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Mit der Kraft des Lichts

Einfache anorganische Halbleiterpulver dienen als heterogene Photokatalysatoren für die chemische Nutzung von Sonnenenergie.1 Dies beruht auf ihrer Fähigkeit, durch Lichtabsorption Elektron-Lochpaare zu erzeugen, die parallel Reduktions- und Oxidationsreaktionen eingehen. Solche Halbleiter kataly...

Blickpunkt

Prof.Dr.

Bisher waren milde, übergangsmetallvermittelte Hydrierstrategien zur Synthese von Alkenen aus Alkinen meist auf die Bildung des jeweiligen Z-Isomers beschränkt. E-selektive Semihydrierungen von Alkinen, allen voran die Birch-Reduktion mit Lithium oder Natrium in flüssigem Ammoniak oder die Reduktion durch niedervalente Chromreagenzien, erfordern harsche Reaktionsbedingungen und tolerieren nur wenige andere funktionelle Gruppen. Komplexere Naturstoffsynthesen mit einem E-selektiven Reduktionsschritt in einer späten Synthesestufe findet man daher kaum. In letzter Zeit gab es allerdings mehrere interessante Entwicklungen zur milden übergangsmetallvermittelten E-selektiven Hydrierung von Alkinen. Dabei werden die folgenden drei Ansätze unterschieden: Hydrierungs-/Isomerisierungssequenzen, Hydrosilylierungs-/Protodesilylierungssequenzen und direkte E-selektive Hydrierungen von Alkinen (Abbildung 1).


<h2>E-selektive Hydrierung durch Z/E-Isomerisierung</h2>
Da eine direkte E-selektive Hydrierung von Alkinen zu Alkenen aufgrund der suprafacialen Addition der beiden Wasserstoffatome an die π-Bindung stereochemisch als unlösbare Aufgabe erschien, beschränkte man sich zunächst auf die Entwicklung von zweistufigen Reaktionssequenzen. Bei diesen Transformationen schließt sich einer initialen Z-selektiven Hydrierung eine Z/E-Isomerisierungsreaktion durch erneute Reduktion des Alkens und anschließende β-Hydrideliminierung an. Diese Reaktionen funktionieren deshalb gut, weil das durch die initiale Semireduktion entstehende Z-Alken aus sterischen Gründen eine höhere Bindungsaffinität zum Übergangsmetall aufweist als das E-Isomer (Abbildung 2).
Eine solche Reaktion hatte bereits im Jahr 1999 eine japanische Arbeitsgruppe beschrieben.1 Mit einem Hydrido(methoxo)iridium(III)-Komplex und Methanol als Reduktionsmittel gelingt die Semihydrierung von Diphenylacetylen zu Stilben effizient und mit hoher E-Selektivität (Abbildung 3a).
Mit dem richtigen Phosphinliganden — nämlich BPBP — lässt sich die Bildung des Z-Stilbens völlig unterdrücken. Zwar wiesen die Autoren die intermediäre Bildung des Z-Regioisomers nach, dieses zeigt allerdings eine hohe Bindungsaffinität zum Iridium-Katalysator. Die Folge ist eine rasche Z/E-Isomerisierung durch erneuten Einschub des Alkens in die Ir-H-Bindung, gefolgt von einer β-Hydrideliminierung gemäß des in Abbildung 2 gezeigten Mechanismus.
Eine chinesische Arbeitsgruppe beschrieb kürzlich eine ähnliche Transformation.2 Den Autoren gelang es, mit dem dreikernigen Rutheniumkatalysator (Ru3(CO)12 unterschiedliche Diarylacetylene in die gewünschten Z- oder E-konfigurierten Stilbene zu überführen (Abbildung 3b). Bemerkenswerterweise lässt sich die E/Z-Selektivität einfach über das Säureadditiv steuern. Essigsäure führt selektiv zur Bildung des Z-Isomers, während die deutliche azidere Trifluoressigsäure selektiv zum E-Stilben führt. Die Isomerisierungsreaktion war zweifelsfrei nachweisbar, da sich bei Behandlung des Z-Alkens unter den Standardreduktionsbedingungen, allerdings ohne Zugabe des Reduktionsmittels, nahezu quantitativ das E-Stilben bildete. Der genaue Mechanismus der Isomerisierungsreaktion ist nicht bekannt. Allerdings bleibt anzumerken, dass die bloße Addition von Trifluoressigsäure zum Z-konfigurierten Stilben keine nennenswerten Ausbeuten des Isomerisierungsprodukts liefert. Ein reiner Brønsted-Säure-vermittelter Isomerisierungsmechanismus ist also ausgeschlossen.
Neben Ruthenium diente dessen kleineres Homolog aus der Gruppe 8, das Eisen, als Katalysator für Hydrierungs-/Isomerisierungskaskaden. So überführten David Milstein und Mitarbeiter kürzlich mit einem Eisen-Pinzettenkomplex verschiedene diaryl-, arylsilyl- und disilylsubstituierte Alkine in die entsprechenden E-Alkene (Abbildung 3c).3 Im Vergleich mit der zuvor beschriebenen rutheniumvermittelten Hydrierung waren die Reaktionstemperaturen mit 90 °C deutlich moderater, allerdings war für eine hinreichende Reaktivität ein höherer Wasserstoffdruck von bis zu 10 bar notwendig.
Neben diesen drei Beispielreaktionen sind zudem weitere iridium- und palladiumkatalysierte Semihydrierungs-/Isomerisierungskaskaden bekannt.


<h2>Hydrosilylierung/ Protodesilylierung</h2>
Die diskutierten Hydrierungs-/Isomerisierungssequenzen sind häufig auf stark aktivierte Alkine, insbesondere auf Diarylacetylene, beschränkt. Um ein nichtaktiviertes internes Alkin in ein E-Alken zu überführen, wäre eine initiale trans-selektive Hydrometallierungsreaktion gefolgt von einer Protodemetallierung besser geeignet. Trost und Mitarbeiter entwickelten bereits im Jahr 2001 eine rutheniumkatalysierte E-selektive Hydrosilylierung von internen Alkinen.4 Die perfekte Stereoselektivität dieser Reaktion veranlasste die Autoren schließlich dazu, eine nachgeschaltete Protodesilylierung zu entwickeln, wodurch sie in einer Eintopfprozedur eine formale E-selektive Hydrierung von Alkinen erreichten (Abbildung 4a, S. 38).5 Obwohl diese Reaktion aufgrund der mehrstufigen Reaktionsführung zunächst weniger praktikabel erscheint als die zuvor beschriebenen Hydrierungs-/Isomerisierungssequenzen, bietet sie wegen ihrer Substratvielfalt große Vorteile. Die Reaktion ist nicht auf doppelt aktivierte Diarylalkine beschränkt, ebenso gut lassen sich dialkylsubstituierte Alkine reduzieren. Zudem sind Propargylalkohole sowie Ynone und Ynoate in guten Ausbeuten und mit einer perfekten E-Selektivität in die gewünschten Alkene überführbar.
Zeitgleich entwickelten Fürstner und Radkowski mit demselben Rutheniumkatalysator eine Hydrosilylierungs-/Desilylierungssequenz. Diese überführt sehr viele makrozyklische Alkine in die entsprechenden E-konfigurierten Cycloalkene (Abbildung 4b).6
Die milden Reaktionsbedingungen der beiden Teilschritte waren ein Grund dafür, dass diese Art der E-selektiven Alkinreduktion bereits mehrfach Anwendung in Totalsynthesen makrozyklischer Polyketide fand. So implementierten Carreira und Kleinbeck einen solchen E-selektiven Reduktionsschritt des Alkins (1) zum konjugierten Dien (2) erfolgreich bei der Totalsynthese des Plecomakrolids Bafilomycin A1 (Abbildung 5a).7 Ebenso nutzten Fürstner und Mitarbeiter die stereoselektive Semihydrierung des makrozyklischen Alkins (3), um das Polyketid Tulearin C aufzubauen (Abbildung 5b).8 Srihari und Sridhar verwendeten den E-selektiven Reduktionsschritt des Dihydropyranons (4) zu Verbindung (5) für eine effiziente Synthese des Aspergillids C (Abbildung 5c).9
In allen Fällen kam die entscheidende E-selektive Hydrosilylierungs-/Desilylierungssequenz in einem sehr späten Schritt der jeweiligen Synthesesequenz zum Einsatz. Dies untermauert die Nützlichkeit dieser Methode besonders im Vergleich zur klassischen Birch-Reduktion.
Neben der E-selektiven Hydrosilylierung von Alkinen wurden erst kürzlich ähnliche E-selektive Hydroborierungs- und Hydrostannylierungsmethoden entwickelt (Abbildung 6).10,11 Beide Methoden haben einen ähnlichen Substratbereich und liefern synthetisch nützliche E-konfigurierte Vinylborane und Vinylstannane in sehr guten Ausbeuten und ausgezeichneten Stereoselektivitäten.


<h2>Direkte E-selektive Hydrierung von Alkinen</h2>
Trotz des hohen synthetischen Werts der zuvor beschriebenen Methode wäre die direkte Semihydrierung eines Alkins deutlich eleganter, da diese ohne den stöchiometrischen Einsatz eines Silans und ohne Fluorquelle auskäme. Aufgrund der isolobalen Beziehung zwischen Silylgruppe (SiR3) und Wasserstoff sollte eine solche Reaktion prinzipiell möglich sein. Fürstner und Mitarbeiter versuchten dazu zunächst, mit dem aus der E-selektiven Hydrosilylierung bekannten Ru-Katalysator [Cp*Ru(MeCN)3]PF6 diese Reaktion hinsichtlich E-Selektivität und Reaktivität zu optimieren.12 Der Katalysator war allerdings nur mäßig reaktiv und zeigte verbesserungswürdige Selektivitäten. Letztlich half ein Wechsel des Katalysators zum Rutheniumkomplex (6) (Abbildung 7, S. 40) dieser nützlichen Reaktion zum Durchbruch. Mit nur 5,5 Mol-% von (6) und bereits bei Raumtemperatur lässt sich eine Reihe hochfunktionalisierter Alkine in die E-konfigurierten Alkene überführen. Die hohe Toleranz gegenüber funktionellen Gruppen wie Sulfonaten, freien primären Alkoholen, Carbonsäuren und deren Estern, (Thio)Ethern, Makrolactonen und Makrolactamen zeigt den besonderen Vorteil dieser Methode gegenüber der Birch-Reduktion.
Mechanistisch ist die Reaktion noch nicht ausreichend verstanden. Vorläufige Daten weisen allerdings darauf hin, dass weder der mononukleare Rutheniumhydridkomplex [Cp*RuH(cod)] noch dessen dinukleares Pendant [Cp*Ru(μ-H)4RuCp*] den Verlauf der Reaktion entscheiden. Stattdessen scheinen kationische Diwasserstoffkomplexe des Rutheniums wie [Cp*Ru(H2)-(cod)]OTf (7) eine wichtige Rolle zu spielen.


<h2>Birch adé</h2>
Die direkte oder indirekte übergangsmetallvermittelte E-selektive Semireduktion von Alkinen ist mittlerweile eine etablierte Methode, die ihre Robustheit bereits mehrfach in totalsynthetischen Studien unter Beweis gestellt hat. In naher Zukunft sind insbesondere mechanistische Studien nötig, um die zur Verfügung stehenden Katalysatoren gezielt zu verbessern.


Blickpunkt Synthese will zur Beschäftigung mit neuen synthetischen Verfahren oder eleganten und wichtigen organischen Synthesen anregen. Die Rubrik betreut in diesem Jahr Boris Nachtsheim, Juniorprofessor an der Universität Tübingen. Er interessiert sich für Iodan-vermittelte oxidative Kupplungsreaktionen und minimalistische selbstaggregierende Systeme. <a href="mailto:boris.nachtsheim@uni-tuebingen.de">boris.nachtsheim@uni-tuebingen.de</a>



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