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Wissenschaftskommunikation

Aufklären, einordnen, sich austauschen

Nachrichten aus der Chemie, Juni 2022, Seite 3, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Die öffentliche Kommunikation über Wissenschaftsthemen hat in der Pandemie neue Dimensionen erreicht. Jede und jeder hat eine Meinung. Umso mehr waren und sind in diesem Konzert der „80 Millionen Virologen Deutschlands“ valide Einschätzungen aus erster Hand gefragt: Forschende wie Christian Drosten oder Viola Priesemann, die mit ihrem Fachwissen einordnen. Werden intensiv kommunizierende Forschende zunehmend normal? Oder bleiben sie Ausnahmen?

Es wird normal und zum Standard werden – aus mehreren Gründen:

Erstens. Wissenschaft ist ein wesentlicher Motor unserer wissensbasierten demokratischen Gesellschaft. Forschende, die ihre Themen aus erster Hand verständlich vermitteln können, sind daher wichtig. Seit über 20 Jahren werden solche Forderungen aus den Wissenschaften selbst, aber auch der Politik gestellt – zuletzt im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Dort steht: „Wir wollen Wissenschaftskommunikation systematisch auf allen wissenschaftlichen Karrierestufen und bei der Bewilligung von Förderanträgen verankern.“

Zweitens. Wissenschaftliche Erkenntnisse wirken sich aus auf gesellschaftliche, wirtschaftliche oder kulturelle Entwicklungen; sie können notwendige Transformationsprozesse unterstützen. Dies bedeutet für Forschende, Wissen nicht nur zu vermitteln, sondern sich aktiv in Dialoge mit Öffentlichkeit und Medien einzubringen. Es geht um offenen Austausch bis hin zu Beteiligung von Bürgerwissenschaftlern an Forschungsprojekten sowie Rückkopplungen aus den Dialogen in die Wissenschaft.

Drittens. Aktuell reihen sich gleich mehrere globale Krisen aneinander, überlagern und beeinflussen sich – Pandemie, Klimakrise, Artensterben, Mikroplastik, Kriege und damit Flüchtlingskrisen. Entscheidungen sind erforderlich. Welche? Dazu gibt es vielfältige Forschung, und es können und sollten mögliche Empfehlungen diskutiert werden.

Beispiel Klimakrise. Hier wird etwa zu Mobilität, Stadtentwicklung, technischen Lösungen, Ersatzstoffen bis zu möglichen Anpassungen in Wald- und Landwirtschaft geforscht. Es gibt viele fachliche Beiträge für Transformationsprozesse, die aber nur gelingen können, wenn sie von einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit gewollt und umgesetzt werden.

Wir brauchen daher Anstöße und gute Einordnungen von Seiten der Wissenschaft und offene Pro- und Contra-Debatten mit Bürgern, Politik und Wirtschaft. Die Forschenden haben dafür heute so viele Möglichkeiten wie nie zuvor. Sie können slammen, bloggen, twittern, eigene Podcasts produzieren, sich an Bürgerdialogen oder Reallaboren beteiligen.

Es geht aber nicht einfach um Quantität, sondern unbedingt um Qualität. Um sie zu sichern, sind systematische Angebote für den Kompetenzaufbau in der Wissenschaftskommunikation wesentlich.

Welche Rolle haben Wissenschaftler in der Kommunikation? Wie können sie Prozesse und Methoden von Wissenschaft transparent vermitteln? Wie die Vorläufigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und Unsicherheiten erklären? Dabei geht es auch um Handwerk: zielgruppengerechte Sprache, klare Kernbotschaften, Storytelling und mehr.

Bei einer Befragung des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation im Jahr 2021 unter Forschenden in Deutschland gaben 89 Prozent an, dass Wissenschaft relevant sei, um öffentliche Diskurse zu befördern. 84 Prozent wünschten sich mehr Unterstützung aus ihren Häusern für ein Engagement in der Wissenschaftskommunikation. Der Wille der Wissenschaft ist also da, neben dem Fachwissen mit soliden kommunikativen Fähigkeiten Beiträge für unsere Gesellschaft zu leisten. Dies muss konsequent gefördert, vermittelt und gestärkt werden.

Die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Beatrice Lugger ist Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik)

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