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Wie der Weg von der Grundlagenforschung über ein Enzym zur schnellen Diagnostik des Virus Sars-CoV-2 mit Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion führte.
Molekulare Diagnostik über Polymerasekettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) ist der Goldstandard für Sars-CoV-2-Tests (Abbildung rechts oben, linker Weg). Die Methode ist empfindlicher und verlässlicher als ein Antigentest.<figure><img src="https://media.graphcms.com/2jVuwuQT7uKxEQA2uqlw"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Zwei PCR-Testverfahren. Das linke, klassische dauert mehrere Stunden; das rechte arbeitet ohne RNA-Extraktion und dauert weniger als eine Stunde.</figcaption></figure>
Das herkömmliche PCR-Testverfahren extrahiert nach der Probennahme das Virusgenom. Dieser Schritt ist zeit- und kostenintensiv. Je nach Grad der Laborautomatisierung sind hierfür manchmal mehrere Stunden zu veranschlagen. Zudem war dieser Schritt im Frühjahr 2020 anfällig für Materialengpässe, die den Ausbau der Testkapazität zu Beginn der Pandemie verlangsamt haben. Es fehlten etwa PCR-Reinigungs-Kits, und auch dafür nötige Plastikwaren waren zeitweise Mangelware.<h2>Von viraler RNA zur DNA-Kopie</h2>Das Genom von Coronaviren, zu denen Sars-CoV-2 gehört, besteht aus RNA, die für eine Detektion über PCR zunächst in DNA umgeschrieben (revers transkribiert) werden muss. Dies geschieht in der Regel mit einem speziellen Enzym: der reversen Transkriptase. Diese beginnt ihre Arbeit an bestimmten Stellen des viralen RNA-Erbguts, die durch DNA-Primer festgelegt werden und für die hohe Spezifität des Nachweises mitverantwortlich sind. Die durch reverse Transkription erhaltene, komplementäre DNA (complementary DNA, cDNA) wird im Anschluss über eine DNA-Polymerase vervielfältigt, die sich für die PCR eignet.<h2>Der Signalgeber und die PCR</h2>Heutzutage werden von Anfang an beide Enzyme – die reverse Transkriptase und die DNA-Polymerase – und die spezifischen Primer gemeinsam in einem Mix zur Probe gegeben, was das Verfahren vereinfacht hat. Die PCR nutzt in der Regel DNA-Polymerasen von Thermus aquaticus (Taq), die über sequenzspezifische Primer die von der Virus-RNA stammende cDNA selektiv erkennen und vermehren.DNA-Polymerase aus Taq zeigt nicht nur eine DNA-Polymerisations-, sondern auch eine Nuklease-Aktivität. Diese ermöglicht dem Enzym, während der PCR abhängig vom Fortschritt der DNA-Synthese eine Taqman-Sonde zu hydrolysieren. Die Sonden sind DNA-Moleküle mit einem Fluorophor, dessen Fluoreszenz ein benachbarter Quencher löscht (Abbildung rechts).<figure><img src="https://media.graphcms.com/SudB7EoYT8MM2Yb5G3Cs"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Typische Modifikationen in Taqman-Sonden.</figcaption></figure>
Spaltet die Polymerase während der Amplifikation die Sonde, wird die Nähe von Fluorophor und Quencher aufgelöst, was ein Fluoreszenzsignal erzeugt. So lässt sich der Fortschritt der DNA-Synthese an die Entstehung eines Fluoreszenzsignals koppeln, das PCR-Geräte in Echtzeit auslesen (Realtime-PCR, RT-PCR). Wann das Signal im Verlauf der Reaktion detektierbar ist, hängt von der Menge der in der Probe vorhandenen viralen RNA ab. Damit lässt sich auf den Infektionsstatus schließen, auf die Virenlast und damit auf die Infektiosität des Probengebers (Abbildung rechts unten). Die PCR dauert inklusive reverser Transkription je nach Laborausstattung etwa ein bis zwei Stunden.<figure><img src="https://media.graphcms.com/FKZ1DsVMRRC5eAqQLs68"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Ergebnisbeispiele für negativ oder positiv auf Sars-CoV-2 getestete Personen.</figcaption></figure>
<h2>Direkt aus der Probe</h2>Die Materialengpässe im Frühjahr 2020 spornten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Konstanz an, ein vereinfachtes Verfahren zu entwickeln, das ohne RNA-Extraktion auskommt. Ausgehend von Rachenspülungen (Gurgelproben) sollte es über PCR zum Sars-CoV-2-Nachweis taugen.1,2)Das Verfahren machte sich die reverse Transkriptase-Aktivität einer im Labor des Chemikers Andreas Marx evolvierten künstlichen DNA-Polymerase zunutze, die sein Team als Ergebnis von Grundlagenforschung im Jahr 2013 publiziert hatte.3) Anders als herkömmliche reverse Transkriptasen erzeugt dieses Enzym cDNA und ist zudem so robust und hitzestabil wie eine herkömmliche Taq-DNA-Polymerase. Daher funktioniert es gut in komplexen Proben wie Gurgellösungen.Die künstliche DNA-Polymerase entstand durch willkürliche Mutation von Taq-DNA-Polymerase. Varianten mit gewünschten Eigenschaften zeigten in der Kristallstrukturanalyse, wie sich die Konformation der DNA-Polymerase ändern muss, um RNA in DNA umzuschreiben (Abbildung oben). Vermutlich stabilisieren die gefundenen Mutationen diese Konformationsunterschiede.<figure><img src="https://media.graphcms.com/193GJ9MQuuJKPKYqGzpx"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Molekülstrukturen der multifunktionalen DNA-Polymerase, die an der Universität Konstanz entwickelt wurde und die Basis für den neuen Ansatz zur Sars-CoV-2-Testung bildet, im Kristall. Links: Überlagerung der Strukturen des Enzyms, wenn es DNA (blau) oder RNA (grau) liest. Rechts: Vergrößerung eines Bereichs, in dem sich die Konformation signifikant ändert; rote Pfeile deuten die Bewegung an.</figcaption></figure>
<h2>Der zertifizierte Fertigmix</h2>Die Konstanzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten ein direktes PCR-Verfahren zusammen mit dem lokalen Klinikum, einem Diagnostiklabor und Mypols Biotec. Das Spin-off der Universität Konstanz vertreibt den „Volcano3G RT-PCR Master Mix“, der auf dem künstlichen Enzym beruht. Das Verfahren kommt ohne RNA-Extraktion aus (Abbildung S. 39, rechts oben). Dabei wird die virale RNA durch thermischen Aufschluss direkt während der PCR aus dem Viruspartikel freigesetzt.Mypols Biotec hat das Verfahren verfeinert und zusammen mit einem akkreditierten Diagnostiklabor evaluiert [Nachr. Chem. 2021, 69(7–8), 44]. Das Unternehmen bietet es nun als Kit an. Es enthält alle PCR-Komponenten zur Sars-CoV-2-Testung. Nach der Probennahme benötigt das Verfahren weniger als eine Stunde für die PCR und ist genauso empfindlich wie herkömmliche Verfahren.<h2>Sars-CoV-2 überwachen</h2>Unter Federführung des Toxikologen Daniel Dietrich dient das Verfahren seit Herbst 2020 an der Universität Konstanz zur Testung auf Sars-CoV-2. Da sich bei PCR-basierten Verfahren verglichen mit gängigen Antigentests viele Proben gleichzeitig in einem miniaturisierten Format bearbeiten lassen, ist ein für Massentests notwendiger Probendurchsatz erreichbar.Die regelmäßige Routinetestung größerer Kohorten zeigt Infizierte rechtzeitig und beugt einer Verbreitung des Virus an der Universität Konstanz vor. So konnten in den zurückliegenden Semestern auch während kritischer Pandemiephasen beispielsweise Laborpraktika oder sportpraktische Übungen in Präsenz durchgeführt werden.Das Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme hat ein Moving-Plug-System vorgestellt, mit dem der Nachweis von Sars-CoV-2 über RT-PCR in 15 Minuten gelingt.4) Es basiert auf dem „Volcano3G RT-PCR Master Mix“. Die Weiterentwicklung solcher Systeme könnte sicherstellen, dass schnelle PCR-Testsysteme zum sensitiven Sars-CoV-2-Nachweis vor Ort in breiter Masse zur Verfügung stehen werden.<h2>AUF EINEN BLICK</h2>Das herkömmliche Testverfahren auf Sars-CoV-2 extrahiert nach der Probennahme das Virusgenom.Ein neues Verfahren überspringt diesen Schritt und liefert dadurch den Infektionsstatus des Probengebers schneller.Dafür nutzt es eine künstliche DNA-Polymerase, und die virale RNA wird während der Polymerasekettenreaktion thermisch aus dem Viruspartikel freigesetzt.<h2>Die Autor:innen</h2>Diesen Beitrag haben Andreas Marx, Karin Betz (oben) und Moritz Welter (unten) verfasst. Marx ist seit 2004 Professor für organische und zelluläre Chemie an der Universität Konstanz. Er ist Mitgründer von Mypols Biotec. Betz ist akademische Oberrätin an der Universität Konstanz. Welter war als Leiter der Forschung und Entwicklung bei Mypols Biotec maßgeblich an der Weiterentwicklung des PCR-Tests beteiligt, der nun CE-IVD-zertifiziert ist. Betz und Welter haben an der Universität Konstanz Life Science studiert und bei Marx über DNA-Polymerasen promoviert.<div><img src="https://media.graphcms.com/JqESjm6AQw2WV9vLU2aI">

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<ul class="references"><li>
1 J. W. P. Kuiper, T. Baade, M. Kremer et al., PLoS One 2020, 15, e0241740</li><li>
2 J. Zander, S. Scholtes, M. Ottinger et al., Microbiol. Spectr. 2021, 9, e0036121</li><li>
3 N. Blatter, K. Bergen, O. Nolte et al., Angew. Chem. Int. Ed. 2013, 52, 11935</li><li>
4 <a href="https://imm.fraunhofer.de/en/press-publications/qpcr-15min.html" target="_blank">imm.fraunhofer.de/en/press-publications/qpcr-15min.html</a></li></ul>

Artikel

Biotechnik: Minuten statt Stunden

Wie der Weg von der Grundlagenforschung über ein Enzym zur schnellen Diagnostik des Virus Sars-CoV-2 mit Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion führte. Molekulare Diagnostik über Polymerasekettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) ist der Goldstandard für Sars-CoV-2-Tests (Abbildung rechts oben...

Einen mRNA-Impfstoff gegen das Sars-CoV-2-Virus in großen Mengen herzustellen ist kein Problem. Als Flaschenhals erweisen sich dagegen die Verpackungen, darunter die Lipide, die ihn schützen.
Nur wenige Unternehmen sind zurzeit in der Lage, die Lipide für Corona-Impfstoffe herzustellen. Zu ihnen gehören Merck, Evonik und kleinere Firmen in den USA und Kanada.Der Wirkstoff im mRNA-Impfstoff gegen das Sars-CoV-2-Virus ist eine Boten-RNA (mRNA). Sie enthält den Bauplan für ein bestimmtes Protein auf der Oberfläche des Virus, das Spike-Protein. Die Zellen produzieren es und trainieren das Immunsystem damit auf Coronavirusabwehr.1)<h2>Impfstoff schützen</h2>Zunächst muss die mRNA ins Zellplasma gelangen. Dies scheint einfach, aber mRNA ist instabil, unterliegt beispielsweise einem enzymatischen Abbau. Damit sie wirken kann, muss sie auf ihrem Weg ins Zellplasma geschützt werden.2)Klassischerweise hüllt die Pharmaindustrie sie daher in ein Liposom. Das ist ein Bläschen mit einer zellmembranähnlichen Lipiddoppelschicht. Dieses Prinzip ist seit mehr als 50 Jahren bekannt.3)Liposomen halten den Wirkstoff so gut verkapselt, dass es einer besonderen Strategie bedarf, ihn dort freizusetzen, wo er wirken soll. Dafür sind Liganden – oder etwa Antikörper – an der Oberfläche. Sie wirken als Sensorium und befähigen das Liposom, bestimmte Rezeptoren an Zellen zu erkennen. Ein Reiz, etwa ein bestimmter pH-Wert oder eine Temperaturänderung, löst dann eine Phasenänderung der Lipidhülle aus, und sie entlässt den Wirkstoff.<h2>Nanolipidhüllen</h2>Seit knapp 30 Jahren experimentieren Forscher mit besonders kleinen Lipiden, den 10 bis 1000 Nanometer kleinen SLNs (solid liquid nanoparticles) und mit NLCs (nanostructured lipid carriers).4) Damit lassen sich komplex strukturierte Hüllen konstruieren. Dies gilt als vorteilhaft für die Wirkstoff-Aufnahmekapazität, die Lagerstabilität und eine gezielte Wirkstofffreisetzung.4)Damit ließen sich einige Schwierigkeiten beheben. So zirkulieren Liposomen von Natur aus nicht lange in der Blutbahn und sind im menschlichen Körper eher instabil. Dagegen hilft Pegylieren: Das Verfahren verbindet Arzneimittelbestandteile chemisch mit Polyethylenglykol (PEG), auch Konjugieren genannt.Zu den neusten Entwicklungen gehören Cubosome. Diese stabilen Nanopartikel entstehen aus Lipiden, die sich in einer kubischen Phase strukturieren. Eine polymerbasierte Hülle um die Lipidhülle stabilisiert sie.5)<h2>Vier Lipide für einen Impfstoff</h2>Früher konstruierte die Pharmaindustrie Liposome aus maximal drei verschiedenen Lipiden, etwa aus zwei Phospholipiden plus Cholesterin für Krebsmedikamente. Was bei aktuellen Corona-Impfstoffen hinzukommt, ist vor allem ein kationisches Lipid, und das ist so individuell wie der Wirkstoff.<figure><img src="https://media.graphcms.com/zKte5qjSR5q3xQX9X45L"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Lipidnanopartikel mit mRNA, wie sie in Suspension mit einer Partikelgröße von 150 bis 350 nm vorliegen. Innerhalb der Lipidhülle mit hydrophilen Köpfen (blau) und hydrophoben Schwänzen (gelb) sind kleinere Lipidhüllen, die kationisches Lipid (grün) enthalten. In diesen kleineren Lipidhüllen ist der mRNA-Wirkstoff. Grafik: Lipoid</figcaption></figure>
Beispielsweise sind die Lipidhüllen der Sars-CoV-2-Impfstoffe Comirnaty (Biontech/Pfizer) und Spikevax (Moderna) ähnlich designt. Die vier Komponenten sind aber unterschiedlich.5) Die Hüllen bestehen aus<list list-type="simple"><list-item></list-item></list>einem kationischen Lipid – Comirnaty: ((4-Hydroxybutyl)azandiyl)bis(hexan-6,1-diyl) bis(2-hexyldecanoat) (Abbildung rechts oben), Spikevax: Heptadecan-9-yl 8-((2-hydroxyethyl)(6-oxo-6-(undecyloxy)hexyl)amino)octanoat,<list-item>einem pegylierten Lipid – Comirnaty: 2-[(Polyethylenglycol)-2000]-N,N-ditetradecylacetamid (Abbildung rechts unten), Spikevax: 1,2-Dimyristoyl-rac-glycero-3-methoxy-polyethylenglycol-2000,</list-item><list-item>1,2-Distearoyl-sn-glycero-3-phosphocholin (DSPC) und</list-item><list-item>Cholesterol.</list-item>Hauptkomponente des Gemischs ist das kationische Lipid; es neutralisiert die negative Ladung der mRNA.6) Die für die Gesamtwirkung nötigen Nanostrukturen, die Lipidnanopartikel, entstehen im Zusammenspiel der vier Lipide. Insgesamt ermöglicht dies der Zelle, den mRNA-Wirkstoff geschützt aufzunehmen, und optimiert seine immunisierende Wirkung bei intramuskulärer Injektion.<figure><img src="https://media.graphcms.com/8ThKCZk4R92kmkwHBGne"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Das kationische Lipid im Sars-CoV-2-Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer): ((4-Hydroxybutyl)azandiyl)bis(hexan-6,1-diyl)bis(2-hexyldecanoat).</figcaption></figure>
<figure><img src="https://media.graphcms.com/lppZfL2R4On8pRaIZiqD"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Das pegylierte Lipid im Sars-CoV-2-Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer): 2-[(Polyethylenglycol)-2000]-N,N-ditetradecylacetamid.</figcaption></figure>
<h2>Im Mikroreaktor</h2>Corona-Impfstoffe werden im Prinzip so hergestellt: In einem mikrofluidischen System fließen eine organische Phase mit Lipiden und eine wässrige Phase mit dem Wirkstoff zusammen und bilden den Impfstoff: den mRNA-Wirkstoff in einer Lipidhülle. Dabei lagern sich mRNA und Lipide zu Nanopartikeln zusammen.7) Für Comirnaty arbeitet das System zum Beispiel mit einer Teilchengröße von unter 100 Nanometern für den behüllten Wirkstoff.2)Weder die Herstellung der mRNA im Bioreaktor noch die Synthese der Lipide an sich6) sind Geheimnisse. Spezielles Know-how ist allerdings bei der Prozessführung im mikrofluidischen System gefragt und nicht einfach zugänglich.<h2>Zahlreiche Allianzen</h2>Ebenso komplex wie die Funktionalitäten moderner Lipidhüllen sind die Lieferketten dafür. Zum Beispiel produziert Evonik das kationische und das pegylierte Lipid für den Biontech/Pfizer-Impfstoff mit einer Lizenz des Entwicklers Acuitas Therapeutics aus dem kanadischen Vancouver. Dieses Unternehmen hat vor elf Jahren nachgewiesen, dass und wie Körperzellen seine Lipidnanopartikel-basierten Wirkstoffabgabesysteme aufnehmen.8) Vor vier Jahren zeigte es das Potenzial von mRNA in Lipidnanopartikelhüllen.9) Evonik hat zudem vor fünf Jahren das kanadische Unternehmen Transferra Nanosciences mit liposomalen Wirkstofffreisetzungssystemen übernommen.Für den Biontech/Pfizer-Impfstoff produziert Evonik Lipide in Dossenheim und Hanau. Der Konzern liefert zudem Cholesterin, und zwar ein pflanzenbasiertes Material in Pharmaqualität, wie es für Impfstoffe nötig ist.Ein anderer Lipidzulieferer für Biontech ist Merck mit Produktionskapazitäten in Darmstadt und Schaffhausen. Vor vier Jahren hat der Konzern den Vertrieb außerhalb der USA des Lipid-Portfolios von Avanti Polar Lipids aus Alabama übernommen.Eine weitere Partnerschaft bahnt sich zwischen Bayer als Lipidzulieferer und Curevac an. Der betreffende Impfstoff hat zwar in klinischen Studien zuletzt schwache Immunisierungsraten geliefert, könnte aber schwere Covid-19-Verläufe verhindern. Zudem arbeitet Curevac an einer nächsten Generation von Anti-Corona-Impfstoffen.<h2>Naturidentisch</h2>Phospholipide wie DSPC liefert zum Beispiel das Unternehmen Lipoid aus Ludwigshafen. Es produziert dieses spezielle Phospholipid im Tonnenmaßstab. Da sich eine steigende Nachfrage bereits vor der Corona-Pandemie abzeichnete, hatte Lipoid im Jahr 2016 ein neues Werk in Betrieb genommen. Das Unternehmen produziert zudem über Nacht und an Wochenenden. Die nächsten Erweiterungen stehen bevor. Für Lipoid-Geschäftsführer Frank Schubert kommt es darüber hinaus darauf an, dass „wir aus natürlichen Rohstoffen ein naturidentisches Phospholipid synthetisieren, gleich demjenigen in menschlichen Zellmembranen“.Die pflanzliche Basis bilden zum Beispiel Saaten von Soja oder Sonnenblumen. Daraus lässt sich Lecithin gewinnen und daraus wiederum hochreines Phospholipid. Das ist der Grundstoff für die Synthese verschiedener Phospholipide mit engen Spezifikationen etwa bei Reinheit, Gehalt, Restlösemittel und Mikrobiologie.Theoretisch ließen sich Phospholipide wie DSPC direkt aus der Sojabohne isolieren. Doch das darin enthaltene Naturstoffgemisch lässt sich so schlecht in seine Einzelkomponenten trennen, dass dieser Weg nicht praktikabel ist und unwirtschaftlich wäre.<h2>Nur für Spezialisten</h2>Die Idee, dass die lipidverarbeitenden Waschmittelhersteller ihre Produktion auf Corona-relevante Lipide umstellen könnten,1) hält Peter Hölig, Leiter der Geschäftsentwicklung von Lipoid, für abwegig. Auch Waschmittelhersteller winken eher ab.Gleichzeitig scheint sich die Lage am Lipidmarkt zu entspannen. Dietmar Katinger, CEO bei Polymun Scientific in Klosterneuburg, sieht, dass „die bestehenden Hersteller die Kapazitäten angepasst haben und zum Teil auch andere Hersteller ihre Produktpalette entsprechend erweitert haben“. Das Unternehmen stellt selbst keine Lipide her, sondern bezieht sie von qualifizierten Herstellern, um sie zusammen mit RNA zu Lipidnanopartikeln zu verarbeiten. Zudem gibt Polymun innerhalb von Projekten sein Wissen zur Nanopartikelherstellung an andere Produktionsstätten weiter, etwa an die von Biontech in Marburg und von Pfizer in Puurs in Flandern.Der Bedarf an maßgeschneiderten Lipiden und Lipidhüllen dürfte steigen, denn sie nützen nicht nur Covid-19-Impfstoffen, sondern vielen prophylaktischen und therapeutischen Stoffen [Nachr. Chem. 2021, 69(7–8), 60]. Eventuell stellen Unternehmen dann Antikörper nicht mehr im Fermenter her, sondern der Körper selbst übernimmt das – nach einer Bauanleitung über mRNA.Dies betrifft etwa Impfstoffe auf mRNA-Basis, darunter die gegen Grippe, allgemein personalisierte Impfstoffe für einzelne Patienten, Entwicklungen bei Crispr-Cas (etwa Intellia Therapeutics, Cambridge, MA/USA)10) und Antitumor-Impfstoffe. Schließlich sind die mRNA-Corona-Impfstoffe als Weiterentwicklung der in Entwicklung befindlichen Anti-Tumor-Impfstoffe entstanden. Lipidhüllen sind in allen genannten Bereichen in großen Mengen nötig, und die erforderlichen Qualitäten, engen Spezifikationen und pharmaspezifischen regulatorischen Aspekte können weltweit nur wenige erfüllen.Der promovierte Chemiker Christian Ehrensberger ist freier Mitarbeiter der Nachrichten aus der Chemie.<h2>AUF EINEN BLICK</h2>Damit mRNA auf dem Weg ins Zellplasma geschützt ist, umhüllt die Pharmaindustrie sie mit einer zellmembranähnlichen Lipiddoppelschicht.Schutzhüllen von Sars-CoV-2-Impfstoffen bestehen aus vier verschiedenen Lipiden.Eines davon ist ein naturidentisches Phospholipid, synthetisiert aus natürlichen Rohstoffen wie Soja- oder Sonnenblumensaaten.
<ul class="references"><li>
1 <a href="https://pharmazeutische-zeitung.de/das-sind-die-gruende-fuer-die-impfstoff-knappheit-123463" target="_blank">pharmazeutische-zeitung.de/das-sind-die-gruende-fuer-die-impfstoff-knappheit-123463</a> (Stand 10.6.2021)</li><li>
2 <a href="https://pharmazeutische-zeitung.de/sensible-molekuele-komplex-verpackt-123339/seite/2" target="_blank">pharmazeutische-zeitung.de/sensible-molekuele-komplex-verpackt-123339/seite/2</a> (Stand 10.7.2021)</li><li>
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4 I. Chauhan, M. Yasir, M. Verma, A. P. Singh, Adv. Pharm. Bull. 2020, 10, 150</li><li>
5 <a href="https://cas.org/resource/blog/understanding-nanotechnology-covid-19-vaccines" target="_blank">cas.org/resource/blog/understanding-nanotechnology-covid-19-vaccines</a> (Stand 10.7.2021)</li><li>
6 <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/ALC-0315" target="_blank">de.wikipedia.org/wiki/ALC-0315</a> (Stand 10.7.2021)</li><li>
7 <a href="https://sueddeutsche.de/wirtschaft/corona-impfung-lipide-evonik-1.5203601" target="_blank">sueddeutsche.de/wirtschaft/corona-impfung-lipide-evonik-1.5203601</a> (Stand 10.6.2021)</li><li>
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9 N. Pardi, A. J. Secreto, X. Shan et al., Nat. Commun. 2017, 8, 14630</li><li>
10 <a href="https://evaluate.com/vantage/articles/news/trial-results/intellia-proves-its-point" target="_blank">evaluate.com/vantage/articles/news/trial-results/intellia-proves-its-point</a> (Stand 6.8.2021)</li></ul>

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