zunehmend eine starke Rolle spielen.</p>
<p>Derzeit berichten Nachrichtenagenturen über laufende Chemie-Transaktionsprozesse von signifikanter Größe wie Duponts Performance Chemicals und Ashland Elastomers in den USA oder Innovia Films in Großbritannien. Dies spricht für eine volle Pipeline. Auch der durch das US-Shale-Gas ausgelöste Boom dürfte die Transaktionsdynamik anheizen, da Unternehmen verstärkt versuchen, sich schnell Zugang zu günstigen Rohstoffen via Akquisitionen zu verschaffen. Daher dürfte sich im letzten Quartal und insbesondere auch im nächsten Jahr die Transaktionsdynamik im Sektor Chemie weiter erholen.</p>
<p>Bernd Schneider ist promovierter Chemiker sowie Kaufmann und verantwortet den Bereich Chemie bei der Investmentbank Lincoln International in Frankfurt. Die Bank ist fokussiert auf die Beratung des Verkäufers bei grenzüberschreitenden Transaktionen.</p>
<p><a href="mailto:b.schneider@lincolninternational.de">b.schneider@lincolninternational.de</a></p>


<h2>Pharmadaten 2012</h2>
<p>Die 854 Pharma- und 565 Biotechnikunternehmen, die der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie in Deutschland zählt, produzierten im Jahr 2012 Pharmazeutika im Wert von 27,7 Mrd. Euro. Das sind 2,8 % mehr als im Jahr 2011. Im gleichen Zeitraum verringerte sich der Weltpharmamarkt um 0,3 % auf 736,2 Mrd. Euro. Davon gehen 267,1 Mrd. Euro (—1,4 %) nach Nordamerika, 226,8 Mrd. Euro (+5,9 %) in die Region Asien, Afrika, Australasien inklusive Japan und 186,4 Mrd. Euro (—6,5 %) in die Europäische Union. Die deutschen Unternehmen exportierten Pharmazeutika für 54,2 Mrd. Euro (+7,5 %); Hauptabnehmer waren die USA, die Niederlande und Belgien. Importe für insgesamt 38,2 Mrd. Euro (+1,5 %) kamen vor allem aus den USA, der Schweiz und den Niederlanden. Die Betriebe beschäftigten 110 006 Personen (+4,3 %).</p>


<h2>Konsortium zur organischen Photovoltaik</h2>
<p>Im Forschungsprojekt Popup arbeiten zehn Partner an organischer Photovoltaik (OPV), darunter Merck, das Karlsruher Institut für Technologie, Webasto und Siemens. Das insgesamt drei Jahre laufende Projekt hat ein Gesamtbudget von 16 Mio. Euro. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert mit 8,2 Mio. Euro, den Rest tragen die beteiligten Unternehmen. Das Projekt soll effizientere und stabilere OPV-Materialien für industriell anwendbare Druck- und Beschichtungsverfahren liefern. Flexible und starre, semitransparente und lichtundurchlässige Module sollen Gebäude und Geräte, Notfallsysteme, Verkehrs- und Navigationshilfen mit Strom versorgen. Merck als Hersteller von halbleitenden Polymeren koordiniert das Gesamtvorhaben.</p>



Artikel

Die Pipeline ist gefüllt

Im dritten Quartal des Jahres 2013 war die Gesamtzahl an Transaktionen in der chemischen Industrie mit 156 etwas geringer als im Vorjahresquartal (175). Insgesamt scheint hier im Jahr 2013 die Tendenz rückläufig zu sein. Es fällt zudem die im Vergleich zum Jahr 2010 weiterhin geringe Transaktions...


<p>Public-Private-Partnership-Programme schließen eine Lücke: Sie setzen Erkenntnisse aus der akademischen Forschung mit kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) und der Großindustrie zu Produkten um [<i>Nachr. Chem.</i> 2013, <i>61</i>, 104]. Eine dieser Initiativen ist die European Lead Factory (ELF). Sie soll die pharmazeutische Wirkstoffforschung in Europa beschleunigen und zu einer Substanzbibliothek führen, die sowohl die Projektpartner als auch andere Forschungsinstitutionen und Unternehmen nutzen dürfen.</p>
<p>Das ELF-Konsortium besteht aus 30 Organisationen. Ein Bestandteil dieses Projekts, das auf fünf Jahre angelegt ist, ist die Wirkstoffsynthese. Sie vereint Medizinal- und Synthesechemiker aus Praxis und Forschung in einer virtuellen Synthesefabrik. Sieben KMU erstellen darin mit akademischen Partnern aus Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Ungarn eine öffentliche Substanzbibliothek. Als Konsortialführer Chemie hat das Dortmunder Unternehmen Taros Chemicals drei Aufgaben: Es synthetisiert Wirkstoffteile, organisiert Aufrufe an die chemische Community, pharmakologisch innovative chemische Strukturen einzureichen und liefert mit “Taros Gate” die IT-Infrastruktur, um die Prozesse zu steuern, Daten zu speichern und das geistige Eigentum zu sichern.</p>


<h2>Neue Substanzbibliotheken</h2>
<p>Pharmazeutische Unternehmen verfügen über umfangreiche Substanzbibliotheken, die sie nach potenziellen Wirkstoffen screenen. Im Regelfall ist der Zugang zu solchen internen Bibliotheken limitiert und für Dritte außerhalb des Unternehmens nicht üblich.</p>
<p>Als Teil der ELF liefern sieben Pharmaunternehmen 300 000 chemische Verbindungen aus ihren Beständen. Darunter sind Bayer, Astrazeneca und Sanofi — alle drei sind Mitglieder der europäischen Vereinigung der pharmazeutischen Industrie (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations, Efpia). Chemisch überlappen die Verbindungen der einzelnen Unternehmen bisher kaum. Die KMU und ihre akademischen Forschungspartner entwickeln eine Substanzbibliothek mit voraussichtlich 200 000 neuen Verbindungen. Die zusammengeführte Bibliothek wird also etwa 500 000 Verbindungen enthalten.</p>
<p>Die neuen Substanzen müssen einen chemischen Raum bilden, der sich sowohl von den Substanzbibliotheken der Efpia-Partner als auch von kommerziellen Substanzbibliotheken unterscheidet. Die Verbindungen müssen zudem medizinchemisch oder -biologisch relevant und pharmakologisch unbedenklich sein. Ein weiteres Kriterium ist die ökonomisch vertretbare Herstellung. Mit diesen Kriterien sichert das Library Selection Committee innerhalb des ELF die Qualität der Bibliotheken.</p>


<h2>Einreichen und bewerten lassen</h2>
<p>Im ersten Jahr kamen die Vorschläge für die Substanzbibliotheken ausschließlich aus den Reihen der Konsortialmitglieder. Ab dem Jahr 2014 soll die gesamte organisch- und medizinchemische Community Vorschläge einreichen. Eine webbasierte Software mit einem speziell designierten Call Manager steuert diese Crowd-Sourcing-Initiative.</p>
<p>Das Webportal akzeptiert chemische Grundgerüste in verschieden Datenformaten. Es lassen sich nicht nur Formeln, sondern auch experimentelle Vorschriften und Messdaten elektronisch einreichen. Damit sind Projekte mit einem hohen Reifegrad schneller zu implementieren und Redundanzen vermeidbar. Eine Software vergleicht die eingereichten mit kommerziell erhältlichen Substanzen und denen in den Efpia-Subtanzbibliotheken, um Neuheiten zu erkennen.</p>
<p>Die Filterkriterien des Webportals legt ein Selektionskomitee fest. Auch hierin sind alle Interessensgruppen vertreten: Universitäten, Efpia- und KMU-Repräsentanten sowie das Screening Center des ELF. Sie evaluieren die Kriterien jährlich und bewerten die eingereichten Vorschläge nach dem Filtern. Sollte das Komitee einen Vorschlag ablehnen, erhält der Urheber einen Kommentar und kann seinen Vorschlag nachbessern und erneut einreichen. Einen akzeptierten Vorschlag belohnt das Konsortium je nach Reifegrad mit bis zu 5000 Euro.</p>
<p>Dimitrios Tzalis, Jahrgang 1967, Chemiker und Biologe, studierte in Marburg und in Muncie, IN/USA. Er promovierte in Chicago und San Diego in Chemie. Im Jahr 1999 gründete er Taros Chemicals. Tzalis ist Leiter des europäischen Chemie-Konsortiums der European Lead Factory (ELF) und Mitglied im ELF-Projekt Executive Board. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.europeanleadfactory.eu" target="_blank">www.europeanleadfactory.eu</a></ext-link></p>


<h2>Gegen das Damoklesschwert</h2>
<p><b>Frage 71:</b> Wir verkaufen seit einiger Zeit Spezialpräparate für die Oberflächenbehandlung. Im Zusammenhang mit einem möglichen Großauftrag hat uns nun der potenzielle Kunde mit einer Patentanmeldung der Konkurrenz konfrontiert: Die europäische Patentanmeldung beschreibt ein neues Verfahren zur Herstellung der Hauptkomponente unseres Produkts. Nach den Ansprüchen wird aber nicht nur dieses neue Verfahren, sondern auch die Substanz als solche beansprucht. Eine Recherche des Patentamtes liegt noch nicht vor. Nach unserer eigenen Recherche scheint das Verfahren tatsächlich neu zu sein, die durch das Verfahren hergestellte Verbindung ist aber bereits vor Jahren in der Fachliteratur erwähnt worden. Unser potenzieller Kunde zögert nun mit der Bestellung. Was können wir tun?</p>
<p><b>Antwort:</b></p>
<p>Zunächst scheint Ihr Problem zu sein, dass weder Sie, noch Ihr Kunde wissen, ob, wann und in welcher Form das Patent erteilt wird. Das verunsichert Ihren Kunden, der nicht weiß, ob er in Zukunft durch Nutzung Ihres Produkts möglicherweise eine Patentverletzung begeht. Idealerweise wird das Patentamt irgendwann die “richtige” Literaturstelle finden und die Substanzansprüche zurückweisen. Die Ansprüche auf das Verfahren könnten erhalten bleiben, würden aber Ihren Verkauf nicht stören, sofern Ihr Produkt nicht nach dem neuen Verfahren hergestellt ist.</p>
<p>Da Sie aber nicht wissen, ob das Patentamt die Literaturstelle findet und wann dies der Fall sein wird und somit die Patentanmeldung wie ein Damoklesschwert über Ihnen hängt, ist wohl Ihre einzige Möglichkeit, einen “Einwand Dritter” einzureichen: Sie können in einer Eingabe an das Europäische Patentamt die entgegenstehende Literatur nennen und erklären, warum die Patentanmeldung nicht in der angemeldeten Form erteilt werden darf.</p>
<p>Das Patentamt muss diese Einwände dem Patentanmelder zur Kenntnis bringen und natürlich dessen Sicht der Dinge hören. Auf diese Weise ist aber in jedem Fall sichergestellt, dass sich die entscheidende Literaturstelle in der Prüfungsakte befindet.</p>
<p>Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass Sie an dem weiteren Prüfungsverfahren nicht beteiligt sind und daher keine weiteren Eingaben machen können.</p>
<p>Einwendungen Dritter eignen sich eigentlich nur dann, wenn der Sachverhalt, d. h. die Relevanz der gefundenen Literaturstelle für die angemeldete Erfindung klar und eindeutig hervorgeht. Da solche Einwendungen von jedem eingereicht werden können, brauchen Sie dabei nicht selbst in Erscheinung zu treten, der Einwand kann auch durch eine beliebige andere Person erfolgen. Allerdings: Mit Ihrem Kunden müssen Sie in jedem Fall über die Situation und die Bedeutung Ihres Fundes reden. Selbst wenn die Literaturstelle klar und eindeutig ist, kann es noch Jahre dauern, bis die Patentanmeldung endgültig zurückgewiesen ist.</p>
<p>Fragen für Thomas Seuß an: nachrichten@ <a href="https://gdch.de" target="_blank">gdch.de</a>. Info zur kostenfreien Beratung unter <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.gdch.de/rechtsberatung" target="_blank">www.gdch.de/rechtsberatung</a></ext-link></p>



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