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Makromolekulare Chemie 2014

Moderne Polymerisationsmethoden Die Synthese von Makromolekülen erfolgt heute zusehends in hoch kontrollierter Weise, teils in nichtklassischer Reaktionsführung sowie oftmals mit Katalysatoren. So verwendeten Beuermann, Lendlein und Mitarbeiter überkritisches CO2 für die ringöffnende Polymerisati...

Nach Erhebungen der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) leiden in Europa etwa 17 Millionen Verbraucher an einer Lebensmittelallergie.1 Die Symptome reichen von leichten Reizerscheinungen des Mundraums bis zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie dem anaphylaktischen Schock. Zurzeit ist es nicht möglich, Lebensmittelallergien therapeutisch zu behandeln. Aktuell bleibt den Betroffenen nur, konsequent allergieauslösende Zutaten in Lebensmitteln zu vermeiden.


<h2>Bildung von Allergien</h2>
Die wesentliche Aufgabe des Immunsystems ist es, antigene Strukturen (Proteine, Viren, Bakterien) in potenziell schädlich und unschädlich zu unterscheiden. Diese Differenzierungsleistung ist umso bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, dass in unserem Verdauungstrakt etwa 1014 pathogene und nichtpathogene bakterielle Zellen aus etwa 1000 verschiedenen Spezies leben und wir jährlich bis zu 35 kg Nahrungsprotein zu uns nehmen.2 Proteine der Nahrung identifiziert unser Immunsystem üblicherweise als unschädlich und unterbindet eine Immunreaktion, indem es spezifische Immunzellen bildet, die regulatorischen T-Zellen (Treg). Die Entwicklung dieser oralen Toleranz gegenüber Proteinen aus Lebensmitteln ist somit ein aktiver Prozess. Inhaltsstoffe der Nahrung wie Fructo-Oligosaccharide und Galacto-Oligosaccharide beeinflussen offenbar die Ausbildung der oralen Toleranz.3
Durch Störung der Immunregulation kann es zur Reaktion gegen harmlose Antigene und zur Ausbildung einer Allergie kommen.
Bei Lebensmittelallergien dominieren Reaktionen vom Soforttyp (Typ I). Hierbei binden Immunoglobulin-E-(IgE)-Antikörper spezifisch an Teilstrukturen des Allergens, die Epitope, und lösen die Freisetzung hochpotenter Mediatoren wie Histamin oder Leukotrienen aus (Abbildung 1).
Erster Schritt der Allergieentwicklung ist die Sensibilisierung gegen das Allergen. Diese Sensibilisierung erfolgt, vereinfacht dargestellt, nach Aufnahme des Allergens über antigenpräsentierende Zellen wie dendritische Zellen (DC), die das Protein proteolytisch prozessieren und auf der Zelloberfläche präsentieren. Durch Interaktion mit T-Zellen entscheidet sich, ob sich orale Toleranz gegen dieses Antigen bildet oder das Immunsystem reagiert. Bei der Sensibilisierung werden keine Treg sondern T-Helferzellen vom Typ Th2 gebildet, die B-Zellen dazu veranlassen, sich in Plasmazellen umzubilden und spezifische IgE-Antikörper gegen das Allergen zu bilden. IgE bindet über einen hochaffinen Rezeptor an die Oberfläche von Mastzellen, und die erneute Aufnahme des Allergens führt zur Quervernetzung von IgE auf der Mastzelloberfläche und somit zur Freisetzung von Histamin und anderen Mediatoren, die dann die allergischen Symptome verursachen (Abbildung 1).4


<h2>Verarbeitung beeinflusst die Allergenität</h2>
Die strukturellen Eigenschaften, die ein Protein zu einem Allergen machen, sind nicht hinreichend verstanden. Es gibt keine allgemeingültige allergiespezifische Peptidsequenz oder Tertiärstruktur. Zunehmend wird aber klar, dass die Verarbeitung von Lebensmitteln eine wesentliche Rolle dabei übernimmt, das allergene Potenzial von Proteinen zu verändern. Durch thermische Prozesse können Proteine denaturieren, aggregieren und sich in ihrer Struktur komplex verändern. Durch die Maillardreaktion (Glykierung, Abbildung 2) verändern sich unter anderem die Aminosäuren Lysin (in Nϵ-Carboxymethyllysin, Pyrralin) Arginin (in Methylglyoxal-Imidazolinon), Methionin (in Methioninsulfoxid), Cystein (in Cysteinsulfonsäure und Tryptophan (in Kynurenin).5
Ein wesentlicher Parameter für das allergene Potenzial eines Proteins ist seine Verdaubarkeit. Um eine allergische Reaktion auszulösen, ist offenbar eine minimale Peptidgröße von etwa 3500 Da oder 30 Aminosäuren erforderlich, wie ein Modellsystem mit Molkenproteinhydrolysaten zeigt.6 Allergene Proteine müssen eine gewisse Komplexität aufweisen, um vom Immunsystem erkannt zu werden. Damit im Gastrointestinaltrakt Sensibilisierung und allergische Reaktion ablaufen können, müssen Allergene stabil gegenüber Verdauungsenzymen sein.
Je nach Zubereitungstechnik, Lebensmittelmatrix und Protein sind deutlich unterschiedliche Effekte auf die Verdaubarkeit zu beobachten. Da diese Effekte kaum vorhersagbar sind, ist jedes einzelne Allergen zu untersuchen. So beeinflusst beim Eiallergen Ovomucoid weder Erhitzen in Abwesenheit reduzierender Zucker noch die Maillardreaktion dessen Verdaubarkeit. Bei Ovalbumin stieg die Verdaubarkeit nach Erhitzen durch Verlust von Teilen der Tertiärstruktur; nach Glykierung durch Modifikation von Lysin und Arginin sank die Verdaubarkeit des Ovalbumins.7
Demgegenüber bilden sich beim Erhitzen von Parvalbuminen, einer wichtigen Klasse von Fischallergenen, hochmolekulare Aggregate, die deutlich schlechter verdaubar sind. Glykierung dieser Proteine reduziert deren Aggregationsneigung und erhöht die Verdaubarkeit.8
In aller Regel dienen statische oder dynamische In-vitro-Verdaumodelle für diese Untersuchungen, die allerdings häufig nur schlecht vergleichbar sind. Die Entwicklung von Referenzsystemen soll künftig die Vergleichbarkeit von Studienergebnissen verbessern.9
IgE-Antikörper binden an Sequenz- oder an Konformationsepitope. Die Modifikation der Struktur nach Glykierung beeinflusst direkt die IgE-Bindung an Allergene. Glykierung kann zum Verlust der IgE-Bindung führen, es wird aber auch die Bildung neuer IgE-Epitope diskutiert.10 Für die Entstehung von Neo-Epitopen spricht, dass allergische Reaktionen teilweise nur gegen verarbeitete und modifizierte Allergene einsetzen. Zudem können Antikörper, welche die Glykierungsprodukte spezifisch erkennen, die IgE-Reaktivität blockieren.
Die Folgen einer Glykierung auf das allergene Potenzial können sich je nach Sensibilisierungsweg deutlich unterscheiden.11 Patienten mit einer leichten Verlaufsform, dem oralen Allergie-Syndrom (OAS), zeigen mit glykierten Allergenen schwächere Symptome. Beim OAS verursacht eine Kreuzreaktion mit Pollenallergenen die Lebensmittelallergie, und durch Glykierung der homologen Lebensmittelproteine verlieren diese ihre Allergenität.11 Durch die strukturelle Modifikation des Lebensmittelallergens wird die Kreuzreaktivität mit dem strukturhomologen Pollenallergen offenbar unterbunden. Demgegenüber sind die Symptome bei Patienten mit systemischen Reaktionen (wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Ödeme, anaphylaktischer Schock) stärker, schwächer oder auch unverändert. Dies deutet darauf hin, dass für einige Patienten die strukturelle Modifikation durch Glykierung während der Sensibilisierung eine Rolle spielt.11
Neue Forschungsergebnisse belegen, dass die Maillard-Modifikation die Aufnahme des Allergens und die Immunogenität in der Sensibilisierungsphase tatsächlich beeinflusst. Modifikation von Lysinresten des Modellallergens Ovalbumin zum Pyrralin erhöht die spezifische, rezeptorvermittelte Aufnahme in dendritische Zellen über den SR-A-Rezeptor (Abbildung 3). Zudem wurde eine erhöhte T-Zell-Immunogenität des modifizierten Ovalbumins nachgewiesen sowie eine Erhöhung der Produktion spezifischer IgE-Antikörper im Mausmodell.12
Eine Zusammenfassung der Effekte der strukturellen Modifikation auf die Modulation der Allergenität zeigt Abbildung 3.


<h2>Neue Werkzeuge für die Charakterisierung von Allergenen</h2>
Durch fortgeschrittene Maillard_reaktion bilden sich auf Proteinebene komplexe Glykierungsmuster, die früher im Wesentlichen nur daraufhin untersucht wurden, wie hoch der Anteil der modifizierten Aminosäurereste ist. Insbesondere durch Fortschritte in der massenspektrometrischen Analytik ergeben sich mittlerweile Möglichkeiten, Art und Position der Glykierung festzustellen.
Bei den Erdnussallergenen Ara h 1 und Ara h 3 wurden die Lysinmodifikationen Nϵ-Carboxymethyllysin, Pyrralin und Nϵ-Fructosyllysin positionsspezifisch identifiziert.13,14 Diese Modifikationen vermitteln zudem die Bindung an spezifische Zellrezeptoren (Rage), die auch auf dendritischen Zellen zu finden sind.14
Allerdings bleibt die Identifizierung von Modifikationen in komplexen Lebensmittelmatrices zumeist unvollständig. In fettreichen Lebensmitteln wie Erdnüssen entstehen über den oxidativen Abbau reaktive Carbonylverbindungen, die Allergene ebenfalls strukturell modifizieren können.15,16 Die noch umfassendere Analytik struktureller Modifikationen (allergener) Proteine in verarbeiteten Lebensmitteln wird eine Herausforderung für die Forschung bleiben.
Ein weiterer wesentlicher Bereich der Allergenforschung ist die Identifizierung der IgE-Bindungsepitope, die für die Diagnostik einer allergischen Erkrankung und die Entwicklung therapeutischer Ansätze wichtig ist. Auch hier können massenspektrometrische Verfahren hilfreich sein.
Die Bindungstopologie zweier Proteine (in diesem Fall Allergen und IgE-Antikörper) lässt sich durch Footprinting der Deuterium-Inkorporation in D2O untersuchen, da diese entlang der Bindungsfläche signifikant geringer ist.17 Relevant ist hierbei im Wesentlichen der H/D-Austausch am Amid-Stickstoff der Peptidbindung (Abbildung 4). Die ortsaufgelöste Bestimmung der Unterschiede in der D-Inkorporation zwischen freiem Allergen und dem Allergen-IgE-Komplex nach proteolytischem Verdau erlaubt Rückschlüsse auf das Bindungsepitop. Dieser Ansatz identifizierte Konformationsepitope der allergenen 11S-Albumine Pru du 3 aus Mandeln (Prunus dulcis) und Ana o 2 aus Cashewkernen (Anacardium occidentale).17,18
Die massenspektrometrische Aufklärung von IgE-Epitopen ist eine wichtige Alternative zur Strukturaufklärung mit NMR-Spektroskopie oder Röntgenkristallographie, da bei letztgenannten Methoden die Komplexgröße (NMR) beziehungsweise die Kristallisation (Röntgenstrukturaufklärung) limitierend sein können. Für eine eindeutige Identifikation von Bindungsepitopen ist beim H/D-Footprinting allerdings der Rücktausch von Wasserstoff zu minimieren, und es gilt zu beachten, dass auch am Bindungsepitop Einbau von D zu beobachten ist.
Für pollenassoziierte Lebensmittelallergene gibt es einen weiteren vielversprechenden Ansatz, Konformationsepitope zu identifizieren: Birkenpollenallergiker können eine Kreuzreaktion gegen viele Lebensmittel, darunter Sellerie (Apium graveolens), Karotte (Daucus carota) und Haselnuss (Corylus avellana) entwickeln, da eine ausgeprägte strukturelle Homologie zwischen dem Hauptallergen der Birke (Bet v 1) und homologen Proteinen der Lebensmittel besteht. Die Norcoclaurin-Synthase (NCS) der Wiesenraute (Thalictrum flavum) ist strukturell homolog zu Bet v 1, ohne allerdings IgE-Bindungsepitope aufzuweisen. Durch gerichtete Mutagenese der NCS lassen sich nun die Konformationsepitope der verschiedenen Bet-v-1-homologen Lebensmittelallergene auf NCS nachbilden und so identifizieren (Abbildung 5, S. 352)).19


<h2>Proteomik in der Lebensmittelanalytik</h2>
Massenspektrometrie entwickelt sich derzeit zu einem festen Bestandteil der Charakterisierung von Lebensmittelproteinen mit Bioaktivität. Neben Lebensmittelallergenen sind dies Proteine, die Zöliakie auslösen. So ließ sich die hochmolekulare Fraktion des Glutenins aus Weizen (die ebenfalls Zöliakie auslösen kann) direkt massenspektrometrisch charakterisieren.20
Ein Beispiel für die massenspektrometrische Charakterisierung von Lebensmittelallergenen ist die Bestimmung und erstmalige relative Quantifizierung von Isoformen des allergenen 2S-Albumins Sin a 1 aus Senf.21 Während die wesentlichen allergenen Proteine in den relevanten Lebensmitteln mittlerweile identifiziert sind, ist die Datenlage über das Vorkommen und die relativen Gehalte von Isoformen sehr unvollständig. Die Allergenität von Proteinen kann sich jedoch auf Ebene der Isoformen deutlich unterscheiden.17 Eine eingehendere Charakterisierung der Isoformenmuster in Lebensmitteln zusammen mit der Bestimmung des allergenen Potenzials auf Ebene der Isoformen verbessert das Verständnis, welche Isoformen der Allergene im Lebensmittel letztlich relevant sind.
Proteomik wird mittlerweile für eine Reihe weiterer Fragen zu Authentizität und Zusammensetzung von Lebensmitteln herangezogen. Für Rohmilch wurde massenspektrometrisch die endogene Bildung von etwa 250 Peptiden nachgewiesen und die Peptidsequenzen identifiziert. Der Großteil der Peptide stammt aus der Caseinfraktion, und die Bildung ist im Wesentlichen auf die Aktivität der endogenen Peptidasen Plasmin und die Cathepsine D, B, und G zurückzuführen. Für etwa 10 Prozent dieser Peptide ist darüber hinaus eine physiologische Aktivität postuliert (Immunmodulation, antimikrobielle Aktivität etc.).22
Um festzustellen, wie Milchprodukte verarbeitet wurden, eignet sich die positionsspezifische Analytik thermisch induzierter Modifikationen von Milchproteinen. Um unterschiedlich verarbeitete Milchprodukte zu differenzieren, wurde die Bildungskinetik von insgesamt 19 Modifikationen (Lactosyllysin, Nϵ-Carboxymethyllysin, Deamidierung von Asparagin etc.) an 26 Positionen der Sequenz von β-Lactoglobulin untersucht. Die Ergebnisse dieser Studie liefern die Grundlage für Prozessierungs- und Lagerungsmarker von Milchprodukten.23
Der gezielte Nachweis einzelner Proteine durch den massenspektrometrischen Nachweis enzymatisch generierter Markerpeptide (targeted proteomics) etabliert sich zudem als alternative Methode, um Spezies zu identifizieren. Zunächst sind hierzu Sequenzpolymorphismen (Insertionen, Deletionen, oder Austausch von Aminosäuren) zu identifizieren, die spezifisch für die nachzuweisende Tier- oder Pflanzenart sind. Markerpeptide, welche die entsprechenden Sequenzpolymorphismen enthalten, können dann sensitiv und spezifisch massenspektrometrisch nachgewiesen werden. Für den Nachweis von Pferd oder Schwein in Rindfleisch gelingt dies mittlerweile mit Nachweisgrenzen bis etwa 0,1 Prozent auch in verarbeiteten Lebensmitteln.24,25
Alternative Ansätze nutzen den direkten Vergleich von MS/MS-Spektrenbibliotheken, um verschiedene Fischspezies zu unterscheiden.26 Hierbei entfällt die teilweise aufwendige Identifizierung spezifischer Biomarker, allerdings sind bei jeder Messung einer unbekannten Probe mindestens 2000 MS/MS-Spektren aufzunehmen, damit eine Authentifizierung möglich ist.


<h2>Fazit</h2>
Die komplexe Modifikation von Lebensmittelallergenen durch die Maillardreaktion verändert offenbar direkt das allergene Potenzial dieser bioaktiven Proteine. Massenspektrometrische Methoden dienen zunehmend dazu, um Struktur und Modifikationen von Allergenen und Zöliakie auslösenden Proteinen zu untersuchen und letztlich Struktur-Wirkungs-Beziehungen besser zu verstehen. Proteomik wird aber auch vermehrt dazu genutzt, um Prozessierungs- und Biomarker nachzuweisen und so die Authentizität und die Verarbeitung von Lebensmitteln festzustellen.


Jens Brockmeyer ist staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker und hat im Jahr 2009 seine Promotion abgeschlossen. Seit 2010 ist er Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Lebensmittelchemie der Universität Münster. Er beschäftigt sich mit der massenspektrometrischen Authentizitätsbestimmung mit Protein- und Peptidmarkern und der Charakterisierung bioaktiver Proteine in Lebensmitteln.



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