Leitartikel

Die Dechema schreibt zum neunten Mal die Hellmuth-Fischer-Medaille aus. Die Medaille wird vorzugsweise jüngeren Wissenschaftlern zuerkannt für Arbeiten, die zur Erweiterung oder Vertiefung der Grundlagen der Elektrochemie, der Korrosion oder des Korrosionsschutzes oder zu deren beispielhafter Anwendung in der industriellen Praxis geführt haben.
Vorschläge sollen einen Lebenslauf des Kandidaten, Sonderdrucke wichtiger Veröffentlichungen, eine Veröffentlichungsliste sowie eine kurze Begründung (etwa eine DIN A4-Seite) enthalten. Eigenvorschläge sind nicht möglich.
Über die Vergabe der Hellmuth-Fischer-Medaille 2012 entscheidet ein Sachverständigenkomitee aus sechs anerkannten Wissenschaftlern. Die Medaille wird anlässlich des “12th International Fischer Symposium” vom 4. bis 8. Juni in Lübeck vergeben.
Die Vorschläge sind bis zum 29. Februar zu richten an:
Prof. Dr. Karl Wagemann, Dechema e.V., Postfach 15 01 04, 60061 Frankfurt

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Ausschreibung: Hellmuth‐Fischer‐Medaille

Die Dechema schreibt zum neunten Mal die Hellmuth-Fischer-Medaille aus. Die Medaille wird vorzugsweise jüngeren Wissenschaftlern zuerkannt für Arbeiten, die zur Erweiterung oder Vertiefung der Grundlagen der Elektrochemie, der Korrosion oder des Korrosionsschutzes oder zu deren beispielhafter Anw...

Journal

Bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts stand im Chemieunterricht der Gymnasien im deutschen Sprachraum der “Stoff” im Zentrum. Dabei wurden die verschiedenen Elementgruppen mehr oder weniger erschöpfend behandelt. Gesetzmäßigkeiten aufgrund von strukturierten Atommodellen ließen sich damit kaum vermitteln. Allmählich setzte angesichts der ständig wachsenden Stofffülle ein Umdenken ein. Grundlegende Erkenntnisse rückten ins Zentrum des Unterrichts, um möglichst viele Phänomene auf gemeinsame Prinzipien zurückzuführen. Die Einzeltatsachen müssen sich demnach dem Allgemeinen unterordnen. Zu diesem Zweck wählten die Lehrer die Inhalte und die Experimente so aus, dass sie sich dem Gesamtbild sinnvoll einpassen.
Dies waren die Überlegungen, die Hans Rudolf Christen im Jahr 1962 veranlassten, sein erstes Lehrbuch — “Chemie” — zu veröffentlichen. Die Kapiteleinteilung zeugt von der Umsetzung der oben erwähnten Neuorientierung: “Atommodelle und Periodensystem”, “Bildung von Atomverbänden aus Atomen”, “Beziehung zwischen Struktur und Eigenschaften”, “Quantitative Beziehungen”, “Der Verlauf chemischer Vorgänge”, “Arten chemischer Vorgänge”. Erst dann stellte Christen die nichtmetallischen und die metallischen Elemente systematisch vor und behandelte die verschiedenen Stoffgruppen der Kohlenstoffchemie. Erstaunlich für die damaligen Curricula ist eine knappe Einführung in das “s-, p-, d- (Orbital-) Modell” im Anhang des Lehrbuchs; ein Hinweis darauf, dass für Christen das Modelldenken einen zentralen Bestandteil des Chemieunterrichts darstellte. Dabei ist die Erkenntnisgewinnung entscheidend, also je nach Kenntnisstand der Schüler, nicht nur mit einem, sondern mit verschiedenen Modellen zu arbeiten sowie den Weg zu ihnen offen zu legen.
Zahlreiche weitere Lehrbücher für die Sekundarstufe 2 folgten, in denen Christen diese Grundprinzipien immer mehr verfeinerte und erweiterte.
Schließlich verfasste Christen auch zwei Werke für die Hochschule: “Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie” (1. Auflage 1968) sowie “Grundlagen der organischen Chemie” (1. Auflage 1970). Eine Einführung in die wichtigsten physikalisch-chemischen Grundlagen sollte dabei das Verständnis der Vielfalt der anorganischen Chemie bzw. der organischen Reaktionen erleichtern. Dieser Aufbau, der zur damaligen Zeit schon in der angelsächsischen Literatur verwirklicht war, hat sich seit den Christen-Büchern auch für den Unterricht in Deutschland und in der Schweiz bewährt. Schließlich stellte Christen in “Chemie auf dem Weg in die Zukunft” (1. Auflage 1988) den Kohlenstoff und seine Verbindungen an den Anfang des gymnasialen Chemielehrgangs, eine Idee, die auch heute noch in den beiden Publikationen “Allgemeine Chemie, Theorie und Praxis” (G. Baars und H. R. Christen) und “Grundkenntnisse Chemie” (G. Baars) fortlebt.
Die Bücher von Christen, seit Ende der achtziger Jahre verfasst mit den Koautoren Günter Baars, Gerd Meyer und Fritz Vögtle, begleiteten viele Generationen von Gymnasiasten und Studenten auf ihren ersten Schritten durch die Wissenschaft Chemie.
Hans Rudolf Christen hat seine Vorstellung von Chemie und Chemieunterricht mit Leidenschaft vertreten: Rund 40 Jahre als Chemielehrer an der Kantonsschule im Lee in Winterthur; von 1965 bis 1974 gleichzeitig als Chemiedidaktiker an der Universität Zürich, ab 1974 bis zu seiner Pensionierung 1989 an der ETH Zürich. Neben diesen Tätigkeiten wirkte er an zahlreichen Veranstaltungen als Diskussionsteilnehmer oder Vortragender im In- und Ausland. Erwähnt seien seine Kurse mit Heinzwerner Preuß über “Die Behandlung der chemischen Bindung im Unterricht am Gymnasium” oder die Seminare von 1974 bis 1985 über “Atommodelle im Chemieunterricht”. Er engagierte sich unter anderem in der Chemiekommission der Vereinigung der Schweizer Naturwissenschaftslehrer, in der Fachgruppe Chemieunterricht der GDCh, als Mitarbeiter am International Baccalaureate Office in Genf, als Mitherausgeber von Chemie für Labor und Betrieb, als Mitglied im Kuratorium von Chemie in unserer Zeit. Zahlreiche Ehrungen würdigten diese Bemühungen, darunter die Gmelin-Beilstein-Gedenkmünze der GDCh für “Verdienste um die chemische Literatur” (1976).
Die Interessen von Hans Rudolf Christen waren breit gestreut. Es war eine Freude, mit ihm über geschichtliche Fragen zu diskutieren. Kritisch war er gegenüber heutigen Strömungen in der Musik, während er begeistert über Mozart fachsimpeln konnte. Meißener Porzellan war sein Hobby, die Eisenbahn seine Leidenschaft.
Hans Rudolf Christen, der am 18. August 2011 im Alter von 87 Jahren gestorben ist, hat durch sein Wirken zu einem positiven Bild der Chemie in weiten Kreisen der Bevölkerung beigetragen, das nicht mehr, wie in den Jahren vor 1962, von einer Überfülle an auswendig zu lernenden Sachverhalten geprägt ist.
Günter Baars, Bern

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