Wissenschaft & Forschung

Biowissenschaften<h2>Schmerzmittel ohne Nebenwirkung</h2>Ein internationales Forscherteam hat ein Opiat ohne Nebenwirkungen entwickelt. In Modellversuchen lindert PZM21 Schmerzen genauso effektiv wie Morphin, Atemstillstand und Abhängigkeit bleiben jedoch aus. PZM21 aktiviert G-Proteine, die mit dem μ-Opioidrezeptor wechselwirken, dem wichtigsten Angriffspunkt für Opiate. Da der Wirkstoff das Signalmolekül beta-Arrestin nicht aktiviert, bleiben opioidtypische Nebenwirkungen aus. HMA. Manglik, H. Lin, D. K. Aryal et al., Nature 2016, 537, 185, doi: 10.1038/nature19112<h2>Cannabinoidrezeptor fördert Schwangerschaft</h2>Cannabinoidrezeptoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Befruchtung, wie Bochumer und Bonner Wissenschaftler entdeckten. Der aktive Cannabinoidrezeptor GPR18 leitet die Verschmelzung des Spermiums mit der Eizellenmembran ein. Sowohl der pflanzliche Cannabis-Wirkstoff THC als auch die körpereigene Fettsäure NAgly aktivieren den Rezeptor. HMC. Flegel, F. Vogel, A. Hofreuter et al., Scientific Reports 2016, doi: 10.1038/srep32255<h2>Sonnenschutz für Pflanzen</h2>Forscher des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie entdeckten eine neue Untergruppe der Flavonole, die Saiginole. Flavonole zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen, die in der Pflanze überlebenswichtige Funktionen übernehmen. Saiginole absorbieren UV-B-Strahlung und schützen so die Pflanze vor einem Teil der Sonneneinstrahlung. Saiginol leitet sich von dem japanischen Wort saigiru ab, das für Unterbrechung oder Blockierung steht, und der typischen Endung „nol“ für die Stoffgruppe der Flavonole. HMT. Tohge, R. Wendenburg, H. Ishihara et al., Nat. Commun. 2016, doi: 10.1038/ncomms12399<h2>Oxidiertes Fett als Entzündungshemmer</h2>Manche oxidierte Fettsäuren wirken entzündungshemmend, wie Wissenschaftler der ETH Zürich bewiesen haben. Im Gegensatz zur Lehrmeinung entstehen bei der Oxidation von Fettsäuren Produkte, die Entzündungen hemmen. Die Wissenschaftler synthetisierten eine Variante des Epoxyisoprostans EC, das Entzündungen 50-fach stärker hemmt als das körpereigene Lipid. HM<a href="http://t1p.de/ro99" target="_blank">http://t1p.de/ro99</a><h2>Das Ribosom als Qualitätskontrolleur</h2>Nach der Synthese von Proteinen entlässt das Ribosom die Eiweiße nicht direkt in das Cytosol. Es hält sie so lange fest, bis Helferproteine, die Chaperone, passende Gegenstücke liefern und sich die Proteine zu einem funktionstüchtigen Makromolekül verbinden. Dies entschlüsselten Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Göttingen am Beispiel des Spleißosoms. HME. Paknia, A. Chari, H. Stark, U. Fischer, Cell Reports 2016, doi: 10.1016/j.celrep.2016.08.047<h2>Proteinbildung in der Zelle</h2>Göttinger Wissenschaftler haben entschlüsselt, wie unterschiedliche Systeme, die Proteine herstellen, zusammenarbeiten, obwohl sie an verschiedenen Orten sitzen. Das Ribosom im Mitochondrium bildet einen Teil eines Proteins, während das Plasma ein anderes Protein produziert. Erst wenn dieses Protein in das Mitochondrium kommt, stellt das Ribosom das dort produzierte Protein fertig. So entsteht im Mitochondrium kein Überschuss an diesem Protein. SBR. Richter-Denerlei, S. Oeljeklaus, I. Lorenzi et al., Cell 2016, doi: 10.1016/j.cell.2016.09.003Helene Märzhäuser, Sarah Bernhardt,Frankfurt am Main

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Biowissenschaften kurz notiert

BiowissenschaftenSchmerzmittel ohne NebenwirkungEin internationales Forscherteam hat ein Opiat ohne Nebenwirkungen entwickelt. In Modellversuchen lindert PZM21 Schmerzen genauso effektiv wie Morphin, Atemstillstand und Abhängigkeit bleiben jedoch aus. PZM21 aktiviert G-Proteine, die mit dem μ-Opi...

Energien und Emissionsrichtungen mehrerer Fragmente aus einem Molekülaufbruch geben Hinweise auf die Molekülstruktur. Nun ist es gelungen, mit diesem Ansatz die Enantiomere einiger Moleküle zu unterscheiden.
Die erfolgreichste Methode, um Molekülstrukturen sichtbar zu machen, ist nach wie vor die Röntgenbeugung – allerdings sind hierzu (mikro-)kristalline Proben notwendig. Rastertunnelmikroskopie bildet einzelne molekulare Strukturen direkt ab; die Darstellung bleibt jedoch zweidimensional, da die Mikroskopspitze nur eine Oberfläche abtastet. Wie wäre es also, Moleküle so aufzublasen, dass sich die Bestandteile mit makroskopischen Detektoren messen lassen?Das ist die Idee des Coulomb-Explosion-Imaging (CEI) – Vergrößerung durch Explosion. Wie der Name andeutet, ist es die Coulomb-Wechselwirkung, welche die Abstoßung der Atomrümpfe bewirkt, sobald Bindungselektronen fehlen. Wenn ein Experimentator Masse, Flugrichtung und Geschwindigkeit der Fragmente aus einer solchen molekularen Explosion misst, kann er daraus auf die Molekülstruktur schließen.Dafür muss die Explosion so schnell ablaufen, dass die Bruchstücke zumindest annähernd in die Richtung fliegen, die ihrer Position im Molekül entspricht. Das passiert dann, wenn mehrere Bindungselektronen in einem Zeitraum entfernt werden, der kurz ist im Vergleich zu Vibrations- und Rotationsperioden, die mitunter nur wenige Femtosekunden dauern. Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine solche Mehrfachionisation in Bruchteilen dieser Zeitspanne zu induzieren: durch intensive Kurzpulslaser, Röntgenanregung atomarer Innerschalen und darauffolgende Relaxationsprozesse, etwa Auger-Zerfälle, oder die Passage von beschleunigten Molekülionen durch extrem dünne Stripping-Folien. Mit dem letztgenannten Ansatz haben Wissenschaftler am Weizmann-Institut in Israel und am Argonne National Laboratory in den USA in den 1970er und 1980er Jahren erstmals Bindungsabstände und -winkel einfacher molekularer Ionen bestimmt.1)<h2>Messprinzip</h2>Die meisten heutigen Experimente zum Coulomb-Explosion-Imaging lassen sich als erweiterte Flugzeitmassenspektrometrie auffassen. Dieser Ansatz ist in erster Linie unter den Bezeichnungen Coltrims (cold target recoil ion momentum spectroscopy) oder Reaktionsmikroskopie bekannt.2,3) Federführend bei seiner Entstehung waren Arbeitsgruppen der Universität Frankfurt und des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg sowie Gruppen an der Kansas State University, USA, und am Ganil in Caen, Frankreich. Diese und parallel entwickelte, verwandte Techniken sind mittlerweile in vielen Laboren weltweit im Einsatz. Wie bei konventionellen Verfahren der Flugzeitmassenspektrometrie dient die Flugzeit in einem elektrostatischen Feld dazu, das Masse-Ladungs-Verhältnis eines Fragments zu bestimmen. Da Bindungselektronen entfernt wurden, handelt es sich bei den Bruchstücken der Coulomb-Explosion stets um Kationen.Das Prinzip der Flugzeitmessung ist bei der Coulomb-Explosion allerdings erweitert: Elektrisches Feld und Spektrometergeometrie sind so konzipiert, dass die Anfangsgeschwindigkeit des Fragments entlang der Spektrometerachse die Flugzeit messbar ändert (Abbildung 1). Wie beim Wurf eines Balls im Schwerefeld der Erde überlagern sich die Anfangsgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit, die das Fragment im elektrischen Feld des Spektrometers aufnimmt. Folglich kommt ein Fragment, das in Richtung des Detektors startet, früher an als eins, das in die entgegengesetzte Richtung emittiert wird. Aus dieser Differenz lässt sich der Impuls entlang der Spektrometerachse bestimmen.<figure><img src="https://media.graphcms.com/aOKYLJVJSvKuZIhIp4sC"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Prinzip der Impulsmessung: Das Molekül explodiert zum Zeitpunkt t0. Die Anfangsgeschwindigkeit der Fragmente überlagert sich mit der Bewegung im elektrischen Feld des Spektrometers (angedeutet durch aufgeschnittene Spektrometerplatten). Ein Ion, das in Richtung des Detektors gestartet ist, wird früher dort auftreffen (t1) als eines, das in die entgegengesetzte Richtung gestartet ist (t2).</figcaption></figure>
Die Detektoren registrieren nicht nur die Dauer, sondern auch den Auftreffort der Fragmente. Zusammen mit der Flugzeit lässt sich daraus die Geschwindigkeit in den zwei Raumrichtungen senkrecht zur Spektrometerachse bestimmen – insgesamt also alle drei Komponenten des Impulsvektors.3) Mehrere Fragmente eines Moleküls werden in Koinzidenz gemessen. Das bedeutet, die Moleküldichte so zu wählen, dass pro ionisierendem Puls maximal ein Molekül fragmentiert und gemessen wird. So stammen die detektierten Fragmente aus demselben Molekül. Die relative Orientierung der Fragmentimpulse liefert somit ein Abbild der ursprünglichen Struktur. Viele aufeinander folgende Ereignisse (events) füllen die Spektren. Abbildung 2 zeigt beispielhaft ein solches Multikoinzidenzspektrum – im Jargon oft Pipico für Photoion-Photoion-Coincidence genannt –, das sich als mehrdimensionale Erweiterung eines Flugzeitspektrums verstehen lässt. Die gespeicherten Daten enthalten die detaillierten Informationen über die einzelnen Ereignisse.<figure><img src="https://media.graphcms.com/889yoh2MRSWiJS7hiCBm"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Ausschnitt aus dem Multikoinzidenz- oder Pipico-Spektrum (Photoion-Photoion-Coincidence) der Fragmentation von CHBrClF. Abszisse: Summe der Flugzeiten für die drei leichten Fragmente H+, C+, F+; Ordinate: Flugzeitsumme der schweren Fragmente Cl+ und Br+. Durch diese Art der Darstellung lassen sich die auftretenden Fragmente schnell identifizieren. Die verschiedenen Linien sind auf die unterschiedlichen Isotopenkombinationen von Chlor und Brom zurückzuführen.10)</figcaption></figure>
Die hochdifferenzierte Aufnahme ermöglicht es, im Nachhinein Korrelationen zwischen den Fragmenten zu untersuchen. Für di- und triatomare Moleküle werden so mittlerweile Bindungsabstände, Vibrationswellenfunktionen und Fragmentationsdynamik bestimmt.4,5)<h2>Absolutkonfiguration chiraler Moleküle</h2>Das Coulomb-Explosion-Imaging lässt sich mittlerweile anwenden, um chirale Moleküle zu untersuchen. Das zeigten zwei Gruppen im Jahr 2013 unabhängig voneinander.7,8) Die anomale Röntgenbeugung (Bijvoet-Methode) gilt noch immer als einziges direktes Verfahren, um die Absolutkonfiguration zu bestimmen.6) Mit Coulomb-Explosion-Imaging lässt sich ebenfalls die Konfiguration aus den Fragmentimpulsen ohne Modelle oder Referenzsubstanzen rekonstruieren. Die größte Schwierigkeit verglichen mit vorangegangenen Coulomb-Explosion-Imaging-Messungen ist die Zahl der benötigten Fragmente: Um die Absolutkonfiguration eines chiralen Moleküls mit einem Stereozentrum zu bestimmen, sind in der Regel vier Kationen in Koinzidenz notwendig.Unter Leitung von Reinhard Dörner und Markus Schöffler an der Universität Frankfurt bestimmte ich durch einen Coltrims-Aufbau die Händigkeit einzelner Enantiomere des chiralen Prototyps CHBrClF.7) Diese Spezies eignet sich für ein erstes Experiment aus mehreren Gründen: Die Impulsvektoren der Fragmente weisen in Richtung der Bindungsarme, wie eine Moleküldynamiksimulation der Coulomb-Abstoßung bestätigt. Zudem hat CHBrClF bei Raumtemperatur einen Dampfdruck von etwa 500 mbar, was die Bildung eines Überschallgasstrahls vereinfacht.Ein intensiver Femtosekundenlaser fragmentiert das Molekül in fünf einfach geladene, atomare Kationen. Aus den Impulsvektoren von dreien dieser Fragmente lässt sich ein Spatprodukt (triple product) bilden, dessen Vorzeichen Aufschluss gibt über die Konfiguration des Moleküls: Ein positiver Wert entspricht dem (R)-Enantiomer, ein negativer Wert dem (S)-Enantiomer. Abbildung 3 zeigt die Häufigkeitsverteilung dieser Messgröße. Wie für ein Racemat zu erwarten, gibt es zwei gleichstarke Maxima. Die Besonderheit liegt in dem fast verschwindenden Untergrund – man kann also für jedes der Moleküle mit großer Sicherheit sagen, welches Enantiomer es ist. Eine dreidimensionale Darstellung der Impulsvektoren bestätigt die Identifikation der Enantiomere (Abbildung 4).<figure><img src="https://media.graphcms.com/OI55nVVJSiym4hB0KHfO"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Unterscheidung der Enantiomere von CHBrClF. Die Impulsvektoren von F+, Cl+ und Br+ bilden ein Spatprodukt, das Aufschluss darüber gibt, ob es sich bei einem Molekül um das R- (cos θ &gt; 0) oder das S-Enantiomer (cos θ &lt; 0) handelt. Da zwei eindeutige Maxima vorliegen, lässt sich die Händigkeit für einzelne Moleküle mit hoher Sicherheit bestimmen.7)</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/enrZthwBRcqIC0lhgeZP"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Gemessene Impulse (kleine Kugeln) und Strukturmodell von CHBrClF. Auch wenn die Moleküle zum Zeitpunkt der Ionisation beliebig orientiert waren, erlaubt die koinzidente Messung, die Fragmente in der Auswertung auszurichten. Im dargestellten Fall wurde das molekulare Koordinatensystem aus einer Kombination der Impulse von C+, Cl+ und Br+ konstruiert.7)</figcaption></figure>
Bisher konnte nicht genug CHBrClF mit Enantiomerenüberschuss für diese Messung synthetisiert werden, um die Verbindung zwischen (+)- und (–)- und der (R)- und (S)-Enantiomer herzustellen. Auch Emil Fischers Zuordnung der Absolutkonfiguration ließe sich so bestätigen. Eine Vertauschung der Enantiomere in der Datenauswertung kann aber so gut wie ausgeschlossen werden.(R)- und (S)-Enantiomeren ihre optische Aktivität zuzuordnen, gelang beinahe gleichzeitig wie die beschriebenen Messungen für das Monokation des chiralen Epoxids 2,3-Dideutero-Oxiran. Eine Kooperation unter Federführung von Holger Kreckel (Max-Planck-Institut für Kernphysik) und Oliver Trapp (Universität Heidelberg) untersuchte dieses Molekül mit folieninduziertem Coulomb-Explosion-Imaging und bestätigte die bisherige Zuordnung der Absolutkonfiguration (siehe auch Nachr. Chem. 2014, 62, 739).8) Allerdings waren hier die Enantiomersignale deutlich schlechter getrennt, sodass es bisher nicht möglich war, einzelne Moleküle zu bestimmen und den Enantiomerenüberschuss zu quantifizieren.Die beiden beschriebenen Spezies sind eher von akademischem Interesse und außerhalb von Laboren nicht anzutreffen. Im vergangenen Jahr wurde die Methode auf das Ethanderivat Halothan (CHBrClCF3) ausgeweitet.9) Auch wenn die Substanz aufgrund des Bromgehalts kaum noch als Anästhetikum dient und bisher kein stereospezifischer Effekt nachgewiesen wurde, ist dies ein wichtiger Schritt zu einer Anwendung in der Analyse.Auch hier stand nur ein Racemat zur Verfügung; wie die Untersuchung zeigte, lässt sich die Händigkeit auch bestimmen, wenn molekulare Ionen herangezogen werden – in diesem Fall CF3+.<h2>Ausblick</h2>Das Coulomb-Explosion-Imaging eignet sich dazu, Enantiomere zu unterscheiden, eine Form der Isomerie, für die viele Techniken zur Strukturbestimmung blind sind. Nun muss die analytische Trennung der Enantiomere durch Coulomb-Explosion-Imaging schrittweise für größere Moleküle getestet werden. Auch wenn die Methode sich wahrscheinlich nicht für komplexere Moleküle wie Proteine eignet, lassen sich einfachere Moleküle wie Cystein oder Milchsäure und ihre Derivate innerhalb der nächsten Jahre wahrscheinlich analysieren. Inwieweit es notwendig ist, die Fragmentation zu modellieren, wird sich zeigen. Neben der Bestimmung der Konfiguration lässt sich auch der Enantiomerenanteil genau ermitteln, da – nach Abzug von Hintergrundsignalen – nur die Häufigkeit der Ereignisse für die beiden Enantiomere verglichen werden muss.Welche technischen Hürden gibt es auf dem Weg zu einer breiteren Anwendung? Fragmentierung und Detektion einzelner Moleküle funktionieren nur in der Gasphase; um Kontamination durch Hintergrundgas zu vermeiden, findet die Coulomb-Explosion im Ultrahochvakuum (&lt; 10–9 hPa) statt. Bisher wurden die untersuchten Moleküle in einem Überschallgasstrahl (supersonic jet) bereitgestellt, der das Spektrometer durchquert und dabei die ionisierende Strahlung kreuzt. Dieser Ansatz erfordert etliche Millimol Probenmengen, also viel verglichen mit anderen analytischen Techniken. Da die Menge der tatsächlich fragmentierten Moleküle deutlich geringer ist, sollte sich die Probengröße allerdings durch effizientere Recyclingverfahren verringern lassen.Für Spezies mit geringem Dampfdruck ist ein Überschallgasstrahl zudem schwierig zu realisieren. Erste Ansätze für alternative Probenpräparation, etwa die Thermodesorption von Aerosolen oder laserinduzierte Desorption, wurden für andere Gasphasenexperimente bereits verwendet.Um die Absolutkonfiguration zuverlässig zu bestimmen, müssen mindestens vier Fragmente aus einem Molekül gemessen werden. Da die Fragmentation ein statistischer Prozess ist und bisher kaum zu kontrollieren ist, gibt es zahlreiche Zerfallskanäle, die nichts über die Absolutkonfiguration aussagen. Um genügend Fragmentationen zu erhalten, sind momentan Messzeiten von einigen Stunden nötig. Fortschritte bei der Entwicklung von Lasern mit höherer Puls-Repetitionsrate und intensivere Röntgenstrahlungsquellen stellen auch hier Fortschritte innerhalb der nächsten Jahre in Aussicht.Trotz der experimentellen Schwierigkeiten sind weitere Anwendungen des Coulomb-Explosion-Imaging in der Chemie denkbar. Selbst wenn gar nicht die Impulsvektoren, sondern nur die Massen der Fragmente in Koinzidenz gemessen werden, ist dies ein Gewinn. Anstatt mit Kovarianzanalysen oder anderen statistischen Werkzeugen Korrelationen aus eindimensionalen Massenspektren zu extrahieren, liefert die koinzidente Messung mehrerer Fragmente automatisch einen mehrdimensionalen Datensatz. Denkbare Anwendungsgebiete sind die Verbrennungschemie, die Analyse von flüchtigen Mischungen oder die Untersuchung heterogener Cluster.Der besondere Reiz des Coulomb-Explosion-Imaging geht aber über die rein analytische Anwendung hinaus: Der detaillierte Blick in das einzelne Molekül gibt Antworten auf grundlegende Fragen. Mit dem Coltrims-Aufbau lassen sich zusätzlich zu den Kationen auch die Impulse der freigesetzten Elektronen messen, somit werden Informationen über elektronische Zustände gewonnen. Bei chiralen Molekülen reichen mögliche Fragen von den Mechanismen des Zirkulardichroismus über photoinduzierte Stereodynamik bis hin zu Symmetrieeigenschaften der Naturgesetze.<h2>Quergelesen</h2>Die Coulomb-Explosion eines Moleküls ermöglicht Rückschlüsse auf dessen Struktur, wenn die Bruchstücke in die Richtungen fliegen, die ihren Positionen im Molekül entsprechen.Da die Molekülfragmente in Koinzidenz gemessen werden, lassen sich Bindungsabstände, Vibrationswellenfunktion und Fragmentationsdynamik bestimmen.Für die Absolutkonfiguration eines Moleküls sind mindestens vier Kationen in Koinzidenz nötig.<h2>Vitakasten</h2>Martin Pitzer, Jahrgang 1984, studierte Physik in Karlsruhe und Lausanne und wurde 2015 an der Universität Frankfurt in experimenteller Atom- und Molekülphysik promoviert. Im Jahr 2016 erhielt er den Klaus-Tschira-Preis für verständliche Wissenschaft in der Kategorie Physik. Als Nachwuchsgruppenleiter beschäftigt er sich an der Universität Kassel neben der Koinzidenzspektroskopie chiraler Moleküle mit der Weiterentwicklung von Fluoreszenztechniken für Einzelmoleküluntersuchungen.<div><img src="https://media.graphcms.com/9CRkM3mRJmDCNAIPwHcz">

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<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 Z. Vager, R. Naaman, E.P. Kanter, Science 1989, 244, 426.</li><li>
2 R. Dörner, V. Mergel, O. Jagutzki et al., Phys. Rep. 2000, 330, 95.</li><li>
3 J. Ullrich, R. Moshammer, A. Dorn et al., Rep. Prog. Phys. 2003, 66, 1463.</li><li>
4 <a href="https://L.Ph" target="_blank">L.Ph</a>.H. Schmidt, T. Jahnke, A. Czasch et al., Phys. Rev. Lett. 2012, 108, 073202.</li><li>
5 F. Légaré, K. F. Lee, I. V. Litvinyuk et al., Phys. Rev. A 2005, 72, 052717.</li><li>
6 J.M. Bijvoet, A.F. Peerdeman, A.J. van Bommel, Nature 1951, 168, 271.</li><li>
7 M. Pitzer, M. Kunitski, A. S. Johnson et al., Science 2013, 341, 1096.</li><li>
8 Ph. Herwig, K. Zawatzky, M. Grieser et al., Science 2013, 342, 1084.</li><li>
9 M. Pitzer, G. Kastirke, P. Burzynski et al., J. Phys. B: At., Mol. Opt. Phys. 2016, 49, 234001.</li><li>
10 M. Pitzer, G. Kastirke, M. Kunitski et al., ChemPhysChem 2016, 17, 2465.</li></ul>

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