Industrie + Technik

Der amerikanische Chemiekonzern Dow und der Spezialchemiekonzern Evonik haben eine gemeinsam entwickelte Pilotanlage am Evonik-Standort in Hanau in Betrieb genommen. Die Anlage erzeugt katalytisch Propylenglykol direkt aus Propylen und Wasserstoffperoxid (hydrogen-peroxide-to-propylene-glycol, HPPG). Propylenglykol dient als Additiv oder Initiator.

Dow und Evonik

Pilotanlage

Der amerikanische Chemiekonzern Dow und der Spezialchemiekonzern Evonik haben eine gemeinsam entwickelte Pilotanlage am Evonik-Standort in Hanau in Betrieb genommen. Die Anlage erzeugt katalytisch Propylenglykol direkt aus Propylen und Wasserstoffperoxid (hydrogen-peroxide-to-propylene-glycol, HP...

Das vorgeschlagene EU-Verbot aller per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen betrifft auch die Outdoor-Branche, denn diese Stoffe werden in atmungsaktiven Membranen und wasserabweisenden Textilbeschichtungen eingesetzt. Wie das ohne diese Substanzen funktioniert, erläutert Bettina Roth, Leiterin des Qualitätsmanagements beim Outdoor-Ausrüster Vaude im baden-württembergischen Tettnang.Anfang 2023 haben fünf EU-Länder, darunter Deutschland, der Europäischen Chemikalienagentur eine Regulierung der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) vorgeschlagen. Der Aufruhr in vielen Industriezweigen ist groß. Hat Sie der Vorschlag überrascht?Uns sind die Hinweise darauf, dass PFAS die Gesundheit gefährden und die Umwelt belasten, seit vielen Jahren bekannt. Wir fordern schon lange eine entsprechende Gesetzgebung. Als einer der ersten Hersteller in der Textilindustrie haben wir schon vor rund 15 Jahren aus eigenem Antrieb die Entscheidung getroffen, PFAS zu eliminieren. Seit 2009 verwenden wir in unseren Produkten atmungsaktive Membranen ohne Fluor: unsere selbst entwickelte Ceplex-Membran aus Polyurethan sowie Membranen von Sympatex.Welche Materialien haben Sie vorher eingesetzt?Zuvor haben wir unter anderem Membranen aus Polytetrafluorethylen, also aus Teflon, verwendet. Die Umstellung auf Membranen aus Polyurethan war mit ein wenig Aufwand machbar, auch die Funktionalität war hervorragend. Zeitgleich haben wir versucht, die dauerhaft wasserabweisenden Beschichtungen von Textilien ebenfalls PFAS-frei hinzubekommen. Aber da sind wir zunächst gescheitert, da es noch keine funktionierenden Alternativen am Markt gab. Erst die Greenpeace-Kampagne „Detox my fashion“ im Jahr 2011 und zwei Jahre später der Outdoor-Bericht von Greenpeace haben Bewegung in die Industrie gebracht. Da haben Endverbraucher das erste Mal kritisch nachgefragt. Das hat den Druck auf die Materialhersteller und die Chemieindustrie erhöht. Sie begannen, sich intensiver damit zu befassen und entwickelten PFAS-freie Alternativen.Woraus besteht Ihre wasserabweisende Ausrüstung jetzt?Auf unsere Produkte werden Polyurethan-Dendrimere aufgebracht. Die feinen Verästelungen simulieren den Aufbau der Fluorverbindungen. Die uns vorliegenden toxikologischen Gutachten belegen, dass von den Polyurethanen keine Gefährdung ausgeht. Greenpeace bescheinigt zudem, dass sie keine persistenten und bioakkumulativen Eigenschaften besitzen. Es gibt noch andere Alternativen wie Wachse oder Siloxane. Als Hersteller müssen wir schauen, mit welchen Substanzen wir auf den jeweiligen Materialien und Produkten die beste Performance hinbekommen.Wie aufwendig war die Entwicklung der PFAS-freien Alternativen?Das war natürlich viel Arbeit, auch in der chemischen Industrie. Wir haben über Jahre hunderte Materialien geprüft, die Prozesse mussten umgestellt werden. Die alte Fluorchemie war robust, auch in der Fertigung, zum Beispiel bezüglich der Temperatur und der Oberflächensauberkeit. Die Imprägnierung war zum Beispiel völlig unempfindlich gegenüber Farbpartikeln, die nach dem Färbeprozess noch auf den Textilien saßen. Für die PFAS-freie Beschichtung müssen die Oberflächen sauberer sein. Wir müssen mehr spülen, wir müssen eine bessere Vernetzung herstellen. Außerdem müssen Temperaturen und Prozesszeiten genauer eingehalten werden, um eine gleichbleibende Performance zu erreichen. Davon mussten wir unsere Partner in der Lieferkette erstmal überzeugen.Entwickeln Sie neue Materialien selbst?Ja, zusammen mit unserer Lieferkette. Für die Herstellung der <link href="#nadc20234138471-fig-0001">Membranen und der wasserabweisenden Ausrüstung sind wir aber auf die chemische Industrie angewiesen. Anfangs dachten wir, wir können Ergebnisse aus unseren Laborversuchen einfach in die Produktion übertragen, aber das hat nicht funktioniert. Wir haben dann unter anderem einen Workshop initiiert mit unseren Materiallieferanten und der chemischen Industrie und erarbeitet, wie wir vorankommen. Heute überlassen wir es unseren Partnern in der Lieferkette, mit welchem Chemieunternehmen sie unsere jeweiligen strengen Vorgaben erfüllen. Wir fordern jedoch höchste Transparenz über die Techniken und die eingesetzten Substanzen. Nach wie vor muss aber jedes neue Material intensiv getestet werden.<figure xml:id="nadc20234138471-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/MglxRG24SIqMzEwnrloD"><figcaption><label>Abb.1: </label>Bettina Roth Foto: Vaude, Hari Pulko</figcaption></figure></figure>Ihrem Nachhaltigkeitsbericht zufolge verzichten Sie noch nicht bei allen Anwendungen auf PFAS.Bei einigen Zeltmodellen müssen wir leider noch PFAS einsetzen. Mit der alternativen Imprägnierung konnten wir die erforderliche Wasserdichtigkeit nicht erreichen. Im Labor hat es funktioniert, aber nicht mit den realen Zelten im Feldtest. Daher haben wir hier jetzt noch Handlungsbedarf. Wir gehen aber davon aus, dass wir die PFAS in diesen Zeltmodellen ab Verkaufssommer 2025 ebenfalls eliminiert haben. Wir werden weiterhin Polyurethan verwenden, müssen die Beschichtung aber noch besser auf das Zeltmaterial abstimmen.Einem möglichen PFAS-Verbot können Sie also gelassen entgegen sehen.Wir erhoffen uns von der Gesetzgebung sogar Vorteile. Es gibt ja immer noch Anbieter von Outdoor-Ausrüstung, die PFAS einsetzen. Mit denen stehen wir im Wettbewerb. Als Verbraucher muss man die PFAS-freien Alternativen etwas häufiger <link href="#nadc20234138471-fig-0002">nachimprägnieren. Es verzerrt den Wettbewerb, wenn Leistungsmerkmale von PFAS-haltigen und PFAS-freien Produkten direkt verglichen werden.<figure xml:id="nadc20234138471-fig-0002"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/A26IHbGxRtutnSZOtPuy"><figcaption><label>Abb.2: </label>Der Vaude-Firmensitz in Tettnang im Bodenseekreis in Baden-Württemberg im Winter 2021. Foto: Vaude</figcaption></figure></figure>Andere Hersteller behaupten, dass es den Wettbewerb verzerre, wenn Substanzen in der EU verboten werden, die in anderen Teilen der Welt erlaubt bleiben.In den USA sind ebenfalls schon einige PFAS verboten, und wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis andere Länder ähnlich vorgehen. Leider sind solche Verbote notwendig, freiwillig hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu wenig getan. In Deutschland werden immer die Probleme in den Vordergrund gerückt, dahinter steht viel Lobbyismus, denn einige Unternehmen verdienen viel Geld mit PFAS. Die Substanzen stecken ja in sehr vielen Produkten. Es geht jetzt darum zu analysieren, wo und wie sich auf PFAS verzichten lässt. Natürlich ist das viel Arbeit, doch so werden auch Innovationen angestoßen, das wissen wir aus eigener Erfahrung.Neben der bewussten Verwendung von PFAS gibt es Quellen für den unbeabsichtigten Eintrag in diverse Produkte. Betrifft das auch Ihre Branche?Ja, wir unterscheiden zwischen dem „intended use“, also dem gezielten Einsatz von PFAS, und den ungewollten Kontaminationen. Die europäische Gesetzgebung möchte das Textil-zu-Textil-Recycling fördern, und das ist auch unser Weg. Aber was machen wir, wenn künftig PFAS-beschichtete und PFAS-freie Teile wieder gemixt werden? Mit mechanischem Recycling lässt sich das nicht lösen. Es gibt noch einige offene Fragen, aber die Risiken von PFAS kann heute niemand mehr bestreiten. Eine Regulierung bietet die Chance, dass sich neue innovative Möglichkeiten auftun, und je mehr wir als Branche und darüber hinaus an einem Strang ziehen, umso besser ist das für uns alle.Das Gespräch führte Uta Neubauer.

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