Industrie + Technik

Therapie- und Diagnostikunternehmen zufolge könnte die Geschäftslage wegen der Energiekrise schlechter sein als im Jahr 2008 mit der Finanzkrise.Etwa 920 Mio. Euro hat die deutsche Biotechbranche im Jahr 2022 eingeworben; das ist weniger als ein Drittel des Betrags im Jahr 2020. Während der Coronakrise war das Investoreninteresse gestiegen. Im Jahr 2022 gab es keine Börsengänge. Investoren unterstützten private und börsennotierte Unternehmen etwa je zur Hälfte (<link href="#nadc20234135080-fig-0001">Grafik).<figure xml:id="nadc20234135080-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/k5XTlvbSIiRLIj4GIKpB"><figcaption><label>Abb.1: </label>Kapitalquellen Biotech der letzten sechs Jahre. Quelle: Bio Deutschland</figcaption></figure></figure>Einer Umfrage des Verbands Bio Deutschland im November 2022 zufolge wollen drei Viertel der 125 Antwortenden Personal einstellen, und fast 90 Prozent wollen in Forschung und Entwicklung investieren. Zur deutschen Biotechbranche gehören ungefähr 770 Unternehmen. Davon arbeiten etwa 65 Prozent in medizinischen Bereichen. MB

Jahresrückblick

Biotech läuft langsamer

Therapie- und Diagnostikunternehmen zufolge könnte die Geschäftslage wegen der Energiekrise schlechter sein als im Jahr 2008 mit der Finanzkrise.Etwa 920 Mio. Euro hat die deutsche Biotechbranche im Jahr 2022 eingeworben; das ist weniger als ein Drittel des Betrags im Jahr 2020. Während der Coron...

Der Wirtschaftschemiker

Wann ist eine Technologie zur Defossilisierung der Chemieindustrie einsetzbar? Wie beobachte und bewerte ich die Entwicklung bei CCS und CCU (CO2-Abscheidung und -Speicherung beziehungsweise -Verwendung)? Kurz: Welche Elemente muss ein Technologieradar umfassen?Traditionell zeigen „Technology Readiness Level“, ob eine Technik einsatzbereit ist. Dieses inzwischen verfeinerte Konzept aus den 1970er Jahren unterscheidet die technologische Reife auf einer Skala von der Idee (Stufe 1) bis zum erprobten Produkt (Stufe 9). Allerdings reicht es nicht, den Entwicklungsstand einer einzelnen Lösung zu betrachten. Ein Technologieradar sollte zumindest fünf weitere Felder umfassen: komplementäre Techniken und Infrastrukturen, Regulatorik, Marktakzeptanz, organisatorische Anpassungsbereitschaft und gesellschaftliche Akzeptanz.Beim Beispiel der CO2-Nutzung ist also auch der Reifegrad der CO2-Speicherung zu bewerten. Sind die Infrastrukturen für Grünstrom, grünen Wasserstoff oder CO2 ausreichend? Sind die regulatorischen Spielregeln klar und verlässlich? Hier herrscht etwa mit Blick auf die Einstufung grünen Wasserstoffs und dessen Anrechenbarkeit auf die CO2-Bilanz Unsicherheit. Analog ist die Frage der Bewertung von CO2 in CCU-Prozessen ungeklärt; wird CO2, das aus einem traditionellen Produktionsprozess abgeschieden und dann in einer CCU-Anwendung genutzt wird, dem ursprünglichen Emittenten als „vermieden“ zugesprochen? Haben Emissionen aus thermischer Verwertung eine Sonderrolle? Wird eine neue Technik nur von einzelnen oder von allen Marktteilnehmern akzeptiert? Wie bereit sind die eigenen Institutionen, aber auch Kunden und Lieferanten, sich organisatorisch auf neue Verfahren umzustellen? Und schließlich ist die gesellschaftliche Akzeptanz einer neuen Technik als Handlungsfeld zu beobachten – akzeptieren nur einzelne Beteiligte die Technik oder nimmt die gesamte Gesellschaft sie an?Ein solches mehrdimensionales Screening erlaubt es, eine Technologieentwicklung umfassender zu sehen. Zugleich zeigt es der Forschungs- und Projektförderung jene Handlungsfelder, die sie bearbeiten müssen.Klarheit und Transparenz des Entwicklungsstands in allen Dimensionen sind Voraussetzung für unternehmerisches Handeln. Diese Transparenz zu schaffen ist ein wesentlicher Hebel, um die Defossilisierung zu beschleunigen. Eine wichtige Aufgabe für Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Verbände und die öffentliche Hand.Hannes Utikal ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Provadis-Hochschule in Frankfurt am Main und leitet das dortige Zentrum für Industrie und Nachhaltigkeit. Er ist Vorstandsmitglied der GDCh-Vereinigung Chemie und Wirtschaft und führt mit dieser Kolumne im Wechsel mit Rolf Albach durch die Welt der Wirtschaftschemie.

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