Blickpunkt

Anfang Oktober 2010 hat die Bundesregierung die deutsche Rohstoffstrategie verabschiedet. Zu ihren Zielen gehört, den Zugang zu wichtigen Rohstoffen zu verbessern und die dazugehörigen Märkte transparenter zu machen. Ebenso wichtig ist es, Rohstoffe effizienter einzusetzen und die Wiederverwertung zu fördern.
Der Rohstoffstrategie liegt die Arbeitshypothese zugrunde, dass die ausreichende Versorgung mit Rohstoffen nicht ohne weiteres sichergestellt ist und die Preise erheblich steigen können. Daran hat sich zwischenzeitlich nur wenig geändert, auch wenn sich nach dem drastischen Anstieg der Preise für eine Reihe kritischer Rohstoffe im ersten Halbjahr 2011 in der Zeit danach eine gewisse Entspannung einstellte.
Die Preise für unverzichtbare Rohstoffe werden längerfristig aller Voraussicht nach weiter steigen [Nachr. Chem. 2011, 59, 1129]. Zu diesen Rohstoffen zählen die von der EU-Kommission identifizierten 14 kritischen metallischen und mineralischen Rohstoffe, darunter Antimon, Beryllium, die Seltenen Erden, die Platinmetalle, Magnesium, Graphit oder Kobalt. Technische Entwicklungen, etwa in der Informations- und Kommunikationstechnik oder in der Medizintechnik, werden den Bedarf an Neodym, Gallium oder Tantal weiter steigen lassen, fallweise auf ein Niveau, das die heutige Weltproduktion deutlich übersteigt.


<h2>Exportbeschränkungen</h2>
Wiederkehrende Verknappungen sind bei Rohstoffen nicht auszuschließen. Eine Ursache hierfür sind Exportbeschränkungen, ihre Zahl hat sich zwischen 2008 und 2011 fast verdreifacht.
An dieser Stelle ist aber vor kurzem ein Etappensieg gelungen: Die Welthandelsorganisation WTO hat in einem Streitfall mit China um Exportbeschränkungen für Rohstoffe wie Mangan, Magnesium, Bauxit oder gelben Phosphor das Land verpflichtet, diese Form von Handelshemmnissen auch bei anderen wichtigen Rohstoffen zu beseitigen. Die Europäische Kommission klagt gegenwärtig wieder gegen bestehende und laufend weiter verschärfte Exportbeschränkungen bei Seltenen Erden. Für das erste Halbjahr 2012 beschränkt China nämlich Exporte von Seltenen Erden um fast weitere 30 Prozent.


<h2>Die Deutsche Rohstoffagentur</h2>
Zeitgleich mit der Verabschiedung der Rohstoffstrategie hat die Bundesregierung im Herbst 2010 die Deutsche Rohstoffagentur eingerichtet. Diese soll die deutsche Wirtschaft beraten und dabei unterstützen, die Rohstoffversorgung zu sichern. Inzwischen hat die Agentur eine Reihe von Angeboten und Dienstleistungen aufgebaut. Dazu gehört ein Rohstoffinformations- und Frühwarnsystem, das die Verfügbarkeit von Rohstoffen nicht nur unter geologischen Gesichtspunkten prüft, sondern auch rohstoffwirtschaftliche, markttechnische und geopolitische Aspekte berücksichtigt. Dazu kommt die Bewertung von Rohstoffpotenzialen bei konkreten Projekten und die Beratung von Unternehmen.
Deutschland strebt nach einer engeren Zusammenarbeit von Regierung und deutschen Unternehmen mit ausgewählten rohstoffreichen Ländern in Form von Rohstoffpartnerschaften. Dazu bringt die deutsche Seite die Angebote und Leistungen der Deutschen Rohstoffagentur ein, so kann die Agentur Rohstoffvorkommen in den Partnerländern im Auftrag von Unternehmen geowissenschaftlich bewerten. Für solche Aufgaben stehen auch öffentliche Mittel zur Verfügung.
Mit dem Ziel einer solchen Rohstoffpartnerschaft hat die Bundesregierung im letzten halben Jahr erste Abkommen unterzeichnet, und zwar mit Kasachstan und der Mongolei. Die Grundlagen hierfür sind gut, denn beide Länder verfügen neben energetischen Rohstoffen (Kohle in der Mongolei, Erdöl, Erdgas und Kohle in Kasachstan) über reichlich metallische und mineralische Rohstoffe wie Kupfer, Molybdän oder Wolfram. Bei diesen Partnerschaften geht es jetzt darum, konkrete Rohstoffprojekte von gemeinsamem unternehmerischen Interesse zu identifizieren und umzusetzen, um die deutsche Industrie sicher mit Rohstoffen zu versorgen und den Partnerländern Entwicklungschancen über die reine Rohstoffförderung hinaus zu eröffnen.


<h2>Recycling fördern</h2>
Für stabile und ausreichende Versorgung ist auch die Gewinnung von Sekundärrohstoffen, etwa von Metallen aus Schrott, Altglas, Altpapier und Recyclingkunststoff, weiter auszubauen [Nachr. Chem. 2011, 59, 1070] Zwar steht Deutschland hier im internationalen Vergleich gut da, aber die Stärkung des Recyclings ist ein wichtiger Baustein der Rohstoffstrategie. Das novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz, das im Februar verabschiedet wurde, und die neu gefasste europäische Elektroaltgeräterichtlinie stärken dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz verbessert die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erfassung von Wertstoffen im Restmüll unter wettbewerblichen Bedingungen. Die Novelle der Elektroaltgeräterichtlinie wiederum hat zum Ziel, die Sammelquote für Elektroaltgeräte zu erhöhen. Außerdem leistet sie einen Beitrag dazu, den illegalen Schrottexport einzudämmen.
Bei der Umsetzung der deutschen Rohstoffstrategie gibt es somit an verschiedenen Stellen Etappenerfolge und Fortschritte. Zusammen mit verstärktem Engagement der Unternehmen können sich somit die Voraussetzungen für eine sichere Versorgung mit metallischen und mineralischen Rohstoffen schrittweise verbessern.
Thomas Gäckle leitet seit März 2011 im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in der Abteilung Industriepolitik die Unterabteilung Rohstoffpolitik. Über die Umsetzung der deutschen Rohstoffstrategie spricht er während der 4. Jahrestagung “Einkauf von Chemikalien und Rohstoffen” der Chemacademy Ende Juni in Köln.


<h2>BASF: nachwachsende Rohstoffe</h2>
BASF Venture Capital investierte 13,5 Mio. US-Dollar in den Hersteller von Spezialchemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen, Allylix, in San Diego, USA. Allylix stellt biotechnisch hochreine Substanzen her, die bisher nur aus natürlichen Quellen zu gewinnen waren.


<h2>Auftragsfertigung zunehmend</h2>
Der europäische Markt für pharmazeutische Auftragsfertigung erzielte im Jahr 2011 Umsätze von 10 Mrd. US-Dollar. Bis zum Jahr 2018 sollen sie auf 20 Mrd. US-Dollar wachsen, ermittelte eine Studie der Unternehmensberatung Frost &amp; Sullivan. Der europäische Markt für Biotech-Auftragsfertigung legt demnach in der gleichen Zeit um 12 % von 1,2 Mrd. US-Dollar auf 2,7 Mrd. US-Dollar zu. Zurzeit erzeugen die großen Pharmakonzerne zwischen 10 und 25 % des Umsatzes von Auftragsfertigern in Europa. Frost &amp; Sullivan erwartet, dass diese Anteile bis zum Jahr 2013 auf 40 % und bis zum Jahr 2018 auf 50 % steigen. Da sich Pharma- und Biotechunternehmen stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, sehen sie Contract Manufacturing immer mehr als strategische Option. Gleichzeitig laufen bis zum Jahr 2018 Patente von Blockbustermedikamenten im Wert von 45 Mrd. US-Dollar aus, bei biologischen Wirkstoffen im Wert von 30 Mrd. US-Dollar. Das dürfte die Auslastung der Fertigungsanlagen auf die Hälfte reduzieren und die Tendenz zur Auslagerung seitens der großen Unternehmen verstärken.


<h2>SGL stärkt Carbonfasergeschäft</h2>
Der Kohlenstoffspezialist SGL Group übernimmt für etwa 25 Mio. Euro 86 % an Fibras Sinteticas de Portugal (Fisipe). Die Restanteile wollen die Wiesbadener ebenfalls erwerben und reichten dazu ein Pflichtangebot bei der Börsenaufsicht ein. Mit der Transaktion erhält SGL einen weiteren Produktionsstandort für die Carbonfaser-Vorstufe.

Artikel

Die deutsche Rohstoffstrategie — eine Zwischenbilanz

Anfang Oktober 2010 hat die Bundesregierung die deutsche Rohstoffstrategie verabschiedet. Zu ihren Zielen gehört, den Zugang zu wichtigen Rohstoffen zu verbessern und die dazugehörigen Märkte transparenter zu machen. Ebenso wichtig ist es, Rohstoffe effizienter einzusetzen und die Wiederverwertun...

Prof.Dr.

Biomoleküle finden sich in praktisch allen nichtsterilen wässrigen Umgebungen. Ihre Adsorption an feste Oberflächen ist der erste Schritt, bevor Zellen, beispielsweise Bakterien, sie besiedeln und sich ein Biofilm bildet. Insbesondere im medizinischen Bereich spielen bei dieser Primäradsorption Proteine eine herausragende Rolle. Prinzipiell können Proteinfilme je nach Milieu aus über hundert verschiedenen Proteinen bestehen, die weder gleichzeitig mit der Oberfläche wechselwirken noch sich räumlich homogen verteilen müssen. Um den molekularen Mechanismen der Wechselwirkung auf die Spur zu kommen, ist deshalb eine dreidimensional und molekular aufgelöste Analyse der Proteine notwendig. Hierfür existieren noch keine Methoden, so dass man sich dem Problem nur schrittweise und oft nur über Modellsysteme nähern kann.
Proteinadsorption ist aus thermodynamischer Sicht ein System, bei dem sich ein Adsorptionsgleichgewicht einstellt und das dabei ein Minimum der Gibbsenergie anstrebt, also bei gegebener Temperatur ein Minimum an Enthalpie bei gleichzeitig maximaler Entropie. Man unterscheidet deshalb oft enthalpisch und entropisch getriebene Adsorption.1,2 Bei den Wechselwirkungsenergien spielt die Coulombenergie eine große Rolle, aber auch andere weit reichende Kräfte wie die Van-der-Waals-Kräfte zwischen makroskopischen Körpern beeinflussen die energetischen Verhältnisse.3 Die Entropie erhöht sich einerseits durch Konformationsänderungen der Proteine, andererseits durch Freisetzung von gebundenem Wasser, etwa an hydrophoben Oberflächen (hydrophober Effekt). Der Bestimmung von Wechselwirkungskräften und damit Wechselwirkungsenergien kommt eine wichtige Rolle zu, da die Adsorptions-Enthalpie und vor allem die Adsorptions-Entropie schwer bestimmbar sind.
Dieser Beitrag stellt oberflächenanalytische Methoden vor, um Proteinwechselwirkungskräfte mit dem Substrat und damit zusammenhängende Größen zu bestimmen. Jede dieser Methoden hat Vorteile, aber auch Grenzen in ihrer Aussagekraft. Deshalb ist eine Reihe unterschiedlicher Methoden erforderlich, um das Problem einkreisen zu können.


<h2>Das Substrat</h2>
Die einfachste Frage ist die nach dem Substrat. Dies ist häufig nichtbiologisch. Die genaue chemische Zusammensetzung ergibt sich über oberflächenspektroskopische Methoden wie Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS), Augerelektronenspektroskopie (AES) oder Sekundärionenmassenspektrometrie (SIMS). Häufig beschränkt man sich darauf, phänomenologische Größen zu bestimmen: die Rauheit (über Rasterkraftmikroskopie, Profilometer oder Weißlichtinterferometer), die Oberflächenspannung oder Oberflächenenergie (über Kontaktwinkelmessungen) sowie den isoelektrischen Punkt (über Zetapotenzialmessung).
Der isoelektrische Punkt technischer Oberflächen schwankt signifikant, je nach aktueller Oberflächenzusammensetzung. Daher muss der isoelektrische Punkt für jede Probe bestimmt und nicht der Literatur entnommen werden. Auch inerte Oberflächen wie Polytetrafluorethylen, PTFE (Teflon), zeigen einen isoelektrischen Punkt, der über die spezielle Wasserstruktur an diesen Oberflächen erklärbar ist. Mit den isoelektrischen Punkten der Proteine (aus der Literatur) kann man so für den interessierenden pH-Wert die an hydrophilen Oberflächen oft dominanten Coulombkräfte zwischen den Adsorptionspartnern bestimmen.


<h2>Rasterkraftmikroskopie</h2>
Die Wechselwirkungskräfte lassen sich auf molekularer Ebene mit Rasterkraftmikroskopie (scanning force microscopy, SFM) bestimmen. Hierzu wird ein Proteinmolekül entweder unspezifisch oder spezifisch an die Spitze des SFM gebunden. Bei unspezifischer Adsorption ist zusätzlich z. B. mit Glutaraldehyd zu vernetzen, damit sich das Protein nicht von der Spitze löst. Anschließend werden auf dem Substrat Kraft-Abstands-Kurven bei zunehmender Residenzzeit des Proteins aufgenommen. Dabei ist der Kurvenverlauf zwischen Annäherung und Rückzug unterschiedlich (Abbildung 2), was Rückschlüsse auf die Adhäsionskraft zulässt. Diese nähert sich mit steigender Residenzzeit ab zirka zehn Sekunden bei harten Substraten und oft mehr als einer Minute bei proteinbedeckten Substraten einem Plateauwert, der ausgewertet wird. Hierbei wird die Kraft aller adsorbierenden Proteine gleichzeitig gemessen, so dass immer auf den Spitzenradius zu normieren ist, um Substrate vergleichen zu können. Bei nicht zu rauen Substraten bietet es sich an, statt undefinierter Spitzen kleine Kugeln mit definiertem Kontaktradius zu verwenden.
Um den Einfluss der Coulombwechselwirkung zu bestimmen, werden die Messungen bei verschiedenen pH-Werten durchgeführt, so dass Substrat und Protein veränderte Ladungen aufweisen.3) Wenn trotz Coulombabstoßung starke Adsorptionskräfte wirken, spielen entweder langreichweitige Van-der-Waals-Kräfte des Substrats eine Rolle, oder — das ist häufig — das Protein durchläuft starke Konformationsänderungen bei der Adsorption, so dass sich die Entropie erhöht. Problematisch bei diesen Messungen sind allerdings zwei miteinander gekoppelte Phänomene: Da die Proteine an der Spitze angebunden sind, sind sie vororientiert und diffundieren nicht frei an die Oberfläche, sondern werden herangezwungen.
Der Einfluss der Vororientierung lässt sich über unterschiedliche Anbindungen bei mehreren Experimenten bestimmen, z. B. über Carboxyl- und Aminogruppe oder mit verschiedenen Spacerlängen. Die fehlende freie Diffusion ist allerdings nur unvollständig zu simulieren, etwa durch Messungen bei sehr geringer Auflagekraft und großem Abstand.
 Abbildung 3 zeigt den Vergleich verschiedener Substrate für das Modellprotein Rinderalbumin (Bovines Serumalbumin, BSA).4 Die Adhäsionskraft steigt mit der Hydrophobie des Substrats. Dies weist auf Konformationsänderungen auf hydrophoben Oberflächen hin, da wasserlösliche Proteine ihre hydrophilen Reste nach außen und die hydrophoben nach innen orientieren.
Untersucht man Adhäsionskräfte auf hydrophilen Substraten, so stellt man fest, dass dort meist die Coulombanziehung dominiert, bei Coulombanziehung sind also auch die höchsten Adhäsionskräfte zu messen. Die sehr hohe Adhäsionskraft auf Gold geht auf die Bildung kovalenter S-Au-Bindungen zurück.
Mit solchen Studien erhält man Hinweise auf die molekularen Wechselwirkungen, jedoch bleiben viele Punkte ungelöst: Neben dem Fehlen der freien Diffusion findet auch keine freie Desorption von der Oberfläche statt, so dass man keine Aussagen über die Reversibilität des Prozesses treffen kann. Ebenso bleiben die adsorbierte Proteinmenge (hohe Wechselwirkungskraft = große Menge?) und der Bedeckungsgrad unklar. Die SFM-Studien sind deshalb durch andere Messungen zu unterstützen.


<h2>Dynamische Kontaktwinkelanalyse</h2>
Freie Diffusion sowie freiwillige Ad- und Desorption kann man beispielsweise mit der dynamischen Kontaktwinkelanalyse (DCA) nach Wilhelmy untersuchen (Abbildung 4). Die beim Ein- und Austauchen gemessene Hysterese ist dabei um so größer, je inhomogener das Substrat ist. Sowohl Topographie als auch unterschiedliche hydrophile und hydrophobe Bereiche erzeugen diese Inhomogenität.5
Wird die Messung in Proteinlösung durchgeführt, kann man in situ die Änderung der Hysterese bei Adsorption beobachten, wobei sich die Hysterese meist verringert. Für BSA auf Gold zeigte der Vergleich mit Schwingquarzmessungen, dass die Verkleinerung der Hysterese proportional zur adsorbierten Proteinmasse ist.6
Auf hydrophilen Substraten geht hohe Coulombanziehung und damit Adhäsionskraft auch mit einer hohen adsorbierten Proteinmenge einher, wie der Vergleich von DCA- und SFM-Messungen zeigt. Auf hydrophoben Substraten, bei denen trotz Coulombabstoßung große Adhäsionskräfte gemessen wurden, ist die Menge adsorbierten Proteins erwartungsgemäß gering. Die Menge des adsorbierten Proteins wurde auch mit weiteren Methoden bestätigt, so dass zumindest für BSA gilt, dass auf hydrophobem PTFE zwar nur wenig Protein adsorbiert, dieses jedoch denaturiert und dadurch stark haftet. Diese Denaturierung sollte auch mit einer geringen Reversibilität der Adsorption, also einer geringen Desorption einhergehen. Auch dies ist mit der DCA nach vollständiger Adsorption in reinem Puffer zu verfolgen. Nur wenn alle gemessenen Größen (Fortschreit- und Rückzugswinkel ebenso wie die Hysterese zwischen beiden) auf die Werte vor der Adsorption zurückgehen, ist die Desorption vollständig. In der Tat findet man, dass BSA auf hydrophoben Substraten wenig reversibel adhäriert. Interessanterweise haben wir bislang kein Substrat gefunden, das vollständige Desorption des Proteins zeigt. Zahnschmelz zeigt dabei die höchste Reversibilität aller untersuchten Materialien (Zahnschmelz, Keramik, dentales Gold, dentales Titan, Polymethylmethacrylat, PMMA, sowie PTFE, Abbildung 3).


<h2>Protein-Protein-Wechselwirkungen</h2>
Die genannten Untersuchungen klammern die in der Realität sehr wichtigen Protein-Protein-Wechselwirkungen aus. In laufenden Untersuchungen werden deshalb beispielsweise kraftspektroskopische Messungen mit dem SFM an Substraten durchgeführt, auf denen eine Proteinsorte voradsorbiert ist. Dazu muss sicher sein, dass die Kraft-Abstands-Kurven auf proteinbedecktem Substrat gemessen werden, das heißt, man muss möglichst eine vollständige Bedeckung mit mindestens einer Monolage Protein erreichen.
Es ist alles andere als trivial, eine solche Monolagenbedeckung zweifelsfrei nachzuweisen. Bei glatten Substraten ist dabei die erste Wahl eine Abbildung der Proteinschichten mit dem SFM oder dem Elektronenmikroskop. Anhand solcher ist auch die Morphologie des Films zu bestimmen. Allerdings zerstören SFM-Messungen im Kontaktmodus häufig die Schicht, man sollte also den dynamischen Modus wählen.
Bei sehr rauen Substraten gelingt es oft nicht, proteinbedeckte und nicht bedeckte Flächen sicher zu unterscheiden. Hilfreich ist dabei, zusätzliche Messgrößen wie die Phase oder Amplituden höherer Harmonischer für die Kontrastbildung zu wählen.
Auch die Fluoreszenzmikroskopie bildet Proteinschichten ab, wenn das Protein eigenfluoreszierende Aminosäuren wie Tryptophan, Tyrosin oder Phenylalanin enthält und das Substrat selbst nicht fluoresziert. Letzteres ist beispielsweise bei Zahnschmelz der Fall. Man kann auch Proteine mit Fluoreszenzmarkern versehen, allerdings ist deren Einfluss auf die Schichtbildung unbekannt. Prinzipiell erhält man aber nur mit konfokalen Mikroskopen und relativ glatten Substraten Abbildungen, die auch kleinere Fehlstellen zeigen.
Bei leitfähigen Substraten kann auch über XPS bestimmt werden, ob Proteinschichten geschlossen sind oder noch Substratoberfläche frei ist.7 Die Informationstiefe von XPS beträgt nur wenige 10 nm, so dass ein fehlendes Substratsignal auf eine geschlossene Schicht hindeutet. Allerdings ist XPS nur im Prozentbereich sensitiv. Das Fehlen einzelner Proteine kann also auch XPS nicht erkennen.
SIMS mit Flugzeitdetektion (ToF-SIMS) ist empfindlicher als XPS. Über multivariate Datenauswertungsmethoden lassen sich hier sogar verschiedene adsorbierte Proteine unterscheiden, sofern bekannt ist, welche prinzipiell vorliegen können. Obwohl SIMS eine nichtquantitative Methode ist, gelingt es bei Proteinfilmen, bei Verfolgung des Substratsignals die Bedeckung zu bestimmen.7 Solche Untersuchungen sind allerdings immer noch im Entwicklungsstadium und auf Modellsysteme beschränkt.
Bei XPS und SIMS kommt hinzu, dass die Methoden nur im Ultrahochvakuum (UHV) funktionieren. Deshalb wurden vergleichende IR-spektroskopische Studien begonnen, bei denen die Anteile von α-Helices und β-Faltblättern in wässriger Umgebung ebenso bestimmt werden können wie an Luft und im UHV. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich Proteine wie BSA und Lysozym zwar im UHV verändern, sie sich aber unter Feuchte wieder regenerieren. Daher ist in erster Näherung davon auszugehen, dass die Bedeckung richtig bestimmt wird.
Die Menge an adsorbiertem Protein kann auch über die Bestimmung der mittleren Schichtdicke ermittelt werden, etwa mit Ellipsometrie3 oder indirekt nach Ablösung vom Substrat in Lösung über radioaktive Markierung oder über biochemische Methoden wie Elisa (Enzyme Linked Immunosorbent Assay) oder BCA (Bicinchoninsäure-Assay). Dabei besteht allerdings die Unsicherheit, dass auf dem Substrat nicht abgelöstes Protein verbleibt. Es gibt in jüngster Zeit vermehrte Hinweise, dass selbst klassische Lösungsmittel wie SDS (Natriumdodecylsulfat) Proteine nicht 100-prozentig ablösen.
Es ist schwierig, die Bedeckung eines Substrats mit Proteinen im Monolagenbereich zu bestimmen, und es gibt unserer Kenntnis nach keine Methode für alle Substrat-Protein-Kombinationen. Nach unseren bisherigen Untersuchungen ist selbst im Sättigungsbereich keine vollständige Proteinmonolage adsorbiert, wovon landläufig ausgegangen wird.
Führt man die Kraft-Abstands-Messungen zwischen einem Protein an der Spitze und einer voradsorbierten Proteinschicht durch, muss deshalb über Kombination mit anderen mikroskopischen Techniken gewährleistet sein, dass man auf einem proteinbedeckten Bereich misst. Auf einem solchen Bereich stellt sich das Gleichgewicht sehr viel langsamer ein, wahrscheinlich weil sich gleichzeitig die Konformation beider Proteinsorten ändert, sowohl der an der SFM-Spitze als auch der auf dem Substrat. Ist das Substrat mit BSA vorbedeckt, so sinken die Adhäsionskräfte zu weiterem BSA, Lysozym sowie Amylase um zirka eine Größenordnung gegenüber dem unbedeckten Substrat. Dieses Phänomen dient schon lange dazu, mit BSA beliebige Substrate gegenüber unspezifischer Adhäsion von Biomolekülen zu passivieren.


<h2>Ausblick</h2>
Die Kombination zahlreicher oberflächenanalytischer und anderer Methoden erzielt einen genaueren Einblick in die Wechselwirkungsprozesse zwischen Protein und Substrat. So ergaben sich insbesondere neue Erkenntnisse über anwendungsrelevante Größen wie die Proteinbedeckung und die Proteindesorption. Trotzdem sind weitere Methoden wie Summenfrequenzspektroskopie notwendig, um beispielsweise Konformationsänderungen nicht nur indirekt bestimmen zu können.
Außerdem sind weitere Proteine mit anderen Eigenschaften zu untersuchen, um Modelle mit Vorhersagekraft zu entwickeln. Dies ist nicht zuletzt ein Problem der Verfügbarkeit, da außer BSA und Lysozym nur wenige Proteine rein und darüber hinaus zu einem moderaten Preis erhältlich sind. Deshalb wird in Zukunft auch Modellierung solcher Wechselwirkungsprozesse mit Molekulardynamik-Simulationen eine größere Rolle spielen, wobei allerdings die Wechselwirkungszeit in der Regel nur im Bereich bis zu einigen zehn Nanosekunden gewählt werden kann. Außerdem sind diese Modellierungen derzeit auf kleine Proteine beschränkt.
Christiane Ziegler ist seit dem Jahr 2000 C4-Professorin für technische Physik der TU Kaiserslautern und seit 2002 zusätzlich wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Oberflächen- und Schichtanalytik (IFOS). Sie studierte Chemie an der Universität Tübingen und habilitierte sich dort 1996 in physikalischer Chemie. Im Mittelpunkt ihrer Forschung stehen Grenzflächen zwischen biologischen oder organischen Systemen und technischen Substraten. Schwerpunkte liegen in der Protein- und Biofilmbildung, Biosensorik sowie organische Elektronik und Spintronik. <a href="mailto:cz@physik.uni-kl.de">cz@physik.uni-kl.de</a> Christine Müller studierte Biophysik an der TU Kaiserslautern und promovierte 2010 in der Arbeitsgruppe von Christiane Ziegler. Dort leitet sie seit 2010 als Postdoc den biophysikalischen Bereich der Arbeitsgruppe. Sie untersucht vor allem die Zell- und Proteinwechselwirkung mit Oberflächen und verwendet dazu mehrere Methoden. Hierzu zählen die Rasterkraftmikroskopie und -spektroskopie, auch in Kombination mit optischer Mikroskopie, sowie die dynamische Kontaktwinkelanalyse.


<h2>QUERGELESEN</h2>
Bei der Untersuchung von Proteinadsorbaten versucht man herauszufinden, wie die Proteine mit dem Substrat und untereinander wechselwirken.
Informationen über das Substrat liefern Augerelektronenspektroskopie (AES), Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS), Sekundärionenmassenspektrometrie (SIMS) und Zetapotenzialmessungen.
XPS und SIMS liefern Informationen über den Bedeckungsgrad. Die Menge an adsorbiertem Protein lässt sich auch über Fluoreszenzmikroskopie oder Ellipsometrie bestimmen.
Rasterkraftmikroskopie gibt Hinweise auf die Adhäsionskraft, dynamische Kontaktwinkelanalyse auf Ad- und Desorptionsprozesse.



<ul>
<li>
1 

G. Jackler. Untersuchung der Struktur von Proteinadsorbaten an festen und fluiden Grenzflächen. Dissertation Uni Dortmund, 2003.
</li>
<li>
2 

 
C. Hannig, 
M. Hannig, 
<source>Clinical Oral Investigations 
(2009), 
13, 
123.
</li>
<li>
3 

 
M. Belion, 
L. Santen, 
H. Mantz et. al., 
<source>Journal of Physics: Condensed Matter 
(2008), 
20, 
404226.
</li>
<li>
4 


C. Müller, 
A. Lüders, 
W. Hoth-Hannig, 
M. Hannig, 
C. Ziegler, 
<source>Langmuir, 
2010, 
26, 
(<issue>6</issue>), 
4136.
</li>
<li>
5 

 
F. Rupp, 
L. Scheideler, 
J. Geis-Gerstorfer, 
<source>Chemie Ingenieur Technik 
(2011), 
12, 
1629.
</li>
<li>
6 

 
H. Stadler, 
M. Mondon, 
C. Ziegler, 
<source>Analytical Bioanalytical Chemistry 
(2003), 
375, 
375.
</li>
<li>
7 

 
M. Wilhelmi, 
C. Müller, 
C. Ziegler, 
M. Kopnarski, 
<source>Analytical Bioanalytical Chemistry 
(2011), 
400, 
697.
</li>
</ul>

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Die deutsche Rohstoffstrategie — eine Zwischenbilanz

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