Gesellschaft Deutscher Chemiker

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Neuer Name für renommierten Preis

Nachrichten aus der Chemie, Juli 2022, Seite 109, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Der GDCh-Vorstand hat die Namensänderung des bisherigen Alfred-Stock-Gedächtnispreises beschlossen.

In seiner Sitzung am 4. März 2022 hat der GDCh-Vorstand beschlossen, den bisher nach dem Chemiker Alfred Stock (1876 – 1946) benannten Preis für Anorganische Chemie nicht mehr nach Stock zu benennen. Der Vorstand folgt damit einer Empfehlung der Kommission „Preise 2.0“, die sich im Auftrag des Vorstands ausführlich mit der Person Alfred Stocks beschäftigt hat. Dazu wurde auch der Vorsitzende der Fachgruppe Geschichte der Chemie, Prof. Carsten Reinhardt, Universität Bielefeld, hinzugezogen.

Der GDCh-Vorstand hat darüber hinaus beschlossen:

Der Preis wird weiterhin verliehen werden. Über einen neuen Namen wird zeitnah entschieden werden.

Der Preis wird nicht rückwirkend umbenannt.

Der Preisträger des Alfred-Stock-Gedächtnispreises 2022 wird den Preis unter dem Namen „GDCh-Preis für Anorganische Chemie“ erhalten.

Begründung

Alfred Stock hat den Übergang in den NS-Staat ab 1933 aktiv begleitet und war seit Mai 1933 Mitglied der NSDAP. Er hat die „Arisierung“ der Geschäftsstelle der Deutschen Chemischen Gesellschaft (DChG), deren Präsident er von 1936 bis 1938 war, aktiv vorangetrieben. Dabei hat er nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern auch aus Überzeugung agiert.

Stock hat eine klar antisemitische Haltung erkennen lassen. So hat er zum Beispiel zwischen „Ostjuden“ und anderen Juden (zum Beispiel Wissenschaftlern) unterschieden, wobei ihm letztere als „wertvoller“ galten als erstere. Auch der intensive Briefwechsel Alfred Stocks mit seinem NS-kritischen amerikanischen Kollegen Louis Monroe Dennis, dem Leiter des Department of Chemistry an der Cornell University, New York, belegt seine antisemitische Grundhaltung und Überzeugung der Hitlerschen Politik.

Zwar wurden jüdische Mitglieder, die im Ausland lebten, während seiner Amtszeit nicht aus der DChG ausgeschlossen. Dies erfolgte jedoch aus Berechnung, um deren Mitgliedsbeiträge als dringend benötigten Devisen zu erhalten und um im Ausland den Ruf der DChG zu wahren.

Obwohl er aus gesundheitlichen Gründen bereits 1936 emeritierte und damit seine Karriere innerhalb des nationalsozialistischen Systems hätte beenden können, engagierte er sich weiterhin in der DChG sowie als Forschungsprofessor und unterstützte damit die nationalsozialistischen akademischen Strukturen. Damit war sein Engagement für den Nationalsozialismus größer, als es hätte sein müssen, um persönliche Nachteile zu vermeiden. Ein weiteres Beispiel zeigt, dass er die vom NS-Regime zwar erwartete, aber damals noch nicht erzwungene Entlassung jüdischer Mitarbeiter der DChG-Geschäftsstelle aktiv umsetzte.

Vorstand und Kommission betonen mit dieser Maßnahme die klare Haltung der GDCh gegen Antisemitismus und Diskriminierung sowie ein eindeutiges Bekenntnis für Diversität und Chancengleichheit.

Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger

Die Mitglieder des GDCh-Vorstands und der Kommission betonen ausdrücklich, dass mit der Entscheidung, den bisherigen Alfred-Stock-Gedächtnispreis nicht mehr nach Alfred Stock zu benennen, keine Aberkennung des Preises an bisherige Preisträgerinnen und Preisträger verbunden ist. Die Würdigung der Ausgezeichneten für ihre wissenschaftlichen Leistungen in der anorganischen Chemie bleibt uneingeschränkt bestehen. Alle noch lebenden Preisträger:innen wurden inzwischen persönlich informiert.

Der Alfred-Stock-Gedächtnispreis wurde seit 1950 an 39 Chemikerinnen und Chemiker verliehen. Jüngste Preisträgerin ist Professorin Stefanie Dehnen, Universität Marburg. Ihr wurde der Preis im Jahr 2020 zugesprochen (pandemiebedingt wurde er erst beim virtuellen WiFo 2021 verliehen). „Natürlich ist es ein merkwürdiges Gefühl, die letzte Preisträgerin eines namhaften Preises gewesen zu sein – aber ich halte es für unabdingbar, sich der Verantwortung zu stellen, die wir alle für die Aufarbeitung der Geschichte tragen“, sagt Stefanie Dehnen, die als Vorstandsmitglied der GDCh die Entscheidung mitgetragen hat. „Für uns Preisträger:innen wird es das geringste Problem sein, im Lebenslauf auf die Namensänderung hinzuweisen. Entscheidend ist, dass es weiterhin eine Möglichkeit gibt, herausragende Anorganiker:innen auszuzeichnen. Dass dies bei GDCh-Preisen in Zukunft generell ohne Verweis auf Wissenschaftler:innen geschieht, die sich nicht entsprechend unserer Werte hinsichtlich Demokratie und Menschenrechte verhalten haben, ist – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen humanitären Katastrophen in Europa – ein wichtiges Zeichen, das ich voll und ganz unterstütze.“

Karin J. Schmitz, pr@gdch.de

GDCh

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