Gesellschaft Deutscher Chemiker

Reizender Körperschmuck – Analytik von Tattoos

Wenn tätowierte Haut juckt oder schwillt, könnte es an den verwendeten Pigmenten liegen. Die Untersuchung von Hautbiopsien soll mögliche Zusammenhänge zwischen Tätowierfarben und Hautreizungen aufklären.

Etwa zwölf Prozent aller Europäer sind laut aktuellen Studien tätowiert, Tendenz steigend. Die damit verbundenen Risiken sind jedoch noch nicht vollständig untersucht. Das liegt auch daran, dass Tätowierfarben ein komplexes Gemisch verschiedener Substanzen sind, auf die jede Person individuell reagiert. Sie enthalten eine Trägerflüssigkeit, zumeist Wasser oder kurzkettige Alkohole. Hinzu kommen farbgebende Pigmente und Additive wie Konservierungsstoffe, Binde-, Suspensions- und Antischaummittel.

Die Pigmente zeichnen sich durch eine geringe Löslichkeit in Wasser und vielen organischen Lösungsmitteln aus. So bleibt ein Tattoo lebenslang erhalten. Als anorganische Pigmente werden Eisenoxide für rötliche bis schwarze Farbtöne verwendet. Ruß, Carbon Black genannt, kommt bei schwarzen Tattoos und Titandioxid als Weißpigment zum Einsatz. Für bunte Farben sorgen meist organische Pigmente, etwa aus den Klassen der Phthalocyanine, Chinacridone und Azoverbindungen.

Verunreinigte Pigmente

Alle Pigmente werden industriell gefertigt und sind hauptsächlich für den Gebrauch in Druckfarben, Autolacken oder Wandfarben vorgesehen. Aufgrund ihrer geringen Löslichkeit werden sie meistens durch Fällungsprozesse hergestellt und in der Regel ohne Aufreinigung verwendet. Ihre Reinheit liegt daher nur zwischen 70 und 90 Prozent. Auftretende Verunreinigungen sind abhängig von der Substanzklasse und umfassen beispielsweise polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe in Carbon Black, primäre aromatische Amine in Azopigmenten sowie Schwermetalle wie Nickel, Cobalt und Chrom in eisenbasierten Pigmenten. Zusätzlich treten Nebenprodukte und Vorstufen der Synthese auf. Je nach Hersteller und Produktionsprozess ist ein unterschiedliches Verunreinigungsprofil zu erwarten.

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Abb. 1: Zusammensetzung von Tätowierfarben (links) sowie einige chemische Strukturen von enthaltenen Pigmenten und Additiven (PR: Pigment Red, PB: Pigment Blue, PV: Pigment Violet, PY: Pigment Yellow).

Pigmente in Hautproben analysieren

Tattoos können zu Komplikationen führen, die von juckender Haut bei Sonneneinstrahlung bis zu Allergien und anderen unerwünschten Haut- oder Körperreaktionen reichen. Um die persistenten Bestandteile, vor allem die Pigmente, in gereizter Haut chemisch zu charakterisieren, werden Hautbiopsien analysiert.

Die Untersuchung von Pigmenten in Hautproben ist aufgrund ihrer begrenzten Löslichkeit, der komplexen Matrix und der inhomogenen Verteilung im Gewebe eine Herausforderung. Nach der Hautentnahme, etwa per Stanzbiopsie, wird die Probe chemisch aufgeschlossen oder enzymatisch verdaut. Alternativ können Dünnschnitte angefertigt werden, die sich zusätzlich für eine histologische Untersuchung eignen.

 

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Abb. 2: Schema zur Entnahme und Untersuchung von Proben tätowierter Haut.

Verschiedene Analysemethoden nötig

Für eine umfassende Analytik müssen sowohl element- als auch molekülspezifische Methoden angewandt werden. Zur Identifizierung anorganischer Pigmente bietet sich die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF) an. Eine bildgebende Variante ist die mikro-XRF (µXRF). Dank deren Ortsauflösung lässt sich zwischen körpereigenen Elementen und Pigmentablagerungen unterscheiden. So gelingt die Korrelation von Elementsignalen mit Pigmentablagerungen, die in der optischen Mikroskopie sichtbar sind. Die Methode dient vor allem dem zerstörungsfreien Screening auf Elemente in anorganischen Pigmenten und Heteroatome in organischen Pigmenten. Die Quantifizierung mit XRF hingegen ist aufwendig und die Sensitivität zudem eingeschränkt.

Für die Bestimmung von metallischen Verunreinigungen eignen sich sensitivere Methoden wie die induktiv gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie (ICP-MS). Die ICP-MS kann sowohl nach Mikrowellenaufschluss des Gewebematerials erfolgen als auch bildgebend mit der Laserablations (LA)-ICP-MS. Für die Quantifizierung von Metallen direkt im Gewebe, also ohne Extraktionsschritte, können matrix-angepasste Standards für die externe Kalibrierung hergestellt werden.

Organische Pigmente wiederum lassen sich mit schwingungsspektroskopischen Techniken wie der Raman-Spektroskopie oder der Infrarot-Spektroskopie identifizieren. Diese Methoden weisen eine hohe Analysengeschwindigkeit, aber eine geringere Selektivität auf, da sie eher funktionelle Gruppen als individuelle Moleküle nachweisen.

Flüssigchromatographische Methoden eignen sich wegen der geringen Löslichkeit der Analyten ebenfalls nur für wenige Pigmente. Außerdem erfordern sie eine aufwendige Probenvorbereitung wie Enzymaufschlüsse oder Extraktionen aus dem Gewebe.

Abgleich mit Spektrendatenbanken

Eine universellere Möglichkeit zur Charakterisierung von organischen Molekülen bietet die Laserdesorptions-/Ionisations-Massenspektrometrie (LDI-MS) beziehungsweise die Matrix-assistierte LDI-MS (Maldi-MS). Bei der Maldi-MS führt die Zugabe einer stark absorbierenden Matrix in seltenen Fällen zu einer Erhöhung der Signalintensität der Pigmente im Vergleich zu LDI-MS. Eine Ionisierung der meisten Pigmente kann allerdings – wegen ihrer Absorptionsmaxima im Wellenlängenbereich der eingesetzten Laser – ohne zusätzliche Matrix erfolgen. Die Pigmentbereiche werden dabei selektiv ionisiert. Aufschluss- und Extraktionsschritte sind nicht nötig, sodass die Analyse direkt auf dem Gewebe erfolgt.

Um die große Strukturvielfalt der organischen Pigmente abzudecken, empfiehlt sich die Nutzung von Spektrendatenbanken reiner Pigmente. Die Spektren von tätowierter Haut können mit denen in der Datenbank abgeglichen und so entsprechenden Substanzen zugeordnet werden.

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Abb. 3: Komplementäres Imaging tätowierter Hautproben:

1. Mikroskopie zur Lokalisierung der Pigmente. 2. µXRF zur zerstörungsfreien Detektion stark konzentrierter Elemente, wobei das Element Schwefel (S) der Darstellung der Gewebestruktur dient. 3. LDI-MS auf demselben Schnitt mit anschließendem Datenbankabgleich der Spektren zwecks Identifizierung organischer Pigmente. Titan und die beiden organischen Pigmente zeigen eine ähnliche Verteilung, die sich mit den Pigmentablagerungen in der optischen Mikroskopie deckt. (Bilder: C. Wolf et al., Universität Münster)

Untersuchung von 68 Hautproben

Mit der Kombination aus bildgebender µXRF und LDI-MS wurden 68 Hautbiopsien untersucht, die Unverträglichkeitsreaktionen im tätowierten Bereich zeigten. Das genaue Vorgehen wurde im Februar 2022 in der Fachzeitschrift Analytical Chemistry beschrieben.

Titan wurde in 56 Prozent der Proben nachgewiesen, Eisen in 35 Prozent. Das weist auf die Verwendung der Pigmente Titandioxid und Eisenoxide hin. Die am häufigsten identifizierten organischen Pigmente waren Pigment Red 122 (in 40 Prozent der Proben) und Pigment Violet 19 (in 31 Prozent der Proben) aus der Gruppe der Chinacridone, die Naphthol-AS-Derivate Pigment Red 170 (in 40 Prozent der Proben) und Pigment Red 266 (in 28 Prozent der Proben) sowie das Phthalocyanin Pigment Blue 15 (in 31 Prozent der Proben).

Eine häufige Detektion bestimmter Pigmente deutet potenzielle Gefahren an. Ob und in welcher Weise die identifizierten Pigmente oder deren Abbauprodukte und Verunreinigungen aber tatsächlich zu Hautreaktionen führen, müssen weitere Studien noch klären.

Autorinnen und Autoren:

Carina Wolf und Uwe Karst, 
Universität Münster
carina.wolf@uni-muenster.de

Corinna Brungs, Tschechische Akademie der Wissenschaften, Prag


Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in analytica pro, dem dem offiziellen Messe-Magazin zur Analytica 2024. 
Herausgeber: Gesellschaft Deutscher Chemiiker e.V. in Zusammenarbeit mit der Messe München GmbH (Download auf dieser Seite)

Weiterer Beitrag auf Faszinationchemie: Tattoos – Chemiecocktails unter der Haut 

Dieser Artikel erschien zuerst auf faszinationchemie.de.

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