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Faszination Chemie
Methan in der Atmosphäre
Die größte Herausforderung der Menschheit heute ist die Eindämmung der Klimaerhitzung. Sie wird oft als ein Kohlendioxidproblem angesehen, denn CO2 ist wohl das wichtigste Treibhausgas. Es gibt allerdings auch andere, deren Anteil an der menschengemachten Erwärmung schneller ansteigt als der des CO2. Methan, CH4, dürfte das wichtigste von ihnen sein. Dessen atmosphärische Konzentration ist von 720 ppb (Milliardstel) in der vorindustriellen Zeit auf heute etwa 1900 ppb gestiegen. Zwar liegt die CO2-Konzentration über zwanzigmal höher, aber Methan ist – auf Sicht von zwanzig Jahren gesehen – mehr als 85-mal stärker klimaaktiv. Folglich wäre es kurzfristig viel wirksamer, den Methanausstoß zu reduzieren als den Kohlendioxidausstoß! In den heutigen Diskussionen über Klimaneutralität in wenigen Jahren sollte dieser Aspekt dringend berücksichtigt werden.
Natürliche und anthropogene Quellen
Eine gezielte Reduzierung setzt voraus, dass man die Quellen kennt. Methan kann aus mikrobieller Reduktion von organischen Verbindungen stammen, z. B. in sauerstoffarmen Böden oder Rindermägen. Feuchtgebiete sind die führende Quelle, gefolgt von Landwirtschaft (Nassreisanbau, Rinderzucht), der fossilen Energiewirtschaft und Mülldeponien. Große Mengen sind auch in Permafrost und in Klathraten, „Methan-Wasserschneebällen“ im Meer, gebunden. Diese enthalten schätzungsweise 500–2500 Gigatonnen Kohlenstoff, vergleichbar mit der Menge Kohlenstoff in der Atmosphäre. [1] Menschliche Aktivitäten sind für etwa 75 % des Methaneintrags in die Atmosphäre verantwortlich.
Die Energiewirtschaft trägt Verantwortung für über 120 Millionen Tonnen Methanemissionen im Jahr, etwa gleich verteilt auf die Kohle-, Erdöl- und Erdgasgewinnung. Diese Emissionen aus Öl- und Gasnutzung entsprechen 5200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, d.h. 15 % der Treibhausgasemissionen des gesamten Energiesektors. [2] Von allen Treibhausgasquellen dürfte es am einfachsten, schnellsten und kostengünstigsten sein, diese zu verringern. Diese Einsicht hat auch erhebliche politische Konsequenzen, z. B. wird die Nutzung von Erdgas als Ersatz von Erdöl und Kohle fragwürdig.
Wie erfasst man Methan in der Atmosphäre?
Die Kenntnisse über die Quellen des Methans sind recht unsicher. Stationäre Punktquellen wie Mülldeponien können günstig mit einer gaschromatographischen Bestimmung überwacht werden. Geeignete Geräte für diese Treibhausgasbestimmung sind kommerziell erhältlich und nutzen häufig die Flammenionisationsdetektion. Proben können auch im Freien in einem teflonbeschichteten Gasbeutel gesammelt und zur Analyse geschützt ins Labor gebracht werden. Solche bodenbasierten Bestimmungen liefern die genauesten Daten aber nur für einen sehr kleinen geographischen Bereich.
Völlig andere Möglichkeiten bietet die satellitenbasierte Analyse. Mit ihr können größere Gebiete mit vielen individuellen Quellen überwacht werden. Wie groß diese Aufgabe ist, wird klar, wenn man bedenkt, dass nur in den USA mehr als eine Million Öl- und Gasbohrlöcher und Millionen von Kilometern von Erdgaspipelines vorhanden sind. Eine ständige Überwachung ist notwendig, um größere Ausstöße zu erfassen, z. B. aufgrund von Unfällen oder produktionsbedingtem Ablassen von Gasen (venting, flaring). Ein Beispiel ist der Gasspeicher Aliso Canyon in Kalifornien, der durch einen Gasausbruch (blowout) 2016 etwa 100 000 Tonnen Methan über fast vier Monate verlor. [3]
Die Europäische Raumfahrtbehörde (ESA) betreibt seit 2017 das Messgerät Tropomi an Bord des meteorologischen Satelliten Copernicus Sentinel-5 Precursor (Abbildung 1). Die Auflösung beträgt etwa 7 x 3,5 km auf der Erdoberfläche, genug, um ein übersichtliches Bild zu erstellen. Für die nächsten Jahre plant ESA zwei weitere Satelliten mit Methanmessfunktionen. In Abbildung 2 werden die Messungen über den USA (A) und vergrößert über dem Permian Basin (B), einem wichtigen Ölförderungsgebiet in Texas und New Mexico, gezeigt. [5] Etwa drei Millionen Tonnen Methan werden jährlich durch diese Förderung in dem Gebiet an die Atmosphäre abgegeben.
Das Messgerät Tropomi
Tropomi (Tropospheric Monitoring Instrument) enthält ein Spektrometer, das in mehreren Wellenlängenbereichen (UV, VIS und IR) von der Erdoberfläche rückgestrahltes Sonnenlicht misst. Mehrere Gase können erfasst werden. Methan absorbiert Licht im Infrarotbereich bei 2305-2385 nm. Ein Schwachpunkt ist, dass die Meere eine niedrige Rückstrahlung bieten, sodass Messungen im Wesentlichen auf Landflächen begrenzt sind. Wolken können auch ein Problem sein, da sie die Sonnenstrahlen gut reflektieren und dadurch verhindern, dass die gesamte Luftsäule gemessen wird.
Die Rohdaten müssen aufwendig bearbeitet, beispielsweise um den Beobachtungswinkel zur Erdoberfläche zu berücksichtigen. [6] Die Daten werden auch durch boden- und flugzeugbasierte Messungen validiert. Außerdem müssen für altersbedingte Veränderungen der Messgeräte korrigiert werden. Die Präzision der Messungen wird mit besser als 1 % angegeben
Zukunft
Für die nächsten fünf Jahre sind mehrere satellitenbasierte Systeme geplant. Zusammen mit land- und luftbasierten Messungen werden wir deutlich zuverlässigere Daten über die Methanemissionen sowohl global als auch regional bekommen.
Literatur:
1en.wikipedia.org/wiki/Methane_clathrate
2https://www.iea.org/reports/methane-tracker-2020/methane-from-oil-gas
3A.K. Thorpe et al., “Methane emissions from underground gas storage in California,” Environmental Research Letters (April 15, 2020), iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ab751d
5Y. Zhang et al., “Quantifying Methane Emissions from the Largest Oil-Producing Basin in the United States from Space,” Science Advances 6, no. 17, advances.sciencemag.org/content/6/17/eaaz5120
6D. J. Jacob et al., „Satellite observations of atmospheric methane and their value for quantifying methane emissions“, Atmos. Chem. Phys. 16 (2016) 14571-14596, acp.copernicus.org/articles/16/14371/2016/acp-16-14371-2016.pdf
Prof. Dr. Jan Andersson
Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Universität Münster
Dieser Artikel erschien zuerst auf faszinationchemie.de.
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