Gesellschaft Deutscher Chemiker

Was ist eigentlich... Harnstoff oder Urea?

Vor 180 Jahren revolutionierte diese Verbindung das damalige Naturverständnis. Heute gelingt es mit einem geschickten Marketing, Kosmetika einen Hauch von etwas Besonderem zu verleihen: Harnstoff oder besser bekannt als Urea. Vielen unter uns ist dieser Begriff sicher schon unter den Inhaltsstoffen von Tages- oder Nachtcremes begegnet. „Urea“ und „Harnstoff“ sind ein- und dieselbe Verbindung. „Harnstoff“ ergibt 1,4 Millionen Treffer bei der Google-Suche, „Urea“ kommt auf rund 56 Millionen.

Diamid der Kohlensäure

Chemisch ist Harnstoff/Urea eine organische Verbindung, das Diamid der Kohlensäure. Bei Säugetieren entsteht er als Endprodukt im Eiweiß-Stoffwechsel und der Entgiftung von Ammoniak. Harnstoff wird in der Leber gebildet. Er gelangt über das Blut und die Nieren in den Harn, über den der Mensch täglich 20-30 Gramm davon ausscheidet. 

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Harnstoff (Urea Structural Formula V2, Wikimedia Commons, gemeinfrei) 

Revolution für das Naturverständnis

Bereits im Jahr 1729 entdeckte der holländische Chemiker Herman Boerhaave Harnstoff. Die Synthese gelang jedoch erst 1828 durch Friedrich Wöhler und revolutionierte das damalige Verständnis der Lebensvorgänge. Bis dahin galt als Ordnung in der Natur die Trennung in eine unbelebte und eine belebte Welt. Die Menschen schrieben allen Stoffen in der Natur eine geheimnisvolle Kraft zu, „vis vitalis“. Es galt als ausgeschlossen, einen Stoff der belebten Natur aus mineralischen Stoffen herzustellen. Genau das aber gelang Friedrich Wöhler, der Harnstoff mit all seinen Eigenschaften aus Ammoniumcyanat herstellte, ohne eine zusätzliche „Lebenskraft“ hinzuzufügen. 

Vielfältiger Einsatz

Heute produziert die Industrie Harnstoff großtechnisch und setzt ihn hauptsächlich als Stickstoff-Düngemittel ein. Die Landwirtschaft verwendet Harnstoff auch als Eiweiß-Ergänzung in Futtermitteln für Wiederkäuer. Seine hohe Wasserbindungsfähigkeit macht den Harnstoff zum nützlichen Feuchtigkeitsfaktor vieler Kosmetika, dort bezeichnet als „Urea“. Die Pharmazie nutzt Harnstoff ebenfalls als Wirkstoff. So ist er Grundbaustein in Schlafmitteln und in Wundsalben, in denen er bakterizid wirkt. In der Ersten Hilfe begegnet uns Harnstoff in Kühlpacks. Diese sind in zwei Bereiche aufgeteilt, der eine enthält Harnstoff und der andere Wasser. Werden die Kühlpacks aktiviert, löst sich Harnstoff im Wasser und der kühlende Effekt tritt ein.

In Kraftwerken und Verbrennungsmotoren dient Harnstoff zur Reduktion von giftigen Stickoxiden im Abgas.

Reagiert Harnstoff zum Beispiel mit Formaldehyd entstehen Harnstoffharze, Polymere. Sie zeichnen sich durch eine hohe Lichtechtheit, Schwerbrennbarkeit, Geruchs- und Geschmacklosigkeit aus, sowie Oberflächenhärte und -glanz. Diese Eigenschaften nutzen zum Beispiel der Baustoffstoffsektor und auch die Produktion von Sanitärgegenständen und Elektroartikeln. 
 

Der Beitrag wurde vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Seniorexperten Chemie, einer Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker, erstellt.
Autorin: Dr. Ursula Kraska (bearbeitet durch sue)

In der Reihe „Was ist eigentlich…“ stellen wir in leicht verständlicher Form chemische Substanzen vor, die jeder kennt oder fast jeder benutzt. Alle Beiträge der Reihe: https://faszinationchemie.de/chemie-ueberall

Dieser Beitrag wurde auf FaszinationChemie erstmalig veröffentlicht am 01.10.2019

Dieser Artikel erschien zuerst auf faszinationchemie.de.

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