Wissenschaft + Forschung

2-D-Materialien gezielt dotieren durch Deckschicht | Ein deutsches Team hat das 2-D-Material Molybdänselenid kontrolliert und gezielt mit Cl+-Ionen dotiert. Um diese in die wenigen Atomlagen einzubringen, nutzten die Wissenschaftler:innen eine Deckschicht. Dadurch lassen sich die Materialien mit den gleichen Anlagen herstellen, die derzeit für Si-Chips im Einsatz sind. Weitere 2-D-Materialien sind in Prüfung.<ul class="references"><li>
1 Nanoscale 2021, doi: 10.1039/D0NR08935D</li></ul>
Sensoren: Cellulose statt Metall | Koreanische und deutsche Forscher haben Biosensoren entwickelt, die anders als herkömmliche Sensoren für EEG oder EKG aus Cellulose bestehen. Diese wird leitfähig, wenn sie in salzhaltige Lösung getaucht wird, und haftet zudem ohne Kleber an der Haut. Zudem würden die Zellulosesensoren Hautreizungen vermeiden, seien biologisch abbaubar und mehrmals zu verwenden.<ul class="references"><li>
2 Sci. Adv. 2021, 7(16), eabe7432</li></ul>
Fehlstellen in Graphen-Nanobändern | In neun Atome breiten Sessel-Graphennanobändern (9-AGNRs) sind die häufigsten Defekte fehlende Benzolringe an den Rändern. Dies ermittelten nun Schweizer Forscher. Diese Defekte treten geballt auf und stören den Quantenladungstransport an den Bandkanten, indem sie die Leitfähigkeit verringern.Aus den Erkenntnissen der Forschenden leiteten sie Richtlinien ab, um diese Defekte zu minimieren – ein Schritt zu neuen elektronischen Bauelementen.<ul class="references"><li>
3 2D Mater. 2021, doi: 10.1088/2053-1583/abf716</li></ul>
Von schaltbaren MOFs | Metallorganische Gerüstverbindungen (metal organic frameworks, MOFs) gelten dann als schaltbar, wenn sie auf Einwirkung von Gastmolekülen hin ihre Struktur ändern. Wie deutsche Forscher jetzt zeigen, dirigiert das eingeschlossene Gastmolekül das Netzwerk des MOFs DUT-8 in eine von über tausend möglichen Fehlordnungskonfigurationen.Diese Erkenntnis könnte helfen, Schaltprozesse und Gasaustauschreaktionen in MOFs besser zu verstehen.<ul class="references"><li>
4 Nat. Chem. 2021, doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.1038/s41557-021-00684-4</ext-link></li></ul>
Eliza Leusmann

Meldung

Von Materialien

2-D-Materialien gezielt dotieren durch Deckschicht | Ein deutsches Team hat das 2-D-Material Molybdänselenid kontrolliert und gezielt mit Cl+-Ionen dotiert. Um diese in die wenigen Atomlagen einzubringen, nutzten die Wissenschaftler:innen eine Deckschicht. Dadurch lassen sich die Materialien mit...

Antibiotikaresistenzen breiten sich bedrohlich aus. Mit der seit Jahrzehnten etablierten Methode, nat&uuml;rliche Antibiotika semisynthetisch zu variieren, ist das Rennen gegen die Evolution nicht mehr zu gewinnen. Cleverer Einsatz von Strukturbiologie, Chemie und Computern soll jetzt die Wende bringen.
Bereits seit Mitte der 1990er Jahre kursieren Warnungen vor Supererregern, die gegen fast alle antibakteriellen Wirkstoffe resistent sind. Da Menschen durch Antibiotika einen Selektionsdruck aus&uuml;ben, ist es unvermeidlich, dass sich die Erreger durch Evolution anpassen. Antibiotika werden vielfach dort angewendet, wo sie nicht wirken oder nicht n&ouml;tig sind &ndash; etwa bei viralen Erk&auml;ltungen oder in der Landwirtschaft. Zudem wurden kaum neue Wirkstoffe entwickelt. Dadurch hat sich dieses Problem zu einer Krise entwickelt, obwohl es bereits vor Jahrzehnten erkannt wurde.1) Inzwischen sterben gesch&auml;tzt 700 000 Menschen pro Jahr an Infektionen mit multiresistenten Erregern. Diese Zahl wird bald in die Millionen gehen, wenn Antibiotika weiter an Wirkung verlieren.
Man sollte meinen, unsere moderne Biotechnologie sei den simplen Bakterien &uuml;berlegen. Doch Bakterien und Pilze liegen seit Millionen von Jahren im biochemischen Kriegszustand miteinander. Das Penicillin und viele andere der Antibiotika, die wir in den vergangenen knapp hundert Jahren erfolgreich eingesetzt und abgewandelt haben, waren die Waffen der Pilze &ndash; und Bakterien haben M&ouml;glichkeiten entwickelt, sich gegen diese zu wehren.
Bisher beruhten die meisten medizinisch verwendeten Antibiotika auf Naturstoffen, die chemisch modifiziert wurden. Jetzt, da t&ouml;dliche Infektionskrankheiten zur&uuml;ckkehren, m&uuml;ssen wir neue Wege finden.
<h2>Chemie und Strukturbiologie</h2>
Die Arbeitsgruppe von Maofu Liao an der Harvard-Universit&auml;t nutzt neue Verfahren, um Antibiotika zu entwickeln. Dazu gehen sie von der Strukturbiologie der Zielmolek&uuml;le aus: Statt nach Stoffen zu suchen, die Bakterien t&ouml;ten, sucht die Gruppe nach Wirkstoffen, die an f&uuml;r die Bakterien wichtige Proteine binden. Dann kl&auml;rt das Team die Mechanismen der Wechselwirkung auf und entwickelt neue Substanzen, die auf diese Proteine wirken.
Idealerweise, sagt Maofu Liao, sollten mehrere solcher Wirkstoffe, die verschiedene molekulare Funktionen angreifen, zusammen zum Einsatz kommen, um Resistenzen zu vermeiden. Einen ersten Erfolg dieser neuen Strategie hat die Harvarder Gruppe k&uuml;rzlich gemeldet: zwei neue Substanzen, die auf verschiedene Weise den ABC-Transporter MsbA bei Bakterien wie Escherichia coli angreifen.2)
Solche Gram-negativen Bakterien reagieren nicht auf die klassische Gram-F&auml;rbung der Zellmembran (benannt nach dem d&auml;nischen Bakteriologen Hans Christian Gram, 1853&ndash;1938), denn sie sind von einer zweiten H&uuml;lle umgeben, der &auml;u&szlig;eren Membran. ABC-Transporter sind Membranproteine in der Zellmembran, die mit Energie aus Adenosintriphosphat Molek&uuml;le in den Zwischenraum zwischen den Membranen transportieren. Im Fall von MsbA handelt es sich bei dem Transportgut um Lipopolysaccharide, die zum Aufbau der &auml;u&szlig;eren Membran n&ouml;tig sind.
Liao und Kolleg:innen haben mit den untersuchten Inhibitoren versehene MsbA-Membrankomplexe kryoelektronenmikroskopisch untersucht. Wie sie entdeckten, wirken diese Substanzen auf jeweils unterschiedliche Weise. Die Gruppe identifizierte eine Leitsubstanz, die sie als m&ouml;gliches Antibiotikum weiter entwickeln will. Ausgangsstoff der Leitsubstanz ist dabei Tetrahydrobenzothiophen 1 (TBT1).
Um Resistenzen zu vermeiden, bietet sich auch ein anderes Ziel von Antibiotika an: das bakterielle Ribosom. In Eukaryonten einschlie&szlig;lich Menschen funktioniert diese Proteinfabrik der Zelle zwar im Prinzip genauso wie bei Bakterien, hat sich aber zu viel gr&ouml;&szlig;erer und komplexerer Struktur herausgebildet.3) Daher lassen sich Wirkstoffe gegen die bakterielle Proteinbiosynthese entwickeln, die unseren eigenen Zellen nicht schaden.
<h2>Resistenz: Wie sie entsteht und &uuml;berwunden wird</h2>
Die Arbeitsgruppen von Yuri Polikanov an der University of Illinois in Chicago und Andrew Myers in Harvard haben nicht nur herausgefunden, wie bakterielle Ribosomen gegen das Antibiotikum Clindamycin und &auml;hnliche Wirkstoffe resistent werden, sondern auch, wie sich diese Resistenz &uuml;berwinden l&auml;sst (Abbildungen).4)

<div><img src="https://media.graphcms.com/DBNlkDV5RuauSbqcJaGr" />
Lincomycin (links) ist ein Fermentationsprodukt, das die FDA im Jahr 1964 zugelassen hat. Mit einem Syntheseschritt wird daraus Clindamycin (Mitte), zugelassen im Jahr 1970. Das rechts gezeigte Molek&uuml;l befindet sich derzeit in der pr&auml;klinischen Phase. Orangefarben: Strukturunterschiede von einem Molek&uuml;l zum n&auml;chsten.4)
</div>


<div><img src="https://media.graphcms.com/J3mY4pN7Qc2oKcJHpyJ0" />
Oxepanoprolinamide OPP-1 bis OPP-3. OPP-1 (links) ist &auml;hnlich aktiv wie Clindamycin (obere Abbildung), OPP-2 (Mitte) wirkt stark gegen multiresistente Gram-positive Str&auml;nge etwa von Streptococcus pneumoniae. OPP-3 (Iboxamycin, rechts; diese Nachrichten S. 49) wirkt schon in geringen Konzentration gegen viele Erreger und hat ein zu g&auml;ngigen Antibiotika orthogonales Resistenzprofil. Orangefarben: Strukturunterschiede von einem Molek&uuml;l zum n&auml;chsten.4)
</div>

Die Resistenz beruht auf der Methylierung eines bestimmten Nucleotids in der ribosomalen RNA. Wie Polikanovs Gruppe bereits vorher gezeigt hatte, verdr&auml;ngt diese Modifikation ein Wassermolek&uuml;l aus der Struktur, das f&uuml;r die Wirkung des Antibiotikums notwendig ist.5)
Es sind bereits mehrere bakterielle Methylierungsenzyme bekannt, die diese Art der Resistenz vermitteln. Der neueste Bericht der US-Gesundheitsbeh&ouml;rde CDC zu Antibiotikaresistenzen nennt die Gruppe von Resistenzen, die von einem dieser Enzyme ausgeht, als eines der dr&auml;ngendsten Probleme. Es hilft jedoch nicht, einen Wirkstoff gegen das Enzym zu entwickeln, da andere bereit stehen, es zu ersetzen.
Polikanov und Myers haben nun die Struktur von Clindamycin chemisch modifiziert. So erhielten sie einen neuen Wirkstoffkandidaten namens Iboxamycin, der ebenso wirksam ist und keine der bekannten Resistenzen ausl&ouml;st. Eine Kristallstruktur des Iboxamycin-Ribosom-Komplexes zeigte Unerwartetes: Der neue Wirkstoff schiebt das st&ouml;rende methylierte Nucleotid einfach um zwei Angstr&ouml;m zur Seite.
Mit neuen Wirkstoffen und wie diese die Resistenzen umgehen k&ouml;nnen befasst sich auch ein Positionspapier der &bdquo;International Research Alliance for Antibiotic Discovery &amp; Development&ldquo; (IRAADD). Federf&uuml;hrend beim Positionspapier und der Allianz ist Rolf M&uuml;ller am Helmholtz-Institut f&uuml;r Pharmazeutische Forschung Saarbr&uuml;cken (HIPS).6)
<h2>Supercomputer</h2>
Die ersten nat&uuml;rlichen Antibiotika wurden durch Zufall entdeckt, etwa Flemings Penicillin im Jahr 1928, weitere durch Screening von Naturstoffen. Die Wissenschaft verf&uuml;gt heute &uuml;ber mehr Methoden, um das Antibiotikaproblem anzugehen, als die Forscher zu Flemings Zeit. Darunter sind Supercomputer, welche die Wirksamkeit von Molek&uuml;len durch Simulationen vorhersagen.
Gerhard K&ouml;nig vom Max-Planck-Institut f&uuml;r Kohlenforschung in M&uuml;lheim und Kolleg:innen in Essen, Bochum, Israel und Australien haben die Rechenkraft eines Supercomputers auf die Klasse der Macrolidantibiotika losgelassen, die sich vom Naturstoff Erythromycin ableiten.7)
Die Forscher:innen w&auml;hlten Bedingungen, welche die Substanz erf&uuml;llen musste, etwa synthetische Zug&auml;nglichkeit, Wasserl&ouml;slichkeit, Zellpermeabilit&auml;t, Bindungsaffinit&auml;t und Ungiftigkeit. Mit diesen Vorgaben lie&szlig;en sie dann den Supercomputer ausgehend von dem existierenden Antibiotikum Clarithromycin arbeiten. Er lieferte drei Derivate, die das Team dann synthetisierte und in Laborexperimenten pr&uuml;fte. Anhand der experimentellen Ergebnisse konnten sie die Computermethoden bewerten und verbessern.
Informationstechnik kann zudem dabei helfen, zu verstehen, wie sich Resistenzgene unter Bakterien ausbreiten. Der horizontale Gentransfer zwischen Bakterien, auch zwischen verschiedenen Arten, kommt h&auml;ufig vor und wird durch Selektionsdruck beg&uuml;nstigt. Wann genau welche Mikroben Gene austauschen, war bisher allerdings nicht bekannt. Ilana Brito an der Cornell-Universit&auml;t in Ithaca im US-Bundesstaat New York hat nun mit maschinellem Lernen Methoden entwickelt, die diesen Gentransfer modellieren.8) Diese neue Technik erwies sich als besonders erfolgreich bei der Analyse von Bakterien, die im Kontakt mit Menschen leben, und mit medizinisch relevanten Genen wie etwa denen, die Antibiotikaresistenz vermitteln.
<h2>Alternative Ans&auml;tze</h2>
Einen anderen Ausweg aus dem Dilemma bietet wom&ouml;glich eine Alternative, die sogar &auml;lter ist als das Penicillin, aber immer eine Au&szlig;enseiterrolle spielte: die Phagentherapie. Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien infizieren, uns aber nichts antun, weil wir uns zu sehr von Bakterien unterscheiden. Ein Vorteil ist, dass sie ebenso wie Bakterien evolvieren und somit auf die Anpassung von Bakterien ihrerseits mit neuen Mitteln reagieren.
Ein Nachteil, der die Methode trotz vielversprechender Einzelberichte immer zur&uuml;ckgehalten hat, ist die Unw&auml;gbarkeit des Arbeitens mit biologischem, also sich ver&auml;nderndem Material. Reinheits- und Qualit&auml;tskontrollen wie bei rein chemischen Wirkstoffen m&uuml;ssen hier durch biologische Kontrollen ersetzt werden, etwa in Zellkulturen. Es ist auch schwieriger, die Rezepturen konstant zu halten und ihre Zusammensetzung patentrechtlich zu sch&uuml;tzen, was das geringe Interesse der Industrie an dieser Idee erkl&auml;rt.
Dennoch verfolgen einige Unerm&uuml;dliche das Konzept weiter. Vor kurzem entwickelte die Arbeitsgruppe von Stefano Pagliara an der Universit&auml;t Exeter in Gro&szlig;britannien ein Testsystems. Dieses soll die Umgebung besser repr&auml;sentieren, in der sich Bakterien und zu medizinischen Zwecken verabreichte Phagen im menschlichen K&ouml;rper begegnen.9) Sie nutzten dies, um zu analysieren, wie Escherichia coli in einer solchen Umgebung dem Phagenangriff entgeht. Wie sich zeigte, stellt es weniger der Rezeptoren her, an denen die Phagen andocken.
Der promovierte Chemiker Michael Gro&szlig; ist freier Wissenschaftsjournalist in Oxford, England.

<div><img src="https://media.graphcms.com/iCagj1zNSDSBBIfIGqMI" />
St&auml;bchenbakterien. Bild: SciePro/AdobeStock
</div>

<h2>AUF EINEN BLICK</h2>
Um gegen Bakterien vorzugehen, die nicht mehr auf g&auml;ngige Antibiotika reagieren, gibt es mehrere Strategien.
Neben neuen Zielorten, an die Wirkstoffe binden sollen, wird auch gepr&uuml;ft, wie sich Resistenzentstehung vermeiden l&auml;sst.
Zum Teil gen&uuml;gt es schon, das st&ouml;rende Molek&uuml;l ein wenig aus seiner Position zu verdr&auml;ngen. Aber auch die Phagentherapie wird attraktiver.
<ul class="references">
<li>1 M. Gro&szlig;, Nachr. Chem. 2014, 62, 445&ndash;447</li>
<li>2 F. A. Th&eacute;lot, W. Zhang, K. Song et al., Science 2021, 374, 580&ndash;585</li>
<li>3 M. Gro&szlig;, Nachr. Chem. 2020, 68(10), 65&ndash;67</li>
<li>4 M. J. Mitcheltree, A. Pisipati, E. A. Syroegin et al., Nature 2021, doi: 10.1038/s41586&ndash;021&ndash;04045&ndash;6</li>
<li>5 M. S. Svetlov, E. A. Syroegin, E. V. Aleksandrova et al., Nat. Chem. Biol. 2021, 17, 412&ndash;420</li>
<li>6 M. Miethke, M. Pieroni, T. Weber et al. Nat. Rev. Chem. 2021, 5, 726&ndash;749</li>
<li>7 G. K&ouml;nig et al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2021, doi: <ext-link ext-link-type="doi">10.1073/pnas.2113632118</ext-link></li>
<li>8 H. Zhou, J. F. Beltr&aacute;n, I. L. Brito, Sci. Adv. 2021, 7, abj5056</li>
<li>9 E. L. Attrill, R. Claydon, U. Lapinska et al., PLoS Biol. 2021, 19, e3001406</li>
</ul>

Meldung

Von Materialien

Überprüfung Ihres Anmeldestatus ...