Gesellschaft Deutscher Chemiker

Nachruf

Andrew Victor Schally (1926 – 2024)

Nachrichten aus der Chemie, Januar 2025, Seite 74, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Andrew Victor Schally gelangte zu höchsten akademischen Ehrungen – seine Forschung setzte aber auch für die Arzneimittelentwicklung Maßstäbe.

Am 17. Oktober verstarb der Nobelpreisträger Andrew Victor Schally im Alter von fast 98 Jahren in Miami Beach im Kreis seiner Familie. Neben 35 Ehrendoktorwürden – in Deutschland der Universität Regensburg – erhielt er im Jahr 1976 die höchste medizinische Auszeichnung der USA, den Albert-Lasker-Preis, er wurde zum Ritter der Ehrenreligion in Frankreich ernannt, und besonders hervorzuheben ist der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für Entdeckungen über die Produktion von Peptidhormonen im Gehirn (1977). Im Hinblick auf Schallys vielfältige Ehrungen erinnern sich die Autoren dieses Nachrufs an eine Episode, die im Zusammenhang mit einem Hobby Andrew Schallys steht: Soccer. Bei einem Vortrag im damaligen Forschungszentrum der Degussa in Hanau/Wolfgang gab er folgendes Statement vor dem Auditorium ab: „Dr. Offermanns, thank you for the introduction but you forgot to mention one of my most important achievements: my lifetime honorary membership of Real Madrid.“https://media.graphassets.com/qftLCS9EQHOCxLcEhAwS

Geboren 1926 und aufgewachsen in Wilno/Polen lebte Andrew Schally während der deutschen Besetzung Polens in Rumänien und emigrierte im Jahr 1945 nach Schottland. Er begann seine Ausbildung mit dem Studium der Chemie in London und arbeitete dort von 1949 bis 1952 am National Institute of Medical Research. 1952 übersiedelte er nach Montreal und promovierte 1957 an der dortigen McGill University. Von 1957 bis 1962 arbeitete er als Assistant Professor for Physiology am Baylor University College in Houston/Texas und wurde 1962 zum Chef des Instituts am VA Hospital und Associate Professor an der Tulane University in New Orleans ernannt.

In unserem Nachruf möchten wir seine oftmals (zu Unrecht) nicht hervorgehobenen Beiträge zur Medizinal- und Peptidchemie sowie zur Arzneimittelentwicklung würdigen.

Unter den Peptidarbeiten sind seine Synthesen von LHRH-Agonisten und -Antagonisten, Somatostatin- und Bombesinanaloga sowie den GHRH-Agonisten und -Antagonisten hervorzuheben. Er war einer der Ersten, der das Konzept der chemischen Kopplung von peptidischen Rezeptoragonisten und Antagonisten mit zytotoxischen Substanzen, von ihm als „magic bullets“ bezeichnet, für die Tumortherapie empfohlen und entwickelt hat. Eines seiner Projekte – Zoptarelin doxorubicin – erreichte in Kooperation mit Aeterna Zentaris die klinische Phase III gegen Endometrium-Karzinome. Andere griffen diese Ideen auf und waren erfolgreich mit der Kopplung von monoklonalen Antikörpern mit zytotoxischen Gruppen.

Andrew Schally gehörte zu den wenigen anwendungsorientierten Grundlagenforschern, der seine Erfindungen erfolgreich bis in das Stadium der klinischen Entwicklung brachte – die beiden Decapeptid-Wirkstoffe Triptorelin und Cetrorelix sogar bis zur weltweiten Vermarktung (Triptorelin mit Debiopharm/Ferring sowie Cetrorelix mit Degussa, Asta Medica, Aeterna Zentaris und Merck Serono).

Schally war Co-Autor der ersten klinischen Studie eines LHRH-Agonisten in der Indikation Prostata-Karzinom und war an der klinischen Entwicklung von Cetrorelix (Cetrotide) für die Indikation der In-vitro-Fertilisation beteiligt: Beide repräsentieren den derzeitigen therapeutischen Goldstandard in ihren Indikationen. Cetrorelix ist ein Decapeptid mit fünf D-Aminosäuren, was die Synthese nicht einfach macht. Hier halfen die Erfahrungen der Degussa-Forschung.

Schallys mehr als 2500 Publikationen – seine letzten drei in den Jahren 2023 und 2024 und in vielen Fällen in Kooperation mit renommierten Forschergruppen weltweit – beweisen seine Fähigkeit und Akzeptanz zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Aus den Arbeiten seines Instituts resultierten darüber hinaus 36 Patentfamilien als Basis für die Kooperation mit der pharmazeutischen Industrie.

Wir haben Andrew Schally als einen Kooperationspartner mit größtem persönlichen Einsatz, wissenschaftlicher Stringenz, einem überragenden Gedächtnis und großer Loyalität über Jahrzehnte hinaus erlebt. Seinen Arbeiten verdanken wir grundlegende Erkenntnisse in der Endokrinologie und deren Anwendung zur Entwicklung neuartiger Therapien in der Onkologie und Reproduktionsmedizin.

Jürgen Engel, Axel Kleemann, Heribert Offermanns

Service

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