Bildung + Gesellschaft

Kurioses, Erstaunliches, &Uuml;berraschendes &mdash; was vor 50 Jahren in den &bdquo;Nachrichten aus der Chemie&ldquo; stand, die damals noch &bdquo;Nachrichten aus Chemie und Technik&ldquo; hie&szlig;en.

Vor 50 Jahren

<h2 type="main">Chemie und Gesellschaft – das Spiel</h2>Die Aprilausgabe von 1973 der Nachrichten aus Chemie und Technik präsentierte der Leserschaft ihr ganz eigenes Spiel des Lebens. Gewonnen hat, wer mit 60 Jahren in den Nachrichten gewürdigt wird. Auf dem Spielfeld stehen wörtlich wie übertragen mehrere Laufbahnen zur Auswahl. Ohne Doktortitel reicht die Karriereleiter bis zum Babysitter oder Ökologen. Betritt man die falschen Felder, darf man etwa zwei Jahre als Baader-Meinhof-Mitverschwörer einsitzen. Die Regeln enden mit: „Wenn Ihnen die Regeln zu kompliziert erscheinen, denken Sie daran: Das Leben ist auch nicht einfach.“<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/5huURYT6uk6WHYCzMkAe">Mehr Erstaunliches oder aus heutiger Sicht Skurriles aus den Blauen Blättern von anno dazumal lesen Sie in der GDCh-App: <a href="https://gdch.app/category/vor-50-jahren" target="_blank">gdch.app/category/vor-50-jahren</a>

Vor 50 Jahren in den Blauen Blättern

Chemie und Gesellschaft ‐ das Spiel

Chemie und Gesellschaft – das SpielDie Aprilausgabe von 1973 der Nachrichten aus Chemie und Technik präsentierte der Leserschaft ihr ganz eigenes Spiel des Lebens. Gewonnen hat, wer mit 60 Jahren in den Nachrichten gewürdigt wird. Auf dem Spielfeld stehen wörtlich wie übertragen mehrere Laufbahne...

Ohne Gase geht es nicht &ndash; schon gar nicht im April. Dieser Trend zeichnet sich nun bereits seit Jahren ab, seit Transmutationen aus der Mode gekommen sind.
In diesem Jahr fallen die Elementumwandlungen aus. Kein Leser, keine Leserin hat der Redaktion eine Meldung dar&uuml;ber geschickt; kein Cobalt, kein Tantal, das zu einem Lanthanoid wurde. Nur in einer Krimireihe f&uuml;r Kinder, &bdquo;Die drei ???&ldquo;, fand Nachrichten-Leser Hauke Reddmann etwas: Yttrium,
&bdquo;ein spezielles Edelmetall, das zu den sogenannten Seltenen Erden geh&ouml;rt&ldquo;.
Aber das ist Fiktion. Offensichtlich sind doch alle Betr&uuml;ger, die behauptet haben, ein Element lasse sich in ein anderes, kostbareres umwandeln.
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/8cf2vtDoRpiXo56LwunM" />
<figcaption><label>Abb.1: </label>Dass K&ouml;che streng genommen auch Chemiker sind, wusste die Werbeagentur offensichtlich nicht. (Kleiner Hinweis eines Physikers auf Twitter: Aus dessen Sicht sind nur solche Zus&auml;tze k&uuml;nstlich, die in einem Teilchenbeschleuniger entstehen und maximal wenige Sekunden haltbar sind.) Foto: Maximilian Br&auml;utigam</figcaption>
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<figcaption><label>Abb.2: </label>Eine Hautpflegeserie f&uuml;r M&auml;nner. Nach Angaben des Schweizer Kosmetikanbieters Biences wurde diese entwickelt von Wissenschaftlern. Welcher Wissenschaft sie nachgehen, verr&auml;t der Hersteller nicht. Produkte f&uuml;r Frauen f&uuml;hren &uuml;brigens niemals &bdquo;Science&ldquo; im Produktnamen. Vielleicht weil Frauen schlauer sind?</figcaption>
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Einen letzten Rest Transmutation gibt es beim Autoclub Europa, ACE. Der meldete n&auml;mlich (und Holger Fr&auml;nzl las es bei <a href="https://web.de" target="_blank" rel="noopener">web.de</a>), dass es nicht sinnvoll ist, den Brennstoff zu hamstern, denn
&bdquo;Bakterien aus dem Biodieselanteil zersetzen mit der Zeit den Kohlenstoff im Diesel&ldquo;.
Folgerichtig hat der Kreis Euskirchen seine alten Diesel-Busse durch Bio-Erdgasbusse (Abbildung unten) ersetzt, wie Ulrich Scharfenort erfahren hat. Denn der Brennstoff daf&uuml;r entsteht nach Angaben des Kreises so:
&bdquo;Bio-Gas ist ein regenerativer Kraftstoff, der aus nachwachsenden Stoffen und zu einem gro&szlig;en Anteil aus Abfallprodukten wie G&uuml;lle, Mist, landwirtschaftlichen und Bioabf&auml;llen gewonnen wird. Durch die Abspaltung von CO2 wird das Gas in Bio-Erdgas umgewandelt.&ldquo;
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<figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/uQEmTetuTzC4sUdqSv2w" />
<figcaption><label>Abb.3: </label>Nimm das, Putin: &Ouml;PNV, der mit &bdquo;Bio-Erdgas&ldquo; l&auml;uft. Kommt das Gas nun aus der Erde oder aus der G&uuml;lle?</figcaption>
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Falls dieser Beitrag zum Klimaschutz aus dem Rheinland nicht dabei hilft, die Erderw&auml;rmung zu bremsen, m&uuml;ssen wir uns Anpassungsstrategien &uuml;berlegen. Etwa: Wie verhindern wir Depressionen im Angesicht braunen Rasens? Die letzten Sommer in Deutschland lieferten ja reichlich Anschauungsmaterial. Das US-Unternehmen &bdquo;Green Lawn Paint&ldquo; bietet ganz technologieoffen eine L&ouml;sung f&uuml;r das Problem, die Benedikte Roberz in der S&uuml;ddeutschen Zeitung fand: Rasenspray, gr&uuml;n, biologisch abbaubar, unsch&auml;dlich f&uuml;r Mensch, Tier und Natur. Einen Nachteil gibt es:
&bdquo;beim Aufspr&uuml;hen riecht es nach Stickstoff&ldquo;.
Und das ist, so lernte Artur Sailler aus dem Trierischen Volksfreund, ein
&bdquo;Luftschadstoff&ldquo;.
Wer jetzt denkt: &bdquo;Moment mal, wie kann Stickstoff ein Luftschadstoff sein, wenn die Luft vor allem aus Stickstoff besteht?&ldquo;, war offenbar im letzten Jahr nicht auf der Documenta in Kassel, der Kunstausstellung, die dort alle f&uuml;nf Jahre stattfindet. Dort hat Leser Ralph Kusche n&auml;mlich Neues &uuml;ber Helium erfahren:<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/6vJbRSIWSIS1mhx13nTo" />
<h2 type="main">Warnung vor Luft und Gift</h2>
Dass sich harmlose Chemieunf&auml;lle an Luft zu Katastrophen auswachsen k&ouml;nnen, wusste gl&uuml;cklicherweise die Feuerwehr Obersulm: Sie wurde gerufen, weil in einem &ouml;rtlichen Betrieb eine Flasche Salzs&auml;ure zerbrochen war und die Chemikalie auslief.
meldete die Heilbronner Stimme. Der Kommandant der Einsatzkr&auml;fte mahnt korrekterweise: &bdquo;Mit Chlorgas ist nicht zu spa&szlig;en.&ldquo;<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/iInfiXnqQzrY2f6v54CA" />
Und wenn es gar kein Gas ist wie bei Covestro im Chempark Dormagen? Dort trat fl&uuml;ssiges Chlor aus. Auch das ist gef&auml;hrlich, wissen jetzt Timo Frassetto und Matthias Scherr, denn nach Informationen der Neuss-Grevenbroicher Zeitung
&bdquo;soll sich das Chlor bei Kontakt mit Sauerstoff in einen gasf&ouml;rmigen Zustand verwandeln&ldquo;.
Ebenfalls gasf&ouml;rmig waren im letzten Jahr Substanzen, die bei einem Unfall im Mannheimer Hafen frei wurden (Zeit online meldete und Frank Amoneit las):
&bdquo;Schwefeldioxid und andere Schwefelsalze&ldquo;.
Daher dient es der Sicherheit von Menschen, wenn Ger&auml;te vor gef&auml;hrlichen Gasen warnen, wie nun in einer Wohnsiedlung in Marl. Dort wurden<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/I443l2lkR6WuRDVimRHL" />
Offenbar tats&auml;chlich Kohlendioxid ist gemeint, wenn es in der Zeitschrift Natur um eine<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/GY4K88RRbSIsaczVXGOw" />
geht.
Kuchenteig sollte gerade nicht CO2-arm sein, wie Annette Wolfgardt aus dem Schlossmagazin erfuhr:<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/JQ2YGTnUQ76wdayRmqHE" />
Durch diesen &bdquo;nat&uuml;rliche Ersatz f&uuml;r Backpulver&ldquo; habe das Geb&auml;ck n&auml;mlich, so steht es im Bericht, weniger Kalorien. Da fragt sich die B&auml;ckerin: Wie viel Backpulver l&ouml;ffelt der Autor dieses K&uuml;chentipps wohl routinem&auml;&szlig;ig in seinen Kuchen?
<h2 type="main">Wundermittel Wasserstoff</h2>
Ob das Geb&auml;ck auch mit dem Kohlendioxid fluffig und locker wird, von dem das Waffenmagazin Visier berichtet?<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/95WbeQJ8Q1uNv0zPaKNK" />
In der Fernsehzeitschrift Prisma hat Gerhard Hinz eine Zahnpasta entdeckt, die besonders sauber macht. Sie enth&auml;lt n&auml;mlich Fluorid, das ist eine<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/JkNkmTaBTHqEfJfQaUa2" />
Das Magazin Wohnen regt dagegen an, Regenwasser zu sammeln. Es koste nichts, sei frei von Chemie und
&bdquo;Durch seinen niedrigen pH-Wert ist gefiltertes Regenwasser auch perfekt zum W&auml;schewaschen geeignet.&ldquo;
Wer denkt da nicht an sauren Regen.
<h2 type="main">Kreislaufwirtschaft und Energiewende neu gedacht</h2>
Wasser, das nicht chemiefrei ist, enth&auml;lt vielleicht wertvolle Rohstoffe. So berichtet die Augsburger Allgemeine &uuml;ber ein Unternehmen, das Mikroplastik aus Wasser sch&ouml;pft und dann (so las Martin Schmid)<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/fhgpD16JRaGmWtU8bXNG" />
PVC l&auml;sst sich ebenfalls prima chemisch verwerten, wie die University of Michigan herausgefunden und Stefan Fokken gelesen hat. Denn es
&bdquo;besteht aus Materialien wie Duschvorh&auml;ngen, Zelten, Planen und Kleidung.&ldquo;
Woraus die leuchtende Fliege besteht, die der elegante Herr w&auml;hrend des Karnevals tr&auml;gt, steht auf der Packung:<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/MWj7ZgPdRHe9ruhkEMcD" />
Da Strom auch in der Schweiz knapp und teuer geworden ist, geriet eine Lichtshow vor dem Bundeshaus in Bern im Oktober in die Schlagzeilen. Der Berner Sicherheitsdirektor konnte den Vorwurf der Energieverschwendung entkr&auml;ften, indem er dem Schweizer Medium 20 Minuten gegen&uuml;ber sagte:
&bdquo;Au&szlig;erdem liefen die Projektoren mit Phosphorenergie, was &bdquo;sehr energieeffizient&ldquo; sei.&ldquo;
Leserin Liv Peters wei&szlig; zwar nicht, was das ist, aber vielleicht steckt hier ja die L&ouml;sung f&uuml;r unser Energieproblem.
Die L&ouml;sung f&uuml;r alles bringt ein Kristall, den Terrance Hadlington an der TU M&uuml;nchen hergestellt hat, jedenfalls wenn man dem M&uuml;nchener Merkur glaubt:
&bdquo;Die m&ouml;gliche Rettung der Welt ist rund 0,00001 Millimeter klein. Der Kristall ist eine Bindung aus Eisen und dem Halbmetall Germanium.&ldquo;
Wenn das keine gute Nachricht ist.
Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski sichtet die Stilbl&uuml;ten und ger&auml;t Anfang M&auml;rz regelm&auml;&szlig;ig in Panik. Das &bdquo;Wir haben nichts&ldquo; in der April-Redaktionskonferenz hat sich auch dieses Jahr als falsch erwiesen.

Vor 50 Jahren in den Blauen Blättern

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