Gesellschaft Deutscher Chemiker

Chemiedidaktik

Anodenmaterial für Lithiumionenakkus untersuchen

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2022, S. 30-33, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Batterien auf Lithiumionenbasis mit Graphitanoden sind die meistverwendeten Energiespeicher für Tablets, Smartphones oder Elektroautos. Eisensulfid als Anodenmaterial könnte leistungsstärkere Akkus liefern. Diese lassen sich auch im Chemieunterricht und im Hochschulpraktikum darstellen und experimentell untersuchen.

In Lithiumionenakkumulatoren mit Graphit als Anodenmaterial lagern sich die Lithiumionen in das Graphit der Anode ein. Derzeit sind sie die am häufigsten verwendeten Akkumulatorsysteme – nicht nur für elektronische Geräte wie Smartphones, Notebooks oder Tablets, sondern auch für Elektro- und Hybridfahrzeuge und sogar als Speicher für Strom aus Wind- und Solaranlagen.

Allerdings ist die Leistungsfähigkeit der heutigen Lithiumionenakkumulatoren für die Elektromobilität noch nicht ausreichend. Ziel in Forschung und Anwendungsentwicklung ist es, für den Automobilsektor leistungsfähigere Systeme zu entwickeln oder Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzellen als Alternative.

Alternativen zum herkömmlichen Lithiumionenakku zeigen die Wissenschaftler um Martin Winter und Bruno Scrosati in „Lithium-Ionen-Technologie und was danach kommen könnte“1) beziehungsweise „Lithium-ion batteries. A look into the future“2). Eine Möglichkeit wäre der Lithiumsauerstoffakkumulator, der um ein Zehnfaches leistungsfähiger wäre, eine andere wären Lithiumionenakkus mit besseren Anodenmaterialien als Graphit.

Anoden und Interkalation

Während das maximal erreichbare Atomverhältnis bei Graphit LiC6 ist, lassen sich mit Zinn oder Silicium die höheren Atomverhältnisse Li22Sn5 sowie Li22Si5 erreichen. Allerdings liegt die Volumenausdehnung der Anodenmaterialien nach der Interkalation bei 200 bis 300 Prozent, was für eine technische Anwendung nicht tolerabel ist. Nanoskalierung der wirksamen Komponenten soll die Volumenausdehnung der Elektrode minimieren. Dabei werden die Nanopartikel in eine poröse Matrix eingebracht, sodass sich bei der Ausdehnung der Nanopartikel lediglich die Poren der Matrix schließen, die Elektrode aber ihre Form behält.1) Oetken und Team haben bereits über Modellversuche zu einer Lithiumionenbatterie mit einer Zinnanode berichtet.3)

Als Elektrodenmaterial eignet sich auch Eisen(II)sulfid. Jansen und Mitarbeiter haben mit der Niedertemperatur-Zinkschwefelbatterie elementaren Schwefel am Eisensulfid zu Sulfidionen reduziert.4) Allerdings oxidieren in elektrochemischen Systemen Sulfidionen leicht zu Polysulfidionen.5) Das zeigte sich auch an einer Redoxflussbatterie mit dem Redoxpaar Cer(IV)/Natriumsulfid.6)

Eisen(II)sulfid nimmt als Anodenmaterial Lithiumionen auf. Der Lade- und Entladevorgang einer Eisen(II)sulfidelektrode geschieht reversibel nach: FeS + 2Li+ + 2e 1 2Li+ + S2– + Fe2+ Allerdings vergrößert sich auch hier durch Interkalation das Volumen, und zwar um bis zu 100 Prozent. Ein poröses Elektrodenmaterial, in das FeS-Nanopartikel eingebettet werden, soll verhindern, dass das Volumen der Elektrode zunimmt.7,8)

Im Chemieunterricht in der Schule lässt sich das Thema Speicherung elektrischer Energie an Eisensulfidelektroden für Lithiumionenakkus erarbeiten. Dazu gibt es einfache Versuche, mit denen Schüler und Schülerinnen untersuchen können, wie sich das Anodenmaterial im Betrieb verhält, und sie können so aktuelle Forschungsthemen und -probleme nachvollziehen.

Die elektrochemische Zelle als Versuchsaufbau

Für Experimente mit Eisensulfid als Anodenmaterial wurde die Dual-Lithiumionenbatterie nach Oetken gewählt. Beim Laden lagern sich die Perchlorationen des Elektrolyten in das Material einer Graphitfolie ein.9) Als Anodenmaterial dient Eisen(II)sulfid in Form einer sieben bis acht Zentimeter langen Eisensulfidstange (zum Beispiel von Sigma Aldrich). In diese wird am oberen Ende mittig ein Loch gekratzt, um eine Krokodilklemme leichter befestigen zu können. Es eignet sich ebenso ein Stück kristallines Eisensulfid.

Die Elektrolytlösung besteht aus 40 mL Propylencarbonat und 60 mL Dimethylcarbonat, in der 10 g wasserfreies Lithiumperchlorat gelöst ist. Ein Stück Graphitfolie (etwa 36 cm2, zum Beispiel von Conrad Electronic) dient als Kathode und wurde an die Wand eines 250-mL-Becherglases geschmiegt, um eine möglichst große Elektrodenoberfläche zu erhalten (Abbildung 1). Um die Anordnung zu laden, ist eine Niederspannungsquelle erforderlich; um Spannung, Stromstärke und Elektrodenpotenzial zu messen, werden Multimeter, Verbraucher und Kabelmaterial benötigt sowie für die Potenzialmessung eine Silber/Silberchlorid-Elektrode.

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Versuchsaufbau eines Lithiumionenakkus mit Eisen(II)sulfidelektrode.

Laden und Leistung mit der Eisensulfidanode

Zunächst wird mit dem beschriebenen Aufbau ein Stück kristallines Eisensulfid als Anodenmaterial verwendet. Die Batterie wird fünf Minuten bei 6 V geladen.

Nach dem Aufladen ist eine Ruheklemmenspannung von etwa 3,5 V messbar. Anschließend wird ein Motor mit einer Stromaufnahme von 50 mA in den Stromkreis geschaltet. Der Propeller des Motors dreht sich bei einer Stromaufnahme von 40 mA zunächst schnell, dann bei abfallender Stromstärke etwa zehn Minuten lang (Abbildung 2).

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Verlauf von Spannung und Stromstärke eines Lithiumionenakkus mit Eisen(II)sulfid als Elektrodenmaterial

Durch Eisen(II)sulfid als Elektrodenmaterial war die Ruheklemmenspannung mit 3,6 V nach dem Laden besonders hoch – die Zellspannung eines Lithium-Ionen-Akkus wird mit 3,5 V angegeben.

Durch Einschalten eines Motors wird die Zelle in Betrieb genommen. Dieser Stromfluss lässt vermuten, dass Ionen in die Anode interkaliert sein müssen.

Es war ebenfalls zu beobachten, dass die Spannung mit Betrieb des Motors kontinuierlich abnahm.

Das Potenzial der Elektroden messen

Um herauszufinden, ob die Eisensulfidelektrode für diesen Spannungsabfall verantwortlich ist, soll der Versuch im nächsten Schritt um eine Potenzialmessung beider Elektroden ergänzt werden.

Um das Potenzial der Elektroden zu messen, ist eine Silber/Silberchlorid-Elektrode erforderlich, die aus einem Silberdraht nach Literaturanweisung10) selbst hergestellt werden kann. Die Silber/Silberchlorid-Elektrode in einmolarer Kaliumchloridlösung hat ein Potenzial von +0,234 V gegen die Normal-Wasserstoffelektrode, entsprechend sind die Werte umzurechnen.

Für den Versuch dürfen keine Wassermoleküle über die Ionenbrücke aus der wässrigen Kaliumchloridlösung in das organische Lösungsmittel diffundieren. Daher wird zwischen der Potenzialmesshalbzelle und der Hauptzelle ein kleineres Becherglas mit der organischen Elektrolytlösung zwischengeschaltet. Die Lösung in diesem Becherglas wird dann zwar mit Wasser verunreinigt, verhindert aber, dass Wasser in die Elektrolytlösung mit den Elektroden gerät.

Für die Ionenbrücken werden zunächst zwei Filterpapierstücke mit der organischen Carbonatlösung aus Dimethylcarbonat und Propylencarbonat getränkt. Die erste Ionenbrücke wird mit dem einen Ende in das Becherglas mit der Silber/Silberchlorid-Elektrode in die Kaliumchloridlösung getaucht und mit dem anderen Ende in ein weiteres Becherglas mit etwa 20 mL organischer Carbonatlösung. Die zweite Ionenbrücke geht vom kleineren Becherglas in das Becherglas mit der Hauptzelle.

Den Versuchsaufbau sowie die Schaltung der Multimeter zeigt Abbildung 3. Die Versuchsanordnung wird fünf Minuten bei etwa 5,8 V geladen. Nach dem Aufladen werden fünf Minuten lang die Ruheklemmenspannung und die Ruhepotenziale gemessen. Anschließend wird ein Elektromotor mit einer Stromaufnahme von 25 mA in den Stromkreis geschaltet.

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Versuchsaufbau des Lithiumionenakkus aus Abbildung 1 mit Potenzialmessung beider Elektroden.

Das Ruhepotenzial der Lithium/Eisensulfidelektrode beträgt nach fünf Minuten –1,761 V gegen NHE und das der Perchlorat/Graphitfolienelektrode +1,684 V gegen NHE. Durch Belasten mit einem Elektromotor steigt zunächst das Potenzial der Lithium/Eisensulfidelektroden und bleibt dann während der Messung konstant. Nach etwa sieben Minuten fällt das Potenzial Perchlorat/Graphitfolie stark ab und ist somit für den Spannungsabfall der gesamten Zelle verantwortlich (Abbildung 4). Die Lithium/Eisensulfidelektrode erweist sich somit als Elektrode mit relativ konstantem Potenzial und eignet sich daher als Elektrodenmaterial.

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Verlauf von Spannung, Stromstärke und Potenzial eines Lithiumionenakkus mit Eisen(II)sulfid als Elektrodenmaterial.

Lithium an Eisensulfid: Vorgänge bei höherer Ladespannung

Durch höhere Ladespannung des Lithiumionenakkus mit Eisensulfid als Anode sollten die Versuchsergebnisse noch besser werden. Allerdings scheidet sich dann Lithium an der Eisensulfidelektrode ab. Dazu gibt es ebenfalls einen Versuch:

Die Versuchsanordnung aus dem zweiten Versuch wird nun bei 9 V aufgeladen. Wenn man nun die Eisensulfidelektrode aus dem Becherglas herausnimmt, ist ein silbergrauer Belag zu erkennen (Abbildung 5).

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Lithiumabscheidung an einer Eisensulfidelektrode.

Bei allen drei Versuchen ist es möglich, dass sich bei der Interkalation von Lithiumionen das Volumen der Matrix vergrößert. Dadurch kann die Eisensulfidelektrode aufgrund der inneren Spannungen plötzlich zerbröseln. Dies zeigt den Schülerinnen und Schülern die Problematik der Volumenerweiterung, ist im Versuch aber ungefährlich (Abbildung 6).

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Durch Interkalation zerstörte Eisensulfidelektrode.

Die Autorin

Diesen Beitrag hat Dominique Rosenberg verfasst. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitskreis der Chemiedidaktik der Universität Flensburg. Sie hat den Bachelor in Vermittlungswissenschaften und den Master of Education in Chemie sowie Wirtschaft und Politik. Im Jahr 2017 hat sie über Redoxflussbatterien promoviert.

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AUF EINEN BLICK

Mit Becherglas und Graphitfolie können Schülerinnen und Schüler im Chemieunterricht Eisen(II)sulfid als Anodenmaterial für Lithiumionenakkus untersuchen.

Dabei zeigt sich die Volumenausweitung und die damit verbundene Zerstörung der Elektrode als Problem, für das die elektrochemische Forschung zurzeit Lösungen sucht.

Mit höherer Ladespannung lässt sich Lithiumabscheidung an der Elektrode demonstrieren.

Die Autorin dankt Walter Jansen für die fachlichen Diskussionen.

  • 1 P. Bieker, M. Winter, Chem. Unserer Zeit 2015 50, 172–186
  • 2 B. Scrosati, J. Hassoun, Y.-K- Sun, Energy Environ. Sci 2011., 4, 3287–3295
  • 3 M. Klaus, M. Oetken, Nachr. Chem. 2016, 64, 995–998.
  • 4 H. Helms, J. Ristau, H. Kunz, W. Jansen, Monatshefte für Chemie 2000, 131, 165–174
  • 5 F. Thiemann, R. Peper, H. Fickenfrerichs, H. Kunz,W. Jansen, Monatshefte für Chemie 2001, 132, 259–265
  • 6 D. Rosenberg, M. Busker, W. Jansen, Nachr. Chem. 2019, 67(11), 10–13
  • 7 L. Fei, Q. Lin, B. Yuan et al., ACS Appl. Mater. Interfaces 2013, 5, 5330–5335
  • 8 B. Wu, H. Song, J. Zhou, x. Chen, Chem. Commun. 2011, 47, 8653–8655
  • 9 M. Hasselmann, M. Oetken, CHEMKON 2011, 18/4, 160–172
  • 10 W. Jansen, M. Kenn, B. Flintjer, R. Peper, Elektrochemie, Auli-Verlag, Köln 1994

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