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<h2>Haribo oder: Wo bleibt Thommy?</h2>
Stellen Sie sich vor: Das Titelbild dieser Nachrichten aus der Chemie zeigte nicht nur den einen, sondern Tausende von Gummibären und dazu einen lachenden Thomas Gottschalk. Das wäre im April ein wirklich starkes Stück Werbung für den Goldbären und natürlich für die Chemie. Haribo-Produkte spielen nämlich nicht nur eine wichtige — ernährungsphysiologisch freilich bedenkliche — Rolle beim Nachdenken über Reaktionsgleichungen oder den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, nein auch beim (Kennen-)Lernen des Periodensystems sind sie richtig nützlich [diese Nachrichten S. 438]. Und schließlich stecken in einer Tüte Colorado neben “Glukosesirup, Zucker, Brauner Zuckersirup, Weizenmehl, Dextrose, Gelatine, Milchzucker, Stärke” auch Citronensäure, Carnaubawachs und Talkum. Kein Gummi. Aber alles Dinge, die im Chemieunterricht trefflich als Ausgangspunkte für das Verstehen dienen können.
Und dann kommt Marco Alfter daher, der Leiter der Haribo-Unternehmenskommunikation, und lässt an die wohlgesonnene Nachrichten-Redaktion schreiben, er “möchte keine Darstellung der Haribo-Produkte oder Herrn Gottschalk im Zusammenhang mit chemischen Symbolen/Chemie”. Dabei ist die Frage schon lange geklärt, wie weit so ein Haribo-Bär (Lebensmittel-)Chemie pur ist oder die reine Natur.
Die Nährwerttabelle nennt für 100 Gramm Bären 1459 Kilojoule bei 7 Gramm Eiweiß und 77,4 Gramm Kohlenhydraten — davon 46 Gramm Zucker. Die 7 Gramm Eiweiß rechnet die Lebensmittelchemikerin Anna Neusch locker in 8 Gramm Gelatine um. Wer nun meint, das alles dürfe doch mit Chemie nie und nimmer etwas zu tun haben, der möge sich exemplarisch die Produktion eben dieser Gelatine ansehen. Sie ist ein Paradebeispiel für nützliche Chemie, aber wahrscheinlich ebenso wie die Ausgangsstoffe der reine Horror für Marco Alfter: 
Methode A, das saure Verfahren, macht mit HCl oder H2SO4 und Warmwasserextraktion innerhalb von drei Tagen aus Schweinecollagen (Schwarten, Knochen) Gelatine A, aus der meistens die gummifreien Gummibären bestehen. Sind Knochen und Unterhaut des Rindes Ausgangsmaterial, macht die wochenlange Behandlung mit Kalkmilch die Collagene für Gelatine B wasserlöslich. Rechnet man noch die Mazeration dazu, bei der HCl die wasserunlöslichen anorganischen Knochenanteile in einem Vorbereitungsschritt aus den Knochen in Lösung bringt, ist auch die Herstellung von goldigen Bären voll mit chemischen Reaktionen.
Genau betrachtet müssten Marco Alfter und sein Chef, der Goldbärenerfinder Hans Riegel in Bonn, also dankbar sein für die Chemie. Das ist Letzterer auch: Seine Dr.-Hans-Riegel-Stiftung zeichnet mit ihren vielen Fachpreisen in jedem Jahr “besonders gute wissenschaftliche Arbeiten von Schülern der Sekundarstufe II aus.” Und zwar auch im marketingpolitisch hochbrisanten Fach Chemie. Was Hans Riedels Stiftung aufbaut, das reißt das Haribo-Marketing wieder ein; wo sich Thomas Gottschalk doch so gerne werbend mit Kindern und Chemieprodukten zeigt. So viel an dieser Stelle zum April.
Noch ein Nachtrag zur Kinderuniversität: Da gibt es eine 16-jährige Schülerin an der Hochschule Biberach. Nicht als Studentin, das wäre fast schon nicht mehr erwähnenswert, sondern als Dozentin. Die “geborene Naturwissenschaftlerin”, so sagt die Professorin Chrystelle Mavoungou in der Südeutschen Zeitung über die Massenspektroskopie-Spezialistin Carina Lämmle, “kann sich auch bei unruhigen Studenten durchsetzen”. Aber spät am Abend in die Disko darf sie immer noch nicht. Ernst Guggolz

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