Bildung + Gesellschaft

Die GDCh ermittelt jährlich Daten zur Zahl der Studierenden, abgelegter Prüfungen sowie zur Studiendauer – und dies bereits seit 1952. Die Angaben stammen von den Chemiefachbereichen der Hochschulen in Deutschland. Die Statistik erfasst Daten der BSc.- und MSc.-Studiengänge sowie Promotionen in Chemie/Wirtschaftschemie, Biochemie/Life Sciences, Lebensmittelchemie und Daten der Chemiestudiengänge an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften.
Die Infografik zur Statistik der Chemiestudiengänge2021 steht als PDF-Download zur Verfügung.

Statistik der Chemiestudiengänge 2021

Die GDCh ermittelt jährlich Daten zur Zahl der Studierenden, abgelegter Prüfungen sowie zur Studiendauer – und dies bereits seit 1952. Die Angaben stammen von den Chemiefachbereichen der Hochschulen in Deutschland. Die Statistik erfasst Daten der BSc.- und MSc.-Studiengänge sowie Promotionen in C...

Wer Forschung öffentlich vermitteln möchte, muss sich über seine Ziele im Klaren sein und seine Zielgruppen kennen.
Im Dezember 2021 titelte die Bild-Zeitung „Die Lockdown-Macher“, darunter die Porträts dreier Wissenschaftler:innen, die sich in der Coronapandemie mit ihren Forschungsergebnissen zu Wort gemeldet hatten. Es folgte ein Aufschrei in der Wissenschaft. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen rief „zu mehr Sachlichkeit in Krisensituationen” auf, betonte die Relevanz wissenschaftlicher Erkenntnisse und forderte, Wissenschaftler:innen müssten ihre Einschätzungen frei öffentlich äußern können.1)Gelungen ist dies in den Augen vieler innerhalb von Wissenschaft und Forschung mit dem Podcast Coronavirus-Update von NDR Info mit Christian Drosten und später Sandra Ciesek. Der Podcast thematisierte immer wieder wissenschaftliche Methoden, das Vorgehen in der Forschung sowie die Vorläufigkeit und Unsicherheit von Erkenntnissen.Die beiden Beispiele zeigen, dass Fragen zu Wissenschaftskommunikation und der Rolle von Wissenschaft in der Gesellschaft beachtet werden. Die Diskussion darüber ist nicht neu. In Deutschland wird sie seit dem Jahr 1999 verstärkt geführt. Damals unterzeichneten die großen Wissenschaftsorganisationen, unter ihnen die Max-Planck-Gesellschaft, die Hochschulrektorenkonferenz und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, ein Memorandum für „Public Understanding of Science and Humanities“.2) In dessen Folge wurde Wissenschaft im Dialog gegründet als gemeinsame Organisation der Wissenschaft für <xref rid="nadc20224125385-fig-0001" ref-type="fig">Wissenschaftskommunikation</xref>.<figure><img src="https://media.graphassets.com/F9jLH6jkS5eXsShk4kOx"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Foto: kasto / Adobe Stock</figcaption></figure>
<h2>Entwicklungen</h2>(Externe) Wissenschaftskommunikation wird als Kommunikation für und mit außerwissenschaftlichem Publikum verstanden – in Abgrenzung zur Kommunikation innerhalb der Wissenschaft. Inhalte von Wissenschaftskommunikation können Informationen über die Produktion, Inhalte, Nutzung und Wirkung von Wissenschaft und Forschung sein.3) Heute gibt es dafür vielfältige Formate – vor Ort wie online: Tage der offenen Tür, Kinderunis oder Lange Nächte der Wissenschaften. Wissenschaftliche Inhalte sind auf Youtube, Twitch, Instagram oder Tiktok zu finden.Dabei kommunizieren Akteure mit unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen. Wissenschaftler:innen treten in der Öffentlichkeit auf, Wissenschaftsjournalist:innen berichten in Medien. Kommunikationsabteilungen wissenschaftlicher Einrichtungen haben sich vergrößert4) mit Bild-, Video- oder Social-Media-Redakteur:innen. Sonderforschungsbereiche und Exzellenzcluster haben eigenes Kommunikationspersonal. Online erzielen einige mit wissenschaftlichen Inhalten hohe Reichweiten und Follower-Zahlen, ein Beispiel ist die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim, die mit einem Youtube-Kanal startete. Inzwischen moderiert sie Wissenschaftsshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, veröffentlicht Bücher und ist Gast in Talkshows.<h2>Konkrete Ziele</h2>Mit diesen Entwicklungen einher geht eine Diskussion darüber, welche Wirkungen die Akteure in der Öffentlichkeit erreichen sollen und können. Klassische Ziele sind das Vermitteln von Wissen und Forschungserkenntnissen, das Befördern des Verständnisses für Forschung oder die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses. Dazu kommt inzwischen der Wunsch, das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung zu stärken, zur Wissenschaftsmündigkeit der Bevölkerung beizutragen, einen Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, zwischen Bürger:innen und Forschenden zu starten oder Bürger:innen an Wissenschaft teilhaben zu lassen.5)Häufig scheuen sich die Akteure in der Wissenschaftskommunikation davor, konkrete Ziele der Kommunikation festzulegen.6) So bleibt beispielsweise offen, welchem Zweck letztendlich der Dialog mit der Öffentlichkeit dient. Oder die Akteure hoffen, mit vermeintlich rein informierenden Formaten Zielgruppen zu überzeugen. Ein Grund dafür ist vermutlich der Wunsch, nicht messen und nicht nachweisen zu müssen, inwieweit Wissenschaftskommunikation ihre vorab formulierten Ziele erreicht. Zudem sind strategische Ziele für die Wissenschaftskommunikation nicht rein empirisch festzulegen. Vielmehr sind es auch normative und politische Fragen danach, welches Verhältnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit anzustreben ist und welche gesellschaftliche Rolle Wissenschaft einnehmen soll. Dies erschwert es, Ziele zu formulieren.Außerdem müssen konkrete Ziele jeweils für eine spezifische Zielgruppe formuliert sein und die Kommunikationsaktivitäten entsprechend geplant werden. Dies erhöht die Komplexität.7)<h2>Zielgruppen</h2>Damit sich bei unterschiedlichen Zielgruppen Anknüpfungspunkte für Wissenschaftskommunikation ergeben, müssen die Akteure sie genau kennen. Neben soziodemografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildung oder Wohnort, die häufig zur Beschreibung von Zielgruppen dienen, sind besonders die Einstellungen der Zielgruppen gegenüber Wissenschaft und Forschung wichtig, damit ein wissenschaftskommunikatives Format daran anknüpfen kann und wirkt.Um etwas über Zielgruppen der Wissenschaftskommunikation in Deutschland zu erfahren, eignen sich unter anderem die Daten bevölkerungsrepräsentativer Meinungsumfragen. Für die deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 14 Jahren erhebt Wissenschaft im Dialog seit dem Jahr 2014 mit dem Wissenschaftsbarometer regelmäßig die Einstellungen gegenüber Wissenschaft und Forschung.8)Dabei zeigen die für die Gesamtbevölkerung aggregierten Daten des Wissenschaftsbarometers ein Interesse an wissenschaftlichen Themen, ein positives Bild von Forschung und ihrem gesellschaftlichen Nutzen und ein großes Vertrauen in Wissenschaft und Forschung. Besonders zu Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2020 stieg dieses signifikant an (<xref rid="nadc20224125385-fig-0002" ref-type="fig">Grafik</xref>).<figure><img src="https://media.graphassets.com/uwLBlMgWSz6nyONBfwH2"><figcaption><label>Abb. 2: </label>„Wie sehr vertrauen Sie Wissenschaft und Forschung?“ fragt die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ jährlich. Dies sind die Antworten einer repräsentativen Befragung mit jeweils mindestens 1000 Befragten.</figcaption></figure>
Allerdings prägen nicht alle Disziplinen und Forschungsrichtungen gleichermaßen das Bild der Wissenschaft bei Bürger:innen. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren Medizin- und Gesundheitsthemen, Technikfragen und neue Technologien. Insgesamt prägen Naturwissenschaften das Bild stärker als Geistes- und Sozialwissenschaften. Während beispielsweise auf die offene Frage danach, was ihnen als erstes in den Sinn kommt, wenn sie an Wissenschaft oder Forschung denken, zumindest drei Prozent der Befragten explizit etwas aus der Chemie nennen, sind es für alle geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen nur zwei Prozent.Das Wissen über Einstellungen und Meinungen der Gesamtbevölkerung ist spannend; wichtiger für die Umsetzung und Planung wissenschaftskommunikativer Angebote ist es, Teilgruppen zu betrachten. Basierend auf den Daten des Wissenschaftsbarometers 2017 lassen sich anhand ähnlicher Einstellungen gegenüber Wissenschaft und Forschung fünf Gruppen identifizieren. Deren Anteile an der Gesamtbevölkerung betragen jeweils zwischen 13 und 25 Prozent (<xref rid="nadc20224125385-fig-0003" ref-type="fig">Abbildung</xref>).9)<figure><img src="https://media.graphassets.com/jw8YPbqYSzmviHgQtUXA"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Einstellungen der Wissenschaft gegenüber und wie sie in der Bevölkerung in Deutschland verteilt sind.</figcaption></figure>
Eine Gruppe ließ sich als geradezu wissenschaftsenthusiastisch beschreiben, während eine andere zwar kein allzu großes Interesse an wissenschaftlichen Inhalten zeigte, Wissenschaft und Forschung aber positiv gegenüber steht. Eine dritte Gruppe offenbarte ein eher durchschnittliches Wissenschaftsvertrauen, zeigte sich aber aufgeschlossen für Dialog und Partizipation. Gruppen, die Wissenschaft und Forschung nicht so positiv gegenüberstehen, teilen sich in jene, die kritisch gegenüber Wissenschaft und Forschung sind, und jene, die sich desinteressiert zeigen und Forschung gleichgültig gegenüberstehen.<h2>Unterschiedliche Angebote</h2>Für all diese Gruppen sind die kommunikativen Angebote anders zu gestalten, um sie für eine Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Forschung zu gewinnen. Für wissenschaftsinteressierte oder gar -affine Zielgruppen gibt es bereits viele Gelegenheiten, wissenschaftliche Einrichtungen zu besuchen und mit Forschung in Kontakt zu kommen. Sie können in gedruckten oder elektronischen Medien Reportagen und Geschichten aus der wissenschaftlichen Welt finden, und Citizen-Science-Projekte oder Bürger:innen-Dialoge ermöglichen ihnen Austausch und Teilhabe.Für jene allerdings, die der Wissenschaft kritisch oder gleichgültig gegenüberstehen, fehlen häufig Angebote.10) Hier braucht es andere Möglichkeiten wie niedrigschwellige Formate, die an den Orten und in den Netzwerken ansetzen, an und in denen sich die Menschen in ihrem Alltag bewegen, und Projekte, die tatsächlich eine Auseinandersetzung mit kritischen Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung erlauben.<h2>Die Zukunft</h2>Wenn sie zielgruppengerecht gestaltet ist, kann Wissenschaftskommunikation mit den unterschiedlichen Gruppen in Kontakt kommen und etwas bewirken. Dafür brauchen wir im Wissenschaftssystem mehr Reflexion darüber, was Wissenschaftskommunikation bei wem erreichen soll. Und es braucht mehr kritische Betrachtungen der aktuellen Praxis durch Forschung und Evaluation,11) um herauszufinden, wann Wissenschaftskommunikation erfolgreich ist und tatsächlich einen Unterschied macht.Zentral für die Wissenschaftskommunikation in der Zukunft sind außerdem Wissenschaftler:innen, die bereit sind, als Teil ihres Berufs öffentlich zu kommunizieren. Dafür brauchen sie Unterstützung in wissenschaftlichen Einrichtungen – von denjenigen, die für Kommunikation verantwortlich sind, und von den Leitungen. Als authentische Vertreter:innen von Wissenschaft und Forschung sind es die Wissenschaftler:innen selbst, die verdeutlichen können, welches Wissen und welche Erkenntnisse die Forschung anzubieten hat und auf Rückfragen und Einwände von Bürger:innen eingehen können.Die Politikwissenschaftlerin Ricarda Ziegler leitet bei Wissenschaft im Dialog den Bereich Qualität und Transfer. Sie verantwortet dort unter anderem das Wissenschaftsbarometer sowie die Impact Unit, mit der sich die Organisation für Evaluation und Wissenschaftskommunikation einsetzt.<h2>AUF EINEN BLICK</h2>Akteur:innen der Wissenschaftskommunikation fällt es oft schwer, konkrete Ziele ihrer Kommunikation zu definieren.Für Bevölkerungsgruppen, die sich für Wissenschaft interessieren, gibt es bereits viele Formate für Austausch und Teilhabe.Es fehlen passende Angebote für jene, die Wissenschaft gleichgültig oder kritisch gegenüberstehen.
<ul class="references"><li>
1 <a href="https://www.wissenschaftsrat.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/PM_2021/PM_Allianz_zur_BILD-Zeitung.html" target="_blank">www.wissenschaftsrat.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/PM_2021/PM_Allianz_zur_BILD-Zeitung.html</a>, (Stand 19.04.2022)</li><li>
2 <a href="https://www.stifterverband.org/ueber-uns/geschichte-des-stifterverbandes/push-memorandum" target="_blank">www.stifterverband.org/ueber-uns/geschichte-des-stifterverbandes/push-memorandum</a>, Stand ( 19.04.2022)</li><li>
3 M. S. Schäfer, S. Kristiansen, H. Bonfadelli, (Hrsg.), Wissenschaftskommunikation im Wandel, Köln 2015</li><li>
4 <a href="https://www.wissenschaftskommunikation.de" target="_blank">www.wissenschaftskommunikation.de</a>.</li><li>
5 <a href="https://www.bundesverband-hochschulkommunikation.de/aktuelles/news/einzelnews/studie-hochschulkommunikation-erforschen-des-kit-erste-ergebnisse-liegen-vor/" target="_blank">www.bundesverband-hochschulkommunikation.de/aktuelles/news/einzelnews/studie-hochschulkommunikation-erforschen-des-kit-erste-ergebnisse-liegen-vor/</a> (Stand 19.04.2022)</li><li>
6 R. Ziegler, L. Fischer, Ziele von Wissenschaftskommunikation – Eine Analyse der strategischen Ziele relevanter Akteure für die institutionelle Wissenschaftskommunikation in Deutschland, 2014–2020, Wissenschaft im Dialog, Berlin 2020</li><li>
7 R. Ziegler, I. R. Hedder, L. Fischer, Front. Commun. 2021 6, 669744.</li><li>
8 J. C. Besley, A. Dudo, S. Yuan, Public Underst. Sci. 2018, 27, 708–730</li><li>
9 <a href="https://www.wissenschaftsbarometer.de" target="_blank">www.wissenschaftsbarometer.de</a></li><li>
10 <a href="https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/abgeschlossene-projekte/wissenschaft-fuer-alle/downloads/" target="_blank">www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/abgeschlossene-projekte/wissenschaft-fuer-alle/downloads/</a>, Stand 19.04.2022</li><li>
11 R. Ziegler, I. R. Hedder, L. Fischer, Front. Commun. 2021, 669744.</li></ul>

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