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Ehrenamt, nachhaltige Chemie und ein Kind

Nachrichten aus der Chemie, November 2023, S. 20-21, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Clara Hartling hat in ihrem Studium gelernt, Nachhaltigkeit und Chemieingenieurwesen genauso zu verbinden wie Praktika und Kinderbetreuung.

Clara Hartling studiert Chemieingenieurwesen an der Technischen Universität Berlin und arbeitet nebenbei in einem Chemie-Start-up zum Thema Elektrolyse und künstliche Intelligenz (KI). Hartling begeistert sich für nachhaltige Chemie und freut sich, das Wissen aus dem Studium in ihrem Job praktisch anwenden zu können. Job und Studium zu vereinbaren, gestaltet sich nicht immer einfach, besonders als alleinerziehende Mutter und in der Chemie.

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Wenn‘s nicht anders geht, nimmt Clara Hartling ihre Tochter mit in die Vorlesung. Den Tag der Einschulung verbrachten sie gemeinsam.

Ihre Tochter bekommt Hartling 2015 mit 19 Jahren nach ihrer Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten. Mutter wollte sie irgendwann werden, allerdings nicht ganz so früh, und gerne hätte sie mehr finanzielle Sicherheit gehabt. Trotzdem ist es „das Beste, was mir passieren konnte, weil ich daran so gewachsen bin”, betont sie. An ein Tiermedizinstudium ist aufgrund der unregelmäßigen Arbeitszeiten für sie nicht zu denken. So kommt sie auf Chemieingenieurwesen und beginnt im Jahr 2017 mit dem Studium. „An Chemie liebe ich, dass es Ordnung und Struktur gibt.”

Zwischen Laborpraktikum und Kita

Bis vor kurzem wohnten Hartling und ihre Tochter bei ihren Eltern in Berlin. „Meine Eltern haben eine riesige Rolle gespielt.” Mehr noch als Nachbarn und Freunde unterstützen sie Hartling, holen die Enkeltochter aus der Kita ab oder betreuen sie, wenn lange Laborpraktika anstehen oder Hartling arbeitet.

Zusätzlich qualifiziert ihr Job in der Tiermedizin sie anfangs für eine 24-Stunden-Kita. Mit Beginn des Studiums nimmt Hartling die Betreuungsangebote der Uni nur selten in Anspruch, denn mit Vorlesungen am Morgen und Praktika bis in den Abend komme man immer über das Stundenpensum der Kita, das sieben Stunden umfasst. Und eine verlängerte Betreuung kostet, auch wenn die Uni einen Teil der Kosten übernimmt. „In einer Zeit, in der ich selbst nicht gearbeitet habe, waren auch sechs Euro pro Stunde viel.” Selbst mit einem Teilzeitstudium lassen sich Praktika nicht auf zwei Semester verteilen, „entweder man nimmt teil oder man nimmt nicht teil”.

In Ausnahmefällen nimmt Hartling ihre Tochter mit in Vorlesungen: „Ich habe ihr einen Film angemacht. Sie hat ein paar Mal gelacht und alle haben mitgelacht.“

Engagement und Leidenschaft

Neben ihrem Studium macht Hartling „noch so ein paar Projekte”, erzählt sie: In der Fachschaft ist sie lange Zeit im Vorstand, engagiert sich als Kassenwartin, plant Events und weist die neuen Erstsemester ein. „Mittlerweile machen die ersten von denen ihren Bachelor”, stellt sie fest. Zusätzlich ist sie Mitgründerin der AG Green Chemistry. Grüne Chemie und Nachhaltigkeit sind unterrepräsentiert im Studium, findet sie, und mit viel Herzblut und Kraft arbeitet die AG daran, das zu ändern. Mit diesem Ziel ist Hartling auch Vertreterin bei Beyond Benign, einer weltweiten Organisation, die die Lehre zu grüner und nachhaltiger Chemie verbessern will. Nachhaltige Chemie hat Hartling gefesselt.

Während Corona haben die Kitaschließungen sie sehr belastet, und die Arbeit mit Beyond Benign wird zu ihrem Rettungsanker. „Ich habe herausgefunden, was für eine Rolle ich spielen kann mit meinem Studium.” Sie fängt in einem Start-up an, das mit Machine Learning günstige und nachhaltige Materialien identifizieren will, die als Katalysatoren der Wasserstoffproduktion dienen können. Endlich kann sie ihr Wissen aus dem Studium anwenden – „für etwas, das hoffentlich irgendwann mal die Welt beeinflussen kann”.

Der Aufwand nimmt zu

Im Start-up-Büro ist sie nicht die einzige Person mit Kind, und in Corona-Zeiten waren immer einige Kinder vor Ort. In der Uni erwähnt Hartling ihre Tochter hingegen selten. „Ich kenne gar nicht so viele Leute, die im Chemiestudium ein Kind bekommen.” Sie wünscht sich, dass Vorlesungen auch nach Corona online zur Verfügung stehen und dass die Kinderbetreuung die Stundenpläne berücksichtigt. Benachteiligungen erfährt sie dennoch nicht, sagt sie. „Ich bin daran gewöhnt, Probleme immer selbst lösen zu müssen.” Zumindest als Mutter wird sie nicht diskriminiert, betont sie, eher als Schwarze und als Frau.

Ihre Tochter ist inzwischen in der dritten Klasse, und die Vereinbarkeit von Studium und Muttersein wird schwieriger, teurer und zeitaufwendiger: „Ich weiß nicht, ob der Stoff im Studium komplizierter geworden ist oder ihr bewusst ist, wenn ich ihr nicht die volle Aufmerksamkeit schenke.” Für Hartling bedeutet das striktes Zeitmanagement und auch, dass sie sich aus einigen Ehrenämtern in der Fachschaft zurückziehen wird. In der AG Green Chemistry will sie auf jeden Fall weiterarbeiten.

Abschluss in Sicht

In den nächsten beiden Semestern wird Hartling ihre Bachelorarbeit schreiben. „Ich möchte einfach alles hinter mir haben und mit dem Abschluss arbeiten gehen.” Von der Uni wird sich Hartling voraussichtlich noch nicht verabschieden. Nach dem Bachelorabschluss plant sie, ein paar Jahre Vollzeit zu arbeiten und Berufserfahrung zu sammeln. Danach möchte sie den Master in Chemieingenieurwesen machen, am liebsten in Teilzeit parallel zur Arbeit. Denn Kindererziehung bleibt teuer.

Mit Clara Hartling sprach Alexandra Tietze.

INFO: Chemie und Elternschaft

In dieser Porträtserie spricht das Team Chancengleichheit des Jungchemikerforums mit Chemiker:innen, die Elternschaft und Karriere in Studium, Forschung oder Industrie verbinden. Um Elternschaft in der Chemie und damit zusammenhängende Problematiken sichtbar zu machen, berichten Eltern über ihre Erfahrungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Anregungen an chancengleichheit@jcf.io

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