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Schaffe ich den Marathon? – Bioprofilierung

Das Laufen langer Strecken wurde im 19. Jahrhundert populär. Zu den Olympischen Spielen 1896 in Athen wurde vor dem Hintergrund des legendären Laufes des Boten Pheidippides von Athen nach Sparta der erste Marathonlauf organisiert. Ultramarathon-Läufe von mehr als 50 km Länge kamen jedoch erst im letzten Jahrhundert auf. Sei es ein 100 km- oder ein 24 h-Lauf, eine Mehr-Etappen-Gebirgsquerung oder ein Flußtal-Lauf – immer wieder finden es Sportler*innen reizvoll, ihre körperlichen Fähigkeiten mit extremen Herausforderungen auf die Probe zu stellen. Gleichzeitig steigt das Interesse der Sportmediziner*innen an den biochemischen Prozessen, die solche Hochleistungen ermöglichen. Wer wüsste schon nicht gern, ob das Training ausgereicht hat, um den nächsten Langstreckenlauf zu schaffen, geschweige denn zu gewinnen?

Der Transeuropalauf TEFR 2009

Der 4487.7 km lange Lauf von Italien nach Norwegen in 64 Tagen (Abb. 1, 2) bot schließlich die Möglichkeit zu umfassenden Untersuchungen. Finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft begleitete ein Studien-Truck mit diversem medizinischen Gerät einschließlich MRT die Läufer*innen. Ein Team aus Ärzt*innen untersuchte die Sportler*innen regelmäßig, um zu ermitteln, wie sich der Körper auf die extreme Anstengung und das Fehlen von ausreichend Erholungszeit einstellte. Von den 44 Läufern (4 Frauen), die täglich ca. 70 km absolvieren mussten, erreichten 30 das Ziel, davon eine Frau. Alle waren durchtrainiert und erfahrene Langstreckenläufer*innen. Warum also gaben manche von ihnen auf?

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Abb. 1: TEFR-Laufstrecke (© Sebastian Bentele auf Wikimedia, cc-by-sa 3.0)

Hochleistung und Widerstandsfähigkeit

Sieg oder Niederlage hatte nicht unbedingt etwas mit der Leistungsfähigkeit zu tun: TEFR-Etappen wurden bei jedem Wetter gelaufen – Läufer*innen erkälteten sich oder zogen sich Verletzungen zu; mancher hatte schlichtweg Pech. Dennoch gab es Hinweise, dass das Trainingspensum einen Einfluss auf den Lauferfolg haben könnte. Finisher liefen ungefähr doppelt so viele Kilometer pro Woche vor dem Rennen wie Nicht-Finisher. Diese Beobachtung deutete darauf hin, dass Erstere körpereigene Mechanismen entwickelt haben könnten, die ihnen eine höhere Leistungsfähigkeit ermöglichten. Ein Screening der Urine der Läufer*innen hat die These bestätigt.

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Abb. 2: TEFR-Läufer*innen und der begleitende MRT-Truck (© U. Schütz)

Analytik kleiner Moleküle

Die moderne Massenspektrometrie erlaubt die Messung vieler Substanzen in kurzer Zeit. In sogenannten shot-gun-Messungen (Abb. 3, 4) werden Informationen zu Tausenden von Molekülen in einem Experiment ermittelt. Die Auswertung dieser riesigen Datensätze erfolgt mit einer geeigneten Software, die die Unterschiede zwischen bestimmten Probenzuständen herausarbeitet (Abb. 5). Dieses Verfahren wurde auf die Urine der TEFR-Läufer angewendet, und es zeigte sich, dass deren Bioprofile sich zu Beginn des Laufes signifikant unterschieden. Die Ergebnisse (Di- und Tripeptide, Sphingolipide, Glycerophospholipide, Oligosaccharidverbindungen, Thiamintriphosphat etc.) deuteten auf einen exzellent angepassten Energiemetabolismus der Finisher, die so mit der Dauerbelastung und der negativen Energiebalance während des Laufes besser umgehen konnten als die Nicht-Finisher.

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Abb. 3: Anlage zur Messung von Bioprofilen: Synapt G2 Si Massenspektrometer gekoppelt an eine Nanofluss-Chromatographie-Anlage (© S. König)

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Abb. 4: Proben im Autosampler warten auf die Injektion in den Chromatographen (© S. König)

Training und Analytik

Die Frage, wie man sich am besten auf einen Langstreckenlauf oder auch auf andere körperliche Herausforderungen vorbereitet, kann mit diesen Ergebnissen in der Zukunft möglicherweise besser beantwortet werden. Bereits jetzt hat die chemische Analytik einen festen Platz in der Sportmedizin. Bevor aber engültig klar wird, welche biochemischen Prozesse die ausschlaggebende Rolle bei Ultramarathon-Läufen spielen, bedarf es noch weiterer Forschung und auch der Validierung dieser ersten Ergebnisse in künftigen Rennen.

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Abb. 5: Workflow in Profilierungsexperimenten mit an Chromatographie gekoppelte Massenspektrometrie. A) Eine Vielzahl von Messungen wird mit statistischen Mitteln verglichen. Gibt es molekulare Unterschiede zwischen den Gruppen, trennen sich die Proben in der Hauptkomponentenanalyse (PCA). B) Die unterschiedlichen Moleküle werden validiert und können ggf. zur Trainingskontrolle eingesetzt werden. (© S. König)

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Abb. 6: TEFR-Läufer*innen an Tag 29 (© U. Schütz)

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Prof. Dr. Simone König

Core Unit Proteomics, Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung, Universität Münster

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Prof Dr. Uwe Schütz

Klinik für Diagnostik und Interventions Radiologie, Universitäts Hospital Ulm

Zum Weiterlesen:

1

S. König, Charlotte Jockenhöfer, C. Billich, Beer M, J. Machann, Arno Schmidt-Trucksäss*, U. Schütz*, Long distance running: molecular indicators from urine profiling - can bioprofiling predict success in endurance athletes? Medical Hypotheses, 2021,

2

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S030698772033365X

Dieser Artikel erschien zuerst auf faszinationchemie.de.

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