Magazin

Wir beginnen mit dem Knall in Frankfurt, besser mit der Grundlage des Knalls, mit der Darstellung von Ammonsalpeter nach einer Kochvorschrift der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Adolf Winkler las): 
Die FAZ kennt die Explosion als solche bereits durch Ammoniak plus Luft (Hartwig Hagenguth), denn 
dann kann der Ammoniak mit dem Sauerstoff aus der Luft reagieren. Dabei wird schlagartig viel Energie frei — es kommt zu einer Explosion.
Diese Erkenntnis kommt nicht überraschend, deswegen ist es, behauptet Amazon (Michael Groß), 
… under Reach illegal to sell products containing 16 % or more by weight of nitrogen …
Also zum Beispiel Luft in Dosen.
Dallas Morning News — auch US-Journalisten sind aprilfähig — berichten über eigenwilliges, geradezu zerstörerisches Verhalten von Dünger unter Feuerwehreinwirkung:
 Es war ein kleines Feuer, bis Wasser auf das Ammoniumnitrat gesprüht wurde. Dann explodierte es wie die Bombe von Oklahoma City.
Damit sind wir beim alljährlichen Unfall durch explosiven, zumindest aber entzündlichen Sauerstoff (Stuttgarter Zeitung, Baldur Föhlisch): Ein Mensch, an den Atemwegen erkrankt, beschließt, eine Zigarette zu rauchen: 
Ähnlich reagiert Sauerstoff auf 3sat in der Sendung “Magische Moleküle”: 
Wahrlich “magic”, das weiß auch Immissionschutz (Ulrich Scharfenort, im weiteren “US”):
Wie überhaupt der Sauerstoff eine ganz gefährliche Spezies ist (Nürnberger Nachrichten, Arno Weber), denn HF, eine 
Eine harte Auslese betreibt die Körber-Stiftung: 
Mit was sich die Bewerberin Augenlicht und Gesicht ruinieren soll, sagt die Stiftung nicht, aber unsere Ministerin Johanna Wanka (diese Nachr. S. 435) ist ja auch nicht anders. Eine Gute hält's eben aus.
In Magdeburg (Mitteldeutsche Zeitung, Wolfgang Baronius) kamen sieben Schüler und zwei Lehrer (letztere scheinen stabiler zu sein) vorsorglich ins Krankenhaus. Es 
Wahrscheinlich wurden die Wunden der Schüler in der Klinik mit einer sehr stark färbenden, dunkelblau-violetten Tinktur behandelt.


<h2>Der reine Stoff, die Elemente</h2>
Endlich im Kinderzimmer aufräumen (findet US) will die Petition 47330, nach der der Bundestag beschließen möge, 
das Chemie und Schwermetalle in Kinderspielzeug verboten werden.
Der Petent und seine 32 Mitstreiter haben im Sonntagmorgen einen Helfer, der uns zu philosophischer Tiefe zwingt: 
Was sind Chemikalien? Eine Frage, mit der wir tatsächlich philosophische Tiefe erreichen.
Da ist es schon einfacher und eindeutiger für die NRZ — Neue Ruhr/Rhein Zeitung (US). Sie findet
Nirgendwo nachgedacht, aber deutschlandweit fleißig nachgedruckt (MM, FR, Die Welt) und von NCh-Lesern eingesandt wurde eine dpa-Meldung zu gepanschtem Schnaps und zu Methanol: 
Positiv überhaupt sieht die Frankfurter Rundschau große Mengen von R-CH2OH: 
Unter den Methanol-Übeltätern war auch (Werner Aquila) der Mannheimer Morgen, der dann einen chlorierten Wasserstoff nachschob: 
Die Essigsäure spielt auch eine Rolle beim Aspirin, das wissen die Dresdner Neuesten Nachrichten und jetzt auch Dieter Scheller: 
Um die bittere Salicylsäure besser verträglich zu machen, wurde sie mit Essigsäure angereichert zur Acetylsalicylsäure …
Die Wiki der Stoffchemie erweiterte die Süddeutsche Zeitung (Frank Amoneit) mit ihrem Aktuellen Lexikon und R1234yF: 
Da bleiben Fragen: Was ist kalt? Was ist warm? Was ist dumm?
Ernst Peter Fischer hätte darauf bestimmt eine tiefenpsychologische Antwort. Hätte. So lernen wir (Hauke Reddmann, HR, liest neben SF-Literatur auch solche Sachen) bei Fischer nur etwas über die Elemente 101 und 102, 
Neue Elemente sind gar nicht so selten. Die Fuldaer Zeitung (Gottlieb-Georg Lindner) kennt eines: 
Wer dann alles über die Elemente dieser Welt (falls eine Welt genug ist) wissen will, frage den Kölner Stadt-Anzeiger (Reinhard Halpaap) und Sigris 2:
 In der Frankfurter Rundschau lernen wir Stoffchemie in und mit der Grube Hattdorf-Wintershall, weil viele Elemente direkt aus der Erde kommen:
wahrscheinlich wird hier auch Messing abgebaut.
Andere Elemente entstehen (ähnlich der Piperonalisolierung, NRZ, US) so: 
Beim Braunkohletagebau gibt es in der FAZ andere Probleme und Neuigkeiten, wenn der Grundwasserspiegel abgesenkt wird: 
Das ist erstens nicht ganz die Wahrheit und zweitens ziemlich falsch und drittens ist Schwefel- und Eisenkies chemisch mehr als annähernd dasselbe. Pyrit oder so. Wahrscheinlich hat es etwas mit den Bakterien zu tun, die “Im Kampf um die Tiefsee” eigenartige Chemie betreiben. Eigentlich ist es Physik, Kernphysik sogar (HR): 
Diese Bakterien betreiben Chemosynthese, wandeln also Schwefelwasserstoff in Kohlenstoffverbindungen um.
Ist der Kampf zu Ende, steigt Deutschland aus der Tiefsee in das Geschäft mit der Vernichtung von Chemiewaffen ein. Die dpa weiß, worum es geht; es geht 
um mehrere Hundert Tonnen der Chemikalie Hydrolysat.
Beim Hydrolysat (FR: “Hydrolisat, die entgiftete Restflüssigkeit”)
handelt sich nicht um eine vollständige Chemiewaffe, sondern um einen Bestandteil der mit flüssigen Industrieabfällen vergleichbar ist.
Nun ja, vergleichbar sind auch Atombombe und Pfeil und Bogen. Aber was lernen wir daraus? Nix.
Ähnlich pauschal und schrecklich geht es auch in der Süddeutschen Zeitung (Frank Amoneit) zu, wenn Großbritannien seine Geldscheine komplett auf “den Kunststoff Polymer” umstellt. Scheine aus Polymer sind “schmutzabweisender und resistenter gegen Feuchtigkeit”.
Wahrscheinlich gibt es vom Polymer kein Hydrolysat.
Polymere haben einen weiteren Vorteil, schreibt das Fraunhofer Magazin (an US) in weiter. vorn 4.2013: “Polymere brennen nicht.”
Wenn wir gerade bei Produkten der Chemie sind, gleich um die Ecke der Frankfurter Rundschau produziert Merck in der “Chemie-Abteilung” das Wichtigste: Flüssigkeiten.
Eine Flüssigkeit hat auch HR entdeckt: Formalin, das ist in
Und wonach riecht Hydrogensulfat? 
Weiter mag es mit Dioxin gehen; die <a href="https://Feueroase-Landau.de" target="_blank">Feueroase-Landau.de</a> (US surft) erzählt dazu nicht unrichtig, dass beim Verbrennen von behandeltem Holz giftige, ätzende und gefährliche Dämpfe entstehen können. Dazu 
die giftige Gasart Dioxin, das dem Kaminofen und der Umwelt schadet.
HR findet noch eine Information über Glycin, das einzigartige mentale und körperliche Eigenschaften, sozusagen Flüüüügel, verleiht:
 Vielleicht prüft einmal jemand, ob der rote Bulle mit Glycin gedopt ist.
Der organischste aller Stoffe ist das Benzol. Die Thüringer Landeszeitung (Dieter Weiss) weiß, was das ist:
Benzol ist Bestandteil des Benzins. Wie viel Benzol im Benzin enthalten ist, hängt von der Qualität des Rohöls ab.
 Die Frankfurter Rundschau hat “Hochgiftiges Heptyl” als Raketentreibstoff entdeckt. Das ist nicht ganz falsch, aber eben nicht deutsch oder frankfurterisch, sondern russisch und meint 1,1-Dimethylhydrazin.
Da bleibt zum Schluss des Kapitels über Elemente und ihre Verbindungen nur noch die völlig anorganische Weisheit der Bausparkasse Wüstenrot (Volker Weinrich):
Wassermoleküle sind sehr klein und finden ihren Weg auch durch winzige Ritzen.
Zum Spinatgehalt von Eisen [Nachr. Chem. 2013, 62, 397, 432]. hat Eric Täuscher neue, verwirrende Informationen. Es geht um eine uralte Tatsachenbehauptung und um Entwarnung für Kinder, die jetzt ohne Qual zum kraftstrotzenden Popeye werden können. Denn, so schreibt ein <a href="https://de.finace.yahoo.com" target="_blank">de.finace.yahoo.com</a>, 100 Gramm Spinat enthalten mitnichten 35 Gramm Eisen. Das sei schon seit “mindestens den 1920er Jahren bekannt”. Womit die Internetplattform zunächst recht hat, dann aber dummerweise diese lückenhafte Erläuterung nachschiebt:
Im Wasser, genauer im Meerwasser, und im Test findet sich auf die Frage: Warum strotzt Seefisch vor Iod, Meersalz hingegen nicht? eine Antwort, die eigentlich noch mehr Fragen zum Meer induziert:
Studien aus Tallin und eines ungenannten Instituts für chemische und biologische Physik haben im Übrigen, so schreibt <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.ich-bin-schlank.com" target="_blank">www.ich-bin-schlank.com</a></ext-link> (Timo Kretzschmar), belegt, 
dass bereits beim Trinken von einem Liter sprudelndem Mineralwasser der zuträgliche Grenzwert an Natriumbenzoat (kristalline Form der Kohlensäure) mehrfach überschritten wird!


<h2>Die Reaktionen, der Unsinn</h2>
Zum Campus der Hessenchemie berichtet (und korrigiert sich später) der Chemanager (Sven Meyer-Ahrens) über ein besonderes Straßenpflaster, 
das eine Reduzierung der Stickstoffkonzentration garantiert. Stickstoff entsteht durch Kraftstoffverbrennung …
Ganz sicher ist das jedoch nicht: Der Bluetec-Diesel von Benz nutzt 
Stickstoff entsteht auch durch Feuerwerk, sagt Feuerwerker Markus Katterle in der Welt (Hemut Sinner). Aber
“in der Silvesternacht werden gerade einmal 0,0004 Prozent der jährlichen Stickstoffemission in Deutschland verursacht. Das ist nichts …”
Die Bundesregierung hat (Malte Rombrecht) auch eine Idee, was man mit dem Stickstoff machen kann: 
Möglich ist auch, aus dem Wasserstoff und dem Stickstoff der uns umgebenden Luft Methan herzustellen.
Das gelingt auch der FAZ (Gerhard Schneider) mit Wasserstoff, der mit
Der Wasserstoff entsteht in der Mitteldeutschen Zeitung (Ralph Kühne) durch Solarzellen auf 
Die TU Wien vernichtet Kohlenmonoxid auf geniale Weise (Dietrich Braun) in Labo mit einer Versuchsanlage: 
 Sehr reaktionsfreudig ist Fluor; es ist sogar, schreibt die Angewandte Chemie (Andreas Schnepf liest) das stärkste oxidierende Element,
das durch Elektrolyse von Kaliumdifluorid in Fluorwasserstoff synthetisiert wird.
Dazu gab es für den Mannheimer Morgen eine Überraschung in Darmstadt: 
Wahrscheinlich, als er einen hinuntergefallenen Kugelschreiber unter dem Schreibtisch hervorholen wollte.


<h2>Biologie, Mensch, Unsinn</h2>
Bild macht sich Sorgen um den Menschen an sich und empfiehlt Kupfer, denn 
Die Süddeutsche Zeitung (Hartwig Hagenguth) dagegen kümmert sich um unseren allergischen Schnupfen, zeigt ein wunderbares Foto mit dem Flockenzauber von Pappelsamen und textet
was wie Schneeflocken aussieht, sind in Wirklichkeit Pollen.
(Nein, schreibt die Berliner Zeitung da zu Recht, was wie Schneesturm aussieht, das entpuppt sich als Samenflug.)
Hier ist unbedingt ein bio-/geologischer Ausflug in die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung notwendig. Sie berichtet über französische Salzkarpfen. Abgesehen davon, dass es die nicht gibt, zeigt das Foto im A4-Format einen Jungen mit einem “beschädigten Salzkarpfen” (Abb., Ausschnitt), den ein normal sehender und denkender Mensch eher für eine beschädigte Druse halten würde. (Tatsächlich war es ein Szenenfoto aus einem neuseeländischen Film und nicht der erste April.) Dazu erläutert die FAS die Osmose beim Karpfen: 
… Was dann einsetzt, heißt Osmose. Das Tier gibt über die Tage hin den im Körper gespeicherten Schlamm, Modder, kleinste Moos- und Algenfrag- oder Pigmente und dergleichen, eben alles, was es in der freien Wildbahn zuvor gleichfalls durch Osmose aufgenommen hat, an das frische Wasser ab …
Es gilt wie immer, was Agrana Zucker, “Die Zuckerseiten Österreichs”, in Anzeigen propagiert: 
Und Deutsch schon gar nicht.


<h2>Das fehlt:</h2>
Was fehlt? Nun offensichtliche Schreibfehler wie CO2 oder CO et al. für Kohlendioxid [Nachr. Chem. 2011, 59, 422], der HIV-Virus aus der Frankfurter Rundschau, die “Pinguine aus Madagaskar” mit einer Fortschreibung der Einstein-Formel: 
Außerdem berichtete Richard Ernst in der Angewandten von seinen “Gasleistungen” und seiner eigenen “Kuriosität” sowie dem elterlichen Haus, “vom Keller bis zum Estrich eine einzigartige Fundgrube”. Wobei Estrich — laut Duden “schweiz. — für Dachboden” steht und damit zumindest diese Verwirrung endet.
Nicht vergessen sei die berühmte Ziegler-Nazza-Polymerisation der Nachrichten aus der Chemie.
Christian Reichert (und HR) haben “mit Erstaunen festgestellt, dass sich die Angewandte kriminaltechnischen Methoden zuwendet”: 
Das Vermahlen geschieht entweder manuell mit einem Mörder …
Zehn Jahre jünger machen, das wussten Sie aber schon, 
große Mengen Bio-Protonen,
 wenn sie gezielt in Hauttiefen geschleust werden (Regional Rundschau, Dieter Paul).
Bei den Übersetzungen macht Michael Rundschuck abschließend auf <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.professionalplastics.com" target="_blank">www.professionalplastics.com</a></ext-link> aufmerksam, wo es wohl doch nicht so “professional” zugeht: 
APET: formloses Polyäthylen Terephthlate
Haustier: Polyäthylen-Terephthalat
PETG: Haustier geändert mit CHDM
PEX: querverbundenes Polyäthylen
Cvd: chemische Dampf-Absetzung
Aber das war's dann auch schon.


<h2>Gesichtsmasken</h2>
Gesichtsmasken dienen zur zusätzlichen intensiven Pflege der Haut. Je nach Art der Maske beträgt die Einwirkzeit zwischen fünf Minuten und einer Stunde. Als Grundlage kommen fast alle in der Kosmetik verwendeten Rohstoffe in Frage sowie noch besondere Zusätze, wie Mandelkleie, Hafermehl, Leinsamen, Feuchthaltemittel usw.
Mehr zu ungewöhnlichen Stichwörtern in diesen Nachrichten auf S. 436.
<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.roempp.com" target="_blank">www.roempp.com</a></ext-link>

Haustier geändert

Wir beginnen mit dem Knall in Frankfurt, besser mit der Grundlage des Knalls, mit der Darstellung von Ammonsalpeter nach einer Kochvorschrift der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Adolf Winkler las): Die FAZ kennt die Explosion als solche bereits durch Ammoniak plus Luft (Hartwig Hagengut...

Blickpunkt

Im April 1994 widmete die Fachzeitschrift Science einen Themenschwerpunkt der bedrohlichen Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen. Statistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigten, dass Infektionskrankheiten wie Tuberkulose zurückkehrten und die Wirksamkeit der Medikamente dagegen nachließ. Ein halbes Jahrhundert nach dem ersten Einsatz von Penicillin an Patienten war der “Sieg über die Seuchen”, den ein Buchtitel im Jahr 1954 in Aussicht gestellt hatte, in Gefahr.
In den zwanzig Jahren, die seit den Warnungen von Science und WHO vergangen sind, ist diese Gefahr immer bedrohlicher angewachsen, und zu wenig wurde unternommen, um sie zu bannen. Dabei waren die Wurzeln des Problems bereits im Jahr 1994 bekannt.


<h2>Evolution ist unvermeidbar</h2>
Eine der Ursachen für die Rückkehr der Krankheiten und die nachlassende Medikamentenwirksamkeit ist fundamental und unvermeidlich: die Evolution. Durch Medikamente, die Bakterien töten, üben wir grundsätzlich einen Selektionsdruck aus, der resistente Bakterien begünstigt. Ohne Antibiotika hingegen können Resistenzen durchaus ein Konkurrenznachteil für Bakterien sein, allein aufgrund des Aufwands, den sie zum Beispiel für die Herstellung zusätzlicher Enzyme betreiben müssen.
Da Antibiotika in der Natur vorkommen, sind resistente Bakterienstämme in der Umwelt präsent und jeder Einsatz von Antibiotika begünstigt ihre Ausbreitung. In besonderem Umfang geschieht diese Evolution in Krankenhäusern, wo Krankheitserreger und Antibiotika zusammentreffen. So breiten sich gefährliche Erreger wie der methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) aus. Wegen ihnen verschärften Krankenhäuser die Hygienevorschriften. Dennoch sterben in Deutschland schätzungsweise 7500 bis 15 000 Menschen pro Jahr an behandlungsassoziierten Infektionen. Von denen ließen sich bereits gut ein Fünftel vermeiden, wenn die Hygieneregeln strikter eingehalten würden.
Das fundamentale Problem kann die Medizin nur auf einem Weg bekämpfen, nämlich durch Entwicklung immer neuer Antibiotika und durch planmäßigen Wechsel. Bestimmte Antibiotika gelten zum Beispiel als letzte Notreserve, und Ärzte setzen sie erst ein, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Patienten ihre verschriebenen Antibiotika bis zum Ende nehmen, da eine abgebrochene Therapie möglicherweise zur Selektion von widerstandsfähigeren Bakterien beiträgt.


<h2>Tiermast ist ursächlich</h2>
Bei der zweiten Ursache für Resistenzen spielt der unnötige Einsatz von Antibiotika eine Rolle. Resistenzgene sind oft auf beweglichen und übertragbaren DNA-Ringen, den Plasmiden, angesiedelt und können zwischen Bakterien verschiedener Arten ausgetauscht werden. Anfang der 1990er Jahre fanden Forscher heraus, dass die Anwesenheit von Antibiotika in der Umwelt diesen lateralen Gentransfer begünstigt.
Antibiotika zu Mastzwecken in der Landwirtschaft sind in der EU seit Anfang 2006 verboten. Sie sind aber in den USA heute noch zulässig und üblich und tragen dazu bei, dass sich die in der Natur vorhandenen Resistenzgene besser ausbreiten können. Bereits im Jahr 1978 versuchte die amerikanische Kontrollbehörde (Food and Drugs Administration, FDA) diesen Einsatz ohne medizinische Rechtfertigung zu verbieten, aber die Lobby der Viehzüchter war stärker. Gegenwärtig unternimmt die FDA einen erneuten Anlauf,1 möglicherweise zu spät, denn die vor Jahrzehnten prognostizierte Krise ist bereits da.


<h2>Krisenbericht: dringende und ernste Probleme</h2>
Ein Ende vergangenen Jahres veröffentlichter Bericht des Seuchenkontrollzentrums der USA, (Center for Disease Control and Prevention, CDC) schätzt, dass dort 23 000 Menschen pro Jahr an bakteriellen Infektionen mit multiplen Antibiotikaresistenzen sterben (Abbildung 1).2 Schätzungen für die EU liegen in vergleichbarer Höhe, bei derzeit 25 000. Der Epidemiologe Ramanan Laxminarayan und Kollegen warnen in einem Review über die weltweite Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen davor, dass der Vormarsch der Resistenzen die Sicherheit von chirurgischen Eingriffen, Chemotherapie und Frühgeburten in Gefahr bringt.3
Der CDC-Bericht teilt die resistenten Keime in drei Kategorien der Bedrohlichkeit ein: dringend, ernst und besorgniserregend.
Die höchste Stufe “dringend” enthält drei Probleme. Das sind die Enterobacteriaceae (darunter Klebsiella und unser Darmbewohner Escherichia coli), die gegen die zu den β-Lactam-Antibiotika gehörenden Carbapeneme (Abbildung 2) resistent geworden sind. Da diese Mittel nur als letzte Option in der Not angewendet werden, sind Carbapenem-resistente Bakterien die besonders hartgesottenen, die allen oder fast allen existierenden Antibiotika widerstehen. Erreicht eine Infektion mit einem solchen Bakterium das Blut, dann beträgt die Überlebenschance etwa 50 %.
Als weiteres dringendes Problem gilt die Resistenz beim Erreger der Gonorrhoe, Neisseria gonorrhoeae. Diese sexuell übertragene Krankheit ist zwar meist nicht lebensbedrohlich, kann aber zu Komplikationen bei der Fortpflanzung führen. Der Erreger hat sich inzwischen an die bisher bevorzugt angewendeten Antibiotika so gut angepasst, dass das CDC seine Behandlungsempfehlungen umschreiben musste.
Der dritte der dringenden Fälle ist Clostridium difficile, ein Bakterium dass oft im Darm von Patienten siedelt, deren eigene Darmflora durch eine vorangegangene Antibiotikabehandlung geschwächt ist [Nachr. Chem. 2013, 61, 776]. C. difficile verursacht in den USA 14 000 Todesfälle pro Jahr. Diese sind in den im CDC-Bericht genannten 23 000 nicht enthalten.
Zu den als ernstes Problem klassifizierten Erregern gehört der Krankenhauskeim MRSA, der in den USA mehr als 11 000 Patienten pro Jahr dahinrafft. Weiter steht in dieser Gruppe der wichtigste Erreger von Lungenentzündungen und Hirnhautentzündungen: Streptococcus pneumoniae.
Auch Tuberkulose gehört zu den ernsten Problemen in den USA, ist aber wohl noch bedrohlicher in ärmeren Ländern. Der im Jahr 2013 erschienene Tuberkulosebericht der WHO schätzt, dass im Jahr 2012 insgesamt 170 000 Menschen an Tuberkuloseerregern mit multiplen Resistenzen starben.


<h2>Landwirtschaft kontrollieren</h2>
Die Bundesregierung hat im November eine neue Fassung der seit dem Jahr 2008 gültigen Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie vorgestellt: Auf unsachgemäße Verwendung von Antibiotika in der Landwirtschaft soll schärfer kontrolliert werden.
Mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes wird am 1. April die Häufigkeit von Antibiotikaeinsätzen flächendeckend erfasst. Wo ein auffälliger Mehrverbrauch auftritt, können Tierhalter verpflichtet werden, ein Konzept zur Minimierung ihrer Antibiotikanutzung zu entwickeln und umzusetzen.


<h2>Mittel kombinieren</h2>
Auch die Forschung bemüht sich, Auswege aus der Krise zu finden. Da das Potenzial der traditionellen Antibiotika, die sich überwiegend von den antibakteriellen Kampfstoffen von Pilzen ableiten, weitgehend ausgeschöpft ist, gilt es nun, neue Konzepte ins Spiel zu bringen.
Eine einfach umzusetzende Idee ist die strategisch geplante Kombination existierender Mittel. Die Systembiologen Lejla Imamovic und Morten Sommer von der Technischen Universität Dänemarks in Lyngby haben ein “Netzwerk der kollateralen Empfindlichkeit” von Krankheitserregern entwickelt. Dieses beruht auf der Beobachtung, dass die Anpassungen, die ein Bakterium gegen eine Art von Antibiotika resistent machen, für die Bakterien oft mit Nachteilen verbunden sind und sie gegen andere Mittel empfindlicher machen können.
 Imamovic und Sommer zeigten am Beispiel von Escherichia coli, dass zyklischer Wechsel zwischen den Antibiotika Gentamicin und Cefuroxim auch solche Bakterienstämme effizient tötet, die gegen eines der Mittel resistent sind. Solche Strategien könnten außer in der Behandlung von Infektionen auch in der Krebstherapie nützlich sein, wo resistente Zelllinien ebenfalls Probleme bereiten.4


<h2>Schlafende Zellen töten</h2>
Eine bisher noch unzureichend verstandene Strategie von Bakterien zur Abwehr von Antibiotika lässt einen stochastisch bestimmten kleinen Anteil der Population in einen Dornröschenschlaf verfallen. Diese inaktiven Persister-Zellen sind für die meisten antibakteriellen Mittel unangreifbar: Die Zelle importiert die Mittel nicht, und zudem sind ihre Lebensfunktionen, auf welche die Wirkstoffe abzielen, stillgelegt.
Die Arbeitsgruppe von Kim Lewis an der Northeastern University in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts zeigte vor kurzem, dass Acyldepsipeptide (Abbildung 3) solche Persister töten.5 Diese Peptide dringen in schlafende Zellen ein und erweitern den Zugangskanal zur Protease ClpP. Diese ist — ähnlich wie das Proteasom — eine Art Fass, in dessen Innerem der Verdau von Proteinen stattfindet. Strenge Regulierung des Zugangs zum Innenraum ist bei solchen Proteasen äußerst wichtig, da die Zelle nur so verhindern kann, dass das Enzym ungehemmt alle Proteine verdaut, die ihm in die Quere kommen. Genau diesen Zustand stellen die Acyldepsipepside her, indem sie in der inaktiven Zelle den Zugang zu diesem gefährlichen Hohlraum öffnen. Diese Entdeckung wird das grundsätzliche Problem der Antibiotikaresistenzen zwar nicht lösen, dürfte sich aber bei etlichen chronischen und wiederkehrenden Infektionskrankheiten als nützlich erweisen.


<h2>Infektionsherde vermeiden</h2>
Um das fundamentale Problem der Selektion von Antibiotikaresistenzen zu umgehen, entwickeln manche Arbeitsgruppen Wirkstoffe, die darauf zielen, Infektionsherde zu verhindern. Ein solches Mittel sollte die Synthese der Zellfortsätze (Pili) unterbinden, mit denen Bakterien sich zum Beispiel bei einer Harnwegsinfektion an den Gefäßwänden verankern [Nachr. Chem. 2008, 56, 148]. Da die Pili für die einzelnen Zellen nicht direkt überlebenswichtig sind, käme es bei dieser Art von Behandlung nicht zu einem vergleichbaren Selektionsdruck wie bei der Behandlung mit Antibiotika.
Eine ähnliche Vorgehensweise will die Kommunikation zwischen Bakterien unterbinden, die ebenfalls für die Etablierung und Ausbreitung von Infektionsherden wichtig ist. Hier gelten Histidin-Kinasen als aussichtsreiches Ziel der Wirkstoffentwicklung. Dieser Weg wurde zwar in den 1990er Jahren schon einmal anvisiert, aber Experten glauben heute, dass damals ungeeignete Substanzen getestet wurden und dass sich ein neuer Ansatz lohnt.6


<h2>Bakterien mit Viren angreifen</h2>
Eine weitere Alternative zu Antibiotika ist älter als Flemings Entdeckung des Penicillins, geriet aber in der westlichen Welt immer wieder in Vergessenheit: Bakteriophagen, also Viren, die Bakterien infizieren. Diese testete einer ihrer Entdecker, der Franzose Felix d'Herelle, bereits 1919 als Waffen gegen Infektionskrankheiten. Mit dem Siegeszug der Antibiotika geriet diese Option in Vergessenheit — außer in der Sowjetunion. Insbesondere in Tiflis, in Georgien, erforschten Wissenschaftler die Phagentherapie weiter; dies nahm der Westen aber nicht zur Kenntnis. Der CDC-Bericht erwähnt Phagen nicht einmal.
Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Krise der Antibiotikaresistenzen interessieren sich heute auch westliche Länder wieder für die Phagentherapie. Christine Rohde von der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig baut eine Phagenbank mit Stämmen auf, die sich als medizinisch nützlich erweisen könnten, unter anderem auch gegen antibiotikaresistente Keime wie den Krankenhauskeim MRSA.7
Auch am Pasteur-Institut in Paris, wo d'Herelle vor fast hundert Jahren die ersten Versuche zur Phagentherapie startete, ist diese Forschungsrichtung heute wieder aktuell. Da Phagen auf die Infektion von Bakterien spezialisiert sind, gilt es als extrem unwahrscheinlich, dass ihre medizinische Anwendung menschliche Zellen schädigen könnte. Nebenwirkungen wären allenfalls für unsere natürliche Darmflora zu befürchten. Tatsächlich werden in Osteuropa Phagencocktails seit Jahrzehnten verwendet, ohne dass gefährliche Nebenwirkungen bekannt geworden wären.
Der formellen Anerkennung von Phagen als Heilmittel stehen in westlichen Ländern vor allem bürokratische Hindernisse entgegen. Auf halbem Weg zwischen Molekül und Lebewesen angesiedelt, sind diese Viren schwierig in Kategorien und Produktionsstandards einzuordnen. Doch die rasante Ausbreitung der Antibiotikaresistenzen wird uns bald keine andere Wahl mehr lassen, als auch auf solche unkonventionellen Auswege zurückzugreifen.
Michael Groß ist freier Wissenschaftsautor in Oxford, England. <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.michaelgross.co.uk" target="_blank">www.michaelgross.co.uk</a></ext-link>


<h2>Lampenbürsten-Chromosomen</h2>
Lampenbürsten-Chromosomen sind langgestreckte Chromosomen, die vorwiegend in den Oocyten der Amphibien gefunden werden (bis 1 mm). Sie sind ebenfalls Interphasechromosomen und enthalten viele seitliche Schleifen, an denen Transkription ribosomaler RNA stattfindet. Mehr zu ungewöhnlichen Stichwörtern in diesen Nachrichten auf S. 436.
<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.roempp.com" target="_blank">www.roempp.com</a></ext-link>



<ul>
<li>
1 

 
D. Kennedy, 
<source>Science 
(2013), 
342, 
777.
</li>
<li>
2 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.cdc.gov/drugresistance/threat-report-2013/" target="_blank">www.cdc.gov/drugresistance/threat-report-2013/</a></ext-link>.
</li>
<li>
3 

 
R. Laxminarayan, 
A. Duse, 
C. Wattal et al., 
<source>Lancet Infect. Dis. 
(2013), 
13, 
1057.
</li>
<li>
4 

 
L. Imamovic, 
M. O. A. Sommer, 
<source>Sci. Transl. Med. 
(2013), 
5, 
204ra132.
</li>
<li>
5 

 
B. P. Conlon, 
E. S. Nakayasu, 
L. E. Fleck et al., 
<source>Nature 
(2013), 
503, 
365.
</li>
<li>
6 

 
K. E. Wilke, 
E. E. Carlson, 
<source>Sci. Transl. Med. 
(2013), 
5, 
203ps12.
</li>
<li>
7 

<ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.dsmz.de/" target="_blank">www.dsmz.de/</a></ext-link>
</li>
</ul>

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