Industrie + Technik

<p>Das deutsch-kanadische Unternehmen Rock Tech Lithium kooperiert mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht und dem Unternehmen Circulor, das Lieferketten verfolgt. Rock Tech Lithium plant in Brandenburg die erste europäische Lithiumfabrik. Diese soll CO<sub>2</sub>-Neutralität und einen geschlossenen Materialkreislauf für Lithium und Nebenprodukte anstreben. Im Jahr 2024 soll der Lithiumkonverter mit einer Produktionskapazität von 24 000 Jahrestonnen Lithiumhydroxid starten; die Menge reicht für etwa 500 000 Elektroautos mit Lithiumionenbatterien (Foto).</p><div position="anchor" content-type="graphic" xml:lang="en"><img position="anchor" id="jats-graphic-4" xlink:href="urn:x-wiley:18680054:media:nadc20224123746:nadc20224123746-gra-0002">

<p>Bild: xiaoliangge/ Adobe Stock</p></div><p></p>

Meldung

CO2-neutrales Lithium

Das deutsch-kanadische Unternehmen Rock Tech Lithium kooperiert mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht und dem Unternehmen Circulor, das Lieferketten verfolgt. Rock Tech Lithium plant in Brandenburg die erste europäische Lithiumfabrik. Diese soll CO2-Neut...

Schlaglicht: Glas

<p>Das Verfahren des Freiburger Start-ups Glassomer bietet neue M&ouml;glichkeiten, Quarzglas zu formen. Dabei sinkt zudem der Energiebedarf f&uuml;r die Glasherstellung.</p>
<p>Die einzigartige Kombination aus Transparenz, chemischer, thermischer und mechanischer Festigkeit macht Glas f&uuml;r Industrie und Forschung relevant: von allt&auml;glichen Dingen wie Fensterglas und Laborgl&auml;sern hin zu Optiken und Spezialanwendungen wie Mikrofluidik. Ein Blick in die Glaschemie zeigt: Glas ist nicht gleich Glas. Es gibt spezielles wie Halogenidgl&auml;ser, metallische Gl&auml;ser und Biogl&auml;ser, aber selbst die klassischen siliciumdioxidbasierten &ndash; die Silikatgl&auml;ser &ndash; sind sehr unterschiedlich.</p>
<p>Die bekanntesten Formen von Silikatglas sind Kalk-Natron-Glas (Fensterscheiben) und Borosilikatglas (Laborglas). Aus purem Siliciumdioxid l&auml;sst sich zudem Quarzglas herstellen, die reinste Silikatglasform.</p>
<p>Die Erfindung von Glassorten wie Kalk-Natron-Glas l&auml;sst sich darauf zur&uuml;ckf&uuml;hren, dass reines Siliciumdioxid schwierig zu schmelzen ist. Um es in der Schmelze zu halten und zu verarbeiten, sind Temperaturen von zirka 2000 &deg;C n&ouml;tig. Daher ging man dazu &uuml;ber, Alkaliionen einzubringen und so niederschmelzende Gl&auml;ser zu erhalten.</p>
<p>Reines Quarzglas hat allerdings einige technische Vorteile: Die hohe Reinheit verleiht ihm vor allem im optischen Bereich herausragende Eigenschaften, insbesondere eine hohe UV- und IR-Transparenz. Au&szlig;erdem dehnt es sich thermisch kaum, n&auml;mlich mit einem Ausdehnungskoeffizienten von nahezu Null. Daher l&auml;sst sich Quarzglas beispielsweise erhitzen und anschlie&szlig;end schnell abk&uuml;hlen, ohne zu rei&szlig;en. Auch chemisch ist Quarzglas extrem stabil und widersteht dem Angriff klassischer Laborchemikalien.</p>
<h2>Glas effizient formen</h2>
<p>Um Gl&auml;ser nutzen zu k&ouml;nnen, m&uuml;ssen sie f&uuml;r die jeweilige Anwendung in Form gebracht werden. Neben den weitl&auml;ufig bekannten Glasbl&auml;serverfahren etwa f&uuml;r Beh&auml;lter oder k&uuml;nstlerische Objekte gibt es speziellere Verfahren, die kleinen, technisch interessanten Glasbauteilen Form geben: Gl&auml;ser werden dazu auch heutzutage noch bis auf wenige Millimeter Gr&ouml;&szlig;e geschnitten, geschliffen und anschlie&szlig;end poliert.</p>
<p>&Auml;tzprozesse mit Flusss&auml;ure erzeugen noch feinere Strukturen im Mikrometerma&szlig;stab. Zudem lassen sich Gl&auml;ser nasschemisch herstellen: Der Sol-Gel-Prozess, der in der Mitte des 20. Jahrhunderts aufkam, war die letzte gro&szlig;e Innovation des Glasformens.</p>
<p>In neuerer Zeit wurde zudem das Pr&auml;zisionsglaspressen (precision glass molding, PGM) entwickelt, das Gl&auml;ser erweicht und in eine Form presst. F&uuml;r Quarzgl&auml;ser ist dieses Verfahren allerdings nur schwer anzuwenden, da es keine Formen gibt, die auf Dauer die hohen Temperaturen aushalten und gleichzeitig einfach mikrostrukturierbar sind.</p>
<h2>Lernen von der makromolekularen Chemie</h2>
<p>Kunststoffe sind im Gegensatz zu Gl&auml;sern einfach und schnell in Form zu bringen. Methoden wie Spritzguss, Thermoformen oder Hei&szlig;pr&auml;gen erm&ouml;glichen die Formgebung in wenigen Sekunden, oftmals bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen je nach Verfahren ab 200 &deg;C f&uuml;r g&auml;ngige Kunststoffe. Die Welten von Kunststoffen und Gl&auml;sern zu verkn&uuml;pfen hat sich Glassomer in Freiburg im Breisgau zur Aufgabe gemacht (<xref rid="nadc20224122436-fig-0001" ref-type="fig">Foto</xref> links).</p>
<figure><img src="https://media.graphassets.com/I8SObk3GTEiKnn81clZy" />
<figcaption><label>Abb. 1: </label>Bauteile wie Reflektoren (sechseckige Struktur), Diffusoren (rund) und Mikroslinsenarrays (quadratisch) lassen sich mit Spritzguss aus Glas herstellen. Fotos: Glassomer</figcaption>
</figure>
<p>Basierend auf den wissenschaftlichen Arbeiten von Frederik Kotz-Helmer und Bastian E. Rapp am Karlsruher Institut f&uuml;r Technologie und an der Universit&auml;t Freiburg wurde im Jahr 2018 Glassomer gegr&uuml;ndet. Das Start-up produziert weltweit einzigartige Materialien zur Glasherstellung. Diese bestehen aus einem feinem Glaspulver in einer organischen Bindermatrix. Die fl&uuml;ssigen oder festen Materialien nennt das Unternehmen &bdquo;Glassomere&ldquo;.</p>
<p>Fl&uuml;ssige Glassomere lassen sich &uuml;ber UV-Licht oder thermisch aush&auml;rten, also durch Abguss auf eine Form oder Methoden wie 3-D-Druck formen. Effizientes Dispergieren der Glasteilchen in der Matrix ist Grundlage f&uuml;r diese fl&uuml;ssigen, hochgef&uuml;llten Materialien, also Materialien mit hohem Feststoffanteil. Hier sind F&uuml;llgrade von bis zu 60 Volumenprozent Glaspartikel im Binder m&ouml;glich. Dieses Verdichten der Glaspartikel ist der Schl&uuml;ssel, um ein transparentes Material ohne Lufteinschl&uuml;sse zu erhalten. Das Unternehmen bietet diese Fl&uuml;ssigmaterialien f&uuml;r Abguss (Glassomer L50) und den 3-D- Druck (Glassomer-SL) auf verschiedenen Drucksystemen. Auch fertig gedruckte Glasbauteile sind auf Anfrage erh&auml;ltlich.</p>
<p>Die festen Glassomer-Materialien haben einen thermoplastischen Polymeranteil: Glaspartikel und feste Polymerphase werden vermischt, verknetet und zu einem Granulat extrudiert (<xref rid="nadc20224122436-fig-0002" ref-type="fig">Foto</xref> oben). Die Materialien lassen sich durch umformende Verfahren wie Spritzguss auf einer klassischen Polymer-Spritzgussmaschine bei 130 &deg;C formen. So entstehen feine und optische Glasstrukturen in wenigen Sekunden im industriellen Ma&szlig;stab. Einbringen verschiedener Ionen liefert zudem funktionelle Gl&auml;ser, etwa farbige oder phosphoreszierende Gl&auml;ser.</p>
<figure><img src="https://media.graphassets.com/q6EjoSBTKqHvoq8ONHrL" />
<figcaption><label>Abb. 2: </label>Der Glassomer-Prozess verarbeitet ein Granulat aus Glaspulver und organischer Bindermatrix (oben). Die Formen entstehen in Standardspritzgussmaschinen, der hohe Glaspartikelgehalt l&auml;sst das Material wei&szlig; erscheinen (links: mit Anguss, rechts: nach Angusstrennung); unten: hochreines, transparentes Quarzglas nach Entfernen der Bindermatrix.</figcaption>
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<h2>Ein Glas entsteht</h2>
<p>Die geformten Bauteile werden im Ofen zu Glas umgesetzt. Dabei ist der Sinterprozess vorteilhaft. Dadurch m&uuml;ssen die Materialien nicht geschmolzen werden, sie behalten ihre Form, und der Prozessschritt ben&ouml;tigt wesentlich weniger Energie: So l&auml;sst sich ein hochreines Quarzglas bei 1300 &deg;C herstellen statt bei 2000 &deg;C im konventionellen Schmelzprozess.</p>
<p>Aufgrund der geringen thermischen Ausdehnung muss nicht auf kontrolliertes Abk&uuml;hlen geachtet werden &ndash; die Bauteile k&ouml;nnen schnell gek&uuml;hlt und dem Ofen entnommen werden.</p>
<p>Die so erhaltenen Gl&auml;ser sind hochtransparent mit Transmissionen von mehr als 92 Prozent zwischen 300 nm und 1000 nm sowie 84 Prozent bei 200 nm. Im IR-Bereich liegt die Transmission bei &uuml;ber 90 Prozent zwischen 1000 nm und 3400 nm. Alle Herstellprozesse sind international patentiert.</p>
<h2>Neue M&ouml;glichkeiten f&uuml;r Chemie</h2>
<p>Mit dem Glassomer-Prozess lassen sich klassische Laborgl&auml;ser wie K&uuml;vetten herstellen. Aber die Strukturierung auf der Mikro- und Nanoebene erm&ouml;glicht neue Wege. Bei der Miniaturisierung chemischer Synthesen wird Glas mitentscheidend sein. Denn die Herstellung mikrofluidischer Systeme in Kunststoffen ist zwar m&ouml;glich; diese sind aber f&uuml;r die harschen Bedingungen chemischer Synthesen oft ungeeignet. Mit Glas lie&szlig;en sich auch diese k&uuml;nftig im Briefkastenformat durchf&uuml;hren. Glassomer stellt daf&uuml;r Glas-Chips her, f&uuml;r die das Jenaer Unternehmen Microfluidic Chipshop komplexe mikrofluidische Designs entwirft und zu Testzwecken Prototypen fertigt (<xref rid="nadc20224122436-fig-0003" ref-type="fig">Foto</xref> S. 37 unten).</p>
<figure><img src="https://media.graphassets.com/eI58RCIRlimJ74A9PBXi" />
<figcaption><label>Abb. 3: </label>Mikrofluidischer Reaktor aus Quarzglas, &uuml;ber Spritzguss hergestellt mit Chipdesign von Microfluidic Chipshop in Jena.</figcaption>
</figure>
<p>In der Optik sind vor allem fein strukturierte Gl&auml;ser wie diffraktive Strukturen interessant. Durch die Modulation von Licht auf Basis von Diffraktion statt Refraktion lassen sich d&uuml;nnere Linsenstrukturen als gew&ouml;hnlich verwirklichen &ndash; aus Kunststoff sind diese Strukturen allerdings empfindlich. Mit Glassomer lassen sich solche Mikrostrukturen in Glas pr&auml;zise und mit h&ouml;herer mechanischer Stabilit&auml;t herstellen.</p>
<p>Weitere Anwendungen bieten Medizin- und Verpackungstechnik. Konventionelle Gl&auml;ser etwa setzen langfristig Ionen frei (Leaching). Dies ist insbesondere f&uuml;r empfindliche medizinische Proben problematisch.</p>
<p>Zudem lassen sich vollst&auml;ndig assemblierte Baugruppen aus Glas herstellen. So entstehen beispielsweise Photonik-Glasfaserkomponenten wie Halterungen und Linsen in einem St&uuml;ck.</p>
<p>Glassomer baut zurzeit eine Fertigung unweit von Freiburg und erweitert damit die Produktionskapazit&auml;ten. Dort sollen pr&auml;zise Glasbauteile im industriellen Ma&szlig;stab entstehen.</p>
<h2>Die Autorin</h2>
<p>Dorothea Helmer, promovierte Chemikerin, ist Mitgr&uuml;nderin und CEO des Unternehmens Glassomer in Freiburg. F&uuml;r die Erfindung der Technik erhielten die Firma und die Gr&uuml;nder etwa den Lothar-Sp&auml;th-Award 2021, den Freiburger Innovationspreis 2019 und den Preis &bdquo;MIT Technology Review Innovators under 35&ldquo;. <a href="mailto:dorothea.helmer@glassomer.com">dorothea.helmer@glassomer.com</a></p>
<div><img src="https://media.graphassets.com/CMCek2GzS0m9TT8llHQv" /></div>
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