Wissenschaft & Forschung

Prof.Dr.

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an Joachim Frank, Jacques Dubochet und Richard Henderson. Sie haben die Grundlage geschaffen, um Strukturen von Biomolekülen hochaufgelöst mit Kryoelektronenmikroskopie zu bestimmen.
Um zu verstehen, wie eine Uhr funktioniert, muss man wissen, wie die kleinen Zahnrädchen im Innern der Uhr ineinandergreifen und miteinander wechselwirken. Da diese Teile sehr klein sind und die Auflösungsgrenze unseres Auges nur 0,1 bis 0,2 Millimeter beträgt, braucht man dazu eine Lupe. Stärkere Vergrößerungen werden benötigt, um ähnliche Einblicke in den menschlichen Körper zu erhalten. Die Auflösungsgrenze von Lichtmikroskopen liegt bei etwa 0,2 Mikrometern. Damit kann man einzelne Zellen sichtbar machen und verstehen, wie sie Organe und Gewebe ausbilden. Um tiefer in die Zelle zu blicken, muss man mit Elektronenmikroskopie arbeiten. Diese Methode erreicht atomare Auflösung und macht damit Protein- und Nukleinsäurekomplexe sichtbar.<figure><img src="https://media.graphcms.com/ICceI7NKSNCM6agYG7dC"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Links: Auflösung eines Biomoleküls bis zum Jahr 2013, rechts: Auflösung heute.</figcaption></figure>
<h2>Grundlagen der Elektronenmikroskopie</h2>Die Grundlagen für die Elektronenmikroskopie haben Ernst Ruska (Nobelpreis für Physik 1986) und Max Knoll im Jahr 1931 geschaffen, in dem sie das erste Transmissionselektronenmikroskop bauten, damals noch Übermikroskop genannt.1) Mit der über die Jahre kontinuierlich verbesserten Technik ließen sich zuerst Viren, danach Organellen und andere Zellbestandteile sichtbar machen. Kombiniert mit verbesserter Gewebeschnitttechnik hat die Elektronenmikroskopie die Lebenswissenschaften revolutioniert. Die Präparationstechnik und andere gerätetechnische Eigenschaften beschränkten allerdings lange Zeit die erreichbare Auflösung.<h2>Strukturen bestimmen mit Kristallographie</h2>Um die dreidimensionale Struktur von Proteinen und Nukleinsäuren zu erhalten, wurden deshalb kristallographische Methoden eingeführt. Die zu untersuchenden Moleküle müssen dafür biochemisch gereinigt und kristallisiert werden. Die in den 1950er Jahren von Max Perutz und John Kendrew (Nobelpreis für Chemie 1962) entwickelte Röntgenkristallographie etablierte sich als Hauptmethode, um dreidimensionale Strukturen von Proteinen und Nukleinsäuren zu bestimmen. Bisher wurden über 100 000 Proteinstrukturen ermittelt.Viele Krankheiten beruhen auf einzelnen Mutationen, welche die komplexen Wechselwirkungen eines Organismus stören. Es ist deshalb wichtig, die dreidimensionalen Strukturen biologischer Makromoleküle zu bestimmen – nur so lässt sich verstehen, wie sie auf atomarer Ebene funktionieren. Strukturbiologie ist deshalb mittlerweile wichtiger Bestandteil der pharmazeutischen Arzneimittelforschung.Basierend auf den Grundlagen der Röntgenkristallographie haben Aaron Klug (Nobelpreis für Chemie 1982) und sein Team am Laboratory of Molecular Biology in Cambridge in den 1970er Jahren die Elektronenkristallographie entwickelt.2) Darüber lässt sich mit elektronenmikroskopischen Bildern die dreidimensionale Struktur von Biomolekülen bestimmen, die geordnet in Form von zweidimensionalen Kristallen, Filamenten oder Virushüllen vorliegen. Die Auflösungen der Strukturen waren allerdings durch die Präparation beschränkt, bei welcher der Kontrast der Proben mit Schwermetalllösungen erhöht wird.Nigel Unwin und Richard Henderson haben zweidimensionale Kristalle von Bacteriorhodopsin, dem Retinalprotein von Halobakterien, in Zucker anstatt in Schwermetalllösungen eingebettet und neben Bildern auch Elektronendiffraktionen aufgenommen. Indem sie zusätzlich Kippbilder aufnahmen, bestimmten sie im Jahr 1975 erstmals die dreidimensionale Struktur eines Membranproteins bei einer Auflösung von 7 Å. Richard Henderson führte die Arbeit an Bacteriorhodopsin dann an Elektronenmikroskopen weiter, die auf 4 K oder 77 K gekühlt wurden, und verbesserte über Jahre kontinuierlich die Datenqualität. Im Jahr 1990 ermittelten er und seine Kollegen dann mit Kryoelektronenmikroskopie die erste hochaufgelöste dreidimensionale Struktur eines Proteins.3)<figure><img src="https://media.graphcms.com/HNGLDqvPTHifeYuwetjZ"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Richard Henderson. <named-content>Copyright: MRC LMB</named-content></figcaption></figure>
<h2>Kristalle nicht mehr nötig</h2>Besonders für Membranproteine und Multiproteinkomplexe ist es schwierig und langwierig, Kristallisationsbedingungen zu finden, deren Resultate sich mit Elektronen- oder Röntgenkristallographie untersuchen lassen. Die Proteine müssen meistens stabilisiert werden, also mutiert, verkürzt oder an Antikörper gebunden. Kristalle von Proteinfilamenten wie Aktinfilamenten, Mikrotubuli und Amyloidfibrillen sind generell schwierig herzustellen.Einzelpartikel-Kryoelektronenmikroskopie hat diese Nachteile nicht, da sie keine Kristalle benötigt. Zudem braucht man viel weniger Protein, was die Strukturbestimmung enorm erleichtert und beschleunigt. Bei dieser Technik werden die Proben bei – 190 °C in flüssigem Ethan schockgefroren. Dadurch nimmt das Wasser einen amorphen Zustand ein, ohne Eiskristalle zu bilden. Diese Präparationsmethode hat Jacques Dubochet entwickelt und verfeinert.4)<figure><img src="https://media.graphcms.com/IdZtlhyVQz6P0o1RZZC6"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Jacques Dubochet. <named-content>Foto: Felix Imhof, Copyright: UNIL</named-content></figcaption></figure>
Viele zweidimensionale Bilder der so präparierten einzelnen Proteine werden im Elektronenmikroskop bei geringen Elektronendosen (etwa 10 Elektronen pro Å²) und bei – 196 ˚C aufgenommen. Anschließend werden sie am Computer ausgerichtet, klassifiziert, übereinandergelagert und anschließend rückprojiziert, um eine dreidimensionale Struktur des Proteins zu erhalten. Joachim Frank hat die Entwicklung der Bildverarbeitung über viele Jahre vorangetrieben und entscheidende Impulse gesetzt.5)<figure><img src="https://media.graphcms.com/WsVvdIKdTeWW59XVZIXT"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Joachim Frank. <named-content>Foto: Brian Winkowski, Copyright: CUMC</named-content></figcaption></figure>
<h2>Direkte Elektronendetektoren</h2>Physikalische Grenzen bei der klassischen Bildaufnahme führten jedoch zu schlechten Signal-zu-Rausch-Verhältnissen und langen Aufnahmezeiten (1 Sekunde pro Bild). Strukturen mit atomarer Auflösung gab es deshalb nur für hochsymmetrische Proben wie Viruskapside. Erst neue Detektoren, die einfallende Elektronen direkt messen, haben die Technik in den letzten vier Jahren so verbessert, dass hochaufgelöste Strukturen nicht symmetrischer Proteine bestimmbar werden. Die Auslesegeschwindigkeit der Detektoren hat sich so gesteigert, dass Filme anstatt einzelner Bilder aufgenommen werden. Da das Signal-zu-Rausch-Verhältnis der einzelnen Filmbilder hoch ist, lassen sie sich ausrichten und so die Bewegungen der Einzelpartikel in der amorphen Eisschicht korrigieren, die durch die Wechselwirkung des Elektronenstrahls mit der Probe induziert werden. Das Ergebnis ist eine enorme Verbesserung der Auflösung, die in einigen Fällen sogar 2 Å übertrifft. Einzelpartikel-Kryoelektronenmikroskopie ist dadurch zu einer wichtigen Technik in der Strukturbiologie geworden.<h2>Von Strukturbiologie zur Wirkstoffforschung</h2>In den letzten vier Jahren wurden hochaufgelöste Strukturen vieler Proteinkomplexe bestimmt, die sich durch Röntgenkristallographie nicht ermitteln ließen, darunter Ribosomen, Spliceosomenkomplexe, Kationenkanäle, Aktomyosin-Komplexe und respiratorische Superkomplexe. Die im Allgemeinen durch Einzelpartikel-Kryoelektronenmikroskopie gewonnenen Auflösungen erlauben nicht nur, die genaue Position von Seitenketten zu ermitteln, sondern in vielen Fällen auch die kleiner Moleküle. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, die Datensätze in silico zu reinigen, also verschiedene Konformationszustände desselben Proteins durch dreidimensionale Klassifikationen zu trennen und im Fall von Proteinkomplexen mit flexiblen Regionen lokale Feinjustierungen durchzuführen. Die Technik hat daher das Potenzial, ein wichtiges Instrument für die Wirkstoffforschung zu werden.6)<h2>Bald noch besser</h2>Kryoelektronenmikroskopie eignet sich jedoch noch nicht für Ansätze mit hohem Durchsatz. Viele Schritte bei der Probenvorbereitung, Bildaufnahme und Bildverarbeitung erfordern immer noch einen erfahrenen Nutzer, der die Bedingungen für jede Probe individuell anpasst. Ein Ziel der nächsten Jahre wird sein, alle Schritte der Einzelpartikel-Kryoelektronenmikroskopie zu optimieren und vollständig zu automatisieren.Auch darüber hinaus lässt sich die Technik verbessern – das jüngste Beispiel ist die Volta-Phasenplatte, die den Phasenkontrast des Untersuchungsobjekts erhöht. Dadurch verbessert sich wiederum die Ausrichtung und Klassifizierung der Einzelpartikel, und die Strukturen von relativ kleinen Proteinen (&lt;100 kDa) lassen sich bestimmen. Die kontinuierliche Optimierung der Detektoren wird in Zukunft bessere Signal-zu-Rausch-Verhältnisse, schnellere Auslesegeschwindigkeiten und größere Sichtfelder ermöglichen. Dadurch wird sich die Datenqualität verbessern und die Zahl der Partikel reduzieren, die für hochauflösende Strukturen benötigt werden.Die Einzelpartikel-Kryoelektronenmikroskopie ist zu einer vielseitigen Schlüsseltechnik der Strukturbiologie geworden und wird der Röntgenkristallographie in vielen Fällen sicherlich den Rang ablaufen.Stefan Raunser, Jahrgang 1976, ist seit Juli 2014 Direktor und wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund. Seine Arbeitsgruppe beschäftigt sich vor allem mit bakteriellen Toxinkomplexen sowie den molekularen Mechanismen von Muskelkontraktion und Enzymen, die an der Regulierung zellulärer Prozesse beteiligt sind.<h2>Nobelpreis für Medizin: Wie‘s in unserem Innern tickt</h2>Frühaufsteher oder Nachteule? Darüber entscheidet die innere Uhr. Sie beeinflusst zudem Blutdruck sowie Körpertemperatur und ist daran beteiligt, wann das Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet wird.Dieses Jahr geht der Nobelpreis für Medizin an Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young. Sie haben, wie das Nobelkomitee urteilte, „in das Innere unserer biologischen Uhr gespäht und deren Funktionsweise ausgeleuchtet. Ihre Entdeckungen erklären, wie Pflanzen, Tiere und Menschen sich an biologische Rhythmen anpassen und so synchron zur Erdrotation leben“ – denn das Leben auf der Erde richtet sich nach der Rotation des Planeten.Wie die drei Forscher zeigten, ist für die innere Uhr ein Gen entscheidend. Sie hatten, exemplarisch für Lebewesen auf der Erde, Fruchtfliegen untersucht und im Jahr 1984 bei diesen ein Gen isoliert, das den täglichen Biorhythmus bestimmt. Wie Hall und Rosbash nachwiesen, enthält dieses Gen den Bauplan für ein Protein, das sich nachts in der Zelle häuft und über den Tag wieder abgebaut wird. Young identifizierte zehn Jahre später ein zweites Gen, das die innere Uhr beeinflusst.<h2>Nobelpreis für Physik: Einstein hatte Recht</h2>Fliegt ein Stein in einen See, breiten sich Wellen aus. Dass es ähnliches in der Raumzeit geben müsste, hatte schon Albert Einstein vermutet. Im Jahr 2015 verschmolzen 1,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt zwei Objekte mit 29 und 36 Sonnenmassen miteinander. Dass sich die dabei entstandenen Gravitationswellen beobachten ließen, machten drei Physiker möglich. Der Nobelpreis geht deshalb in diesem Jahr jeweils zur Hälfte an Rainer Weiss sowie an Barry C. Barish und Kip S. Thorne für „entscheidende Beiträge zum Laser Interferometer Gravitational-Wave-Observatory(Ligo)-Detektor und die Beobachtung von Gravitationswellen“. Weiss entwickelte den Ligo-Detektor; Thorne und Barish waren beim Ligo-Projekt, das im Jahr 1984 startete, für die theoretischen Vorhersagen der Gravitationswellensignale zuständig.
<ul><h2>Literatur</h2><li>
1 M. Knoll, E. Ruska, Annalen der Physik 1932, 404, 607–640.</li><li>
2 D. J. De Rosier, A. Klug, Nature 1968, 217, 130–134.</li><li>
3 R. Henderson, J. M. Baldwin, T. A. Ceska, et al., J. Mol. Biol. 1990, 213, 899–929.</li><li>
4 J. Dubochet, A. W McDowall, J. Microsc. 1981, 124, 3–4.</li><li>
5 J. Frank, B. Shimkin, H. Dowse, Ultramicroscopy 1981, 6, 343–357.</li><li>
6 F. Merino, S. Raunser, Angew. Chem. Int. Ed. 2017, 56, 2846–2860.</li></ul>

Artikel

Eine coole Technik: Kryoelektronenmikroskopie

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an Joachim Frank, Jacques Dubochet und Richard Henderson. Sie haben die Grundlage geschaffen, um Strukturen von Biomolekülen hochaufgelöst mit Kryoelektronenmikroskopie zu bestimmen. Um zu verstehen, wie eine Uhr funktioniert, muss man wissen, wie die...

Metallluftbatterien gibt es seit Ende des 19. Jahrhunderts. Bisher kommt kommerziell aber nur die Zinkluftbatterie zum Einsatz, und zwar in Hörgeräten. Dafür sind Metallluftbatterien ideal, da sie über lange Zeit geringe konstante Ströme liefern. Derzeit suchen Wissenschaftler nach Elektrolyten, um ein wiederaufladbares Siliciumluftbatteriesystem herzustellen.
Metallluftbatterien werden entwickelt, um die Speicherdichte von Batterien zu erhöhen. In diesem Zusammenhang untersuchen Wissenschaftler auch metallisiertes, also hochgradig mit Bor, Antimon oder Arsen dotiertes Silicium. Bei diesen Batterien werden derzeit primäre Systeme untersucht, also nicht wiederaufladbare Batterien, und Batteriesysteme mit solchen Elektrolyten, die auf ionischen Flüssigkeiten basieren. Diese sind zumindest theoretisch zur Aufladung geeignet.<h2>Konversionselektroden</h2>Um die Leistungsdichte moderner Akkumulatoren oder Batterien zu erhöhen, eignen sich Konversionselektroden. Das sind Elektroden, an denen das Entladeprodukt nicht wie in herkömmlichen Elektroden eingelagert, sondern in eine neue Verbindung umgesetzt wird. Ein Beispiel für eine derartige Elektrode ist die Luftelektrode einer Brennstoffzelle.Bei Batterien ließen sich mit Konversionselektroden, welche die Sauerstoffreduktion als Energiequelle nutzen, größere Energiedichten erzielen. Vorteil dieser Technik ist, dass die Kathode der Batterie allseits verfügbaren Sauerstoff reduziert. Daher lässt sich die theoretische Leistungsdichte der Batterie nur durch das Anodenmetall beschreiben, und die spezifische Leistungsdichte von typischerweise etwa 300 Wh·kg–1 der derzeitigen Lithiumionenbatterien steigt auf Werte von über 11 000 Wh·kg–1 für Lithiumluftbatterien. Silicium steigert die Leistungsdichte auf über 8000 Wh·kg–1.Im Gegensatz zu Lithium ist Silicium als zweithäufigstes Element in der Erdkruste nahezu unbegrenzt verfügbar. Derzeit ist bei diesen Batterien die Wiederaufladbarkeit ein Problem, weshalb Wissenschaftler an verschiedenen Szenarien mit unterschiedlichen Ansätzen arbeiten. Ein Beispiel ist die Siliciumluftbatterie, deren Testzellen Abbildung 1 zeigt.<figure><img src="https://media.graphcms.com/pzaSjCOhSqXeu7kzU4G2"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Mit den im Institut für Energie- und Klimaforschung entwickelten Prototypzellen lassen sich Siliciumluftbatterien mit Elektrolytumwälzung untersuchen.1)</figcaption></figure>
<h2>Die Siliciumluftbatterie</h2>Soll Silicium in Batterien als Anode dienen, muss es zunächst dotiert werden, um eine ausreichende elektrische Leitfähigkeit zu erreichen.2–5) Den Einfluss des Dotanden haben besonders Ein-Eli und Mitarbeiter untersucht.5) Für Siliciumanoden werden derzeit zwei unterschiedliche Arten von Elektrolyten untersucht: die auf ionischen Flüssigkeiten basierenden und die wässrigen alkalischen. Bei den verschiedenen Elektrolyten gibt es unterschiedliche Reaktionsmechanismen.<h2>Ionische Flüssigkeiten als Elektrolyt</h2>Eine Siliciumluftbatterie funktioniert mit der ionischen Flüssigkeit 1-Ethyl-3-methylimidazolium oligo-fluorohydrogenat, EMIm (HF)2,3F folgendermaßen: Das Silicium löst sich als SiF4 im Elektrolyten und reagiert an der Kathode mit dem reduzierten Luftsauerstoff zu Siliciumoxid:Silicium reagiert demnach zuerst mit den Oligofluoridanionen in der ionischen Flüssigkeit an der Anode, (Si + 12(HF)2F− → SiF4 + 8(HF)3F− + 4e−). Sauerstoff reagiert dann mit den Oligofluoridanionen an der Kathode (O2 + 12(HF)3F− + 4e− → 2H2O + 16(HF)2F−), und letztlich hydrolysieren SiF4 und Si zu SiO2 (SiF4 + 2H2O + 4(HF)2F− → SiO2 + 4(HF)3F− sowie Si + O2 → SiO2). Da Siliciumdioxid ein Isolator und thermodynamisch stabil ist, sind bisherige Versuche, diese Batterien wieder aufzuladen, nicht gelungen.Derzeit werden weitere ionische Flüssigkeiten für Batterien mit Silicium als Anode untersucht. Eine reversible Auflösung und Abscheidung von Silicium in ionischen Flüssigkeiten ist nur dann möglich, wenn das Silicium durch die Abscheidung aktiviert wurde, wie Untersuchungen von Endres und Mitarbeitern zeigen.9–11) Versuche mit ionischen Flüssigkeiten ohne Oligofluoridanion an planaren Siliciumwaferoberflächen, ähnlich wie die Untersuchungen von Ein-Eli und Mitarbeitern,4) waren bisher erfolglos.<h2>Untersuchen mit dem Mikroskop</h2>Im Institut für Energie- und Klimaforschung untersuchen wir diese Systeme mit korrelativer Mikroskopie, die aus konfokaler Lasermikroskopie und Rasterkraftmikroskopie besteht (Abbildung 2).<figure><img src="https://media.graphcms.com/Kig6VtFCTfa0j3fZFLmA"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Aufnahmen der Oberfläche eines mit ionischer Flüssigkeit über 20 h entladenen Siliciumwafers. In der optischen Mikroskopie (links) sieht man unregelmäßige Strukturen auf der Oberfläche, die in den rasterkraftmikroskopischen Aufnahmen (Mitte und rechts) als Poren mit quadratischem Ursprung zu erkennen sind.</figcaption></figure>
Wie die optische Mikroskopie beweist, verändert sich die Struktur im Lauf der Entladung: Abbildung 3 links zeigt die unregelmäßige Struktur des Siliciumwafers nach einer zwanzigstündigen Entladung des Siliciums in EMIm (HF)2,3F. Die unregelmäßigen Strukturen sind Poren auf der Siliciumoberfläche, wie rasterkraftmikroskopische Aufnahmen zeigen. Die Basisfläche der Poren ist quadratisch, was sich auf die Kristallstruktur des Siliciums zurückführen lässt.Die Untersuchungen sollen den Mechanismus der Entladung und den der als Nebenreaktion auftretenden chemischen Auflösung (Korrosion) des Siliciums zeigen und ebenso, welchen Einfluss Korrosionsinhibitoren haben, also oberflächenaktive Substanzen. Ziel ist, die Entladeströme zu erhöhen, damit sie für technisch relevante Systeme interessant werden, etwa für Hörgeräte, Bojen oder Sensoren.<h2>Wässriger alkalischer Elektrolyt</h2>Bei alkalischen Elektrolyten reagiert der Luftsauerstoff zu Hydroxidionen, die anschließend im Elektrolyten gelöst vorliegen und an der Anode mit dem Silicium reagieren. Dabei entstehen verschiedene Silikate, die nach derzeitigem Verständnis polymerisieren, wenn die Grenzkonzentration von etwa 5 mol·L–1 Silicium in 5 molarer KOH erreicht ist.12) Diese Grenzkonzentration ändert sich allerdings mit der Konzentration der Kalilauge. Diese Art der Reaktion im alkalischen Elektrolyten ist von der Zinkluftbatterie bekannt. Bei geringen Entladeströmen lässt sich das Silicium vollständig entladen.12) Allerdings gibt es im alkalischen Elektrolyten mehr Korrosion an der Siliciumoberfläche als in der ionischen Flüssigkeit. Das Ergebnis dieser Reaktion zeigen die rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen in Abbildung 3: Durch die anisotrope Ätzung des Siliciums in 5 m Kalilauge entstehen Pyramiden.<figure><img src="https://media.graphcms.com/3eLICv9gQyO9IOvVqoJA"><figcaption><label>Abb. 3: </label>In den rasterelektronischen Aufnahmen von in 5 m KOH gelagerten, arsendotierten Siliciumwafern zeigt sich die Entstehung von Pyramidenstrukturen auf der Oberfläche (links nach drei Stunden, rechts nach einem Tag Ätzung). Während eines Tages wachsen die pyramidalen Strukturen auf einen Durchmesser von bis zu 10 µm.</figcaption></figure>
Nach Entladen des Wafers in einer Batterie sind keine derartigen Strukturen mehr zu erkennen. Die Oberfläche des Wafers wird dann wieder glatt.12) Allerdings bildet sich nicht wie zunächst gedacht eine passivierende Schicht auf der Oberfläche des glatten Wafers, welche die weitere Batterieentladung verhindert, sondern die entstehende Schicht löst sich in der Kalilauge auf und eine kontinuierliche Entladung ist möglich. Durch Elektrolytumwälzung lassen sich die Siliciumwafer bei geringen Strömen vollständig entladen.12) Derzeit laufen Untersuchungen, das chemische Auflösen, also die Selbstentladung der Batterie durch oberflächenaktive Substanzen wie Tenside zu reduzieren. Wie genau diese Substanzen wirken, ist noch unklar; elektrochemische Rasterkraftmikroskopie, In-operando-NMR- und Ramanspektroskopie sollen darüber Aufschluss geben.Die entstehenden Silikate lassen sich nach dem Entladen wieder aufarbeiten, weshalb dieser Batterietyp trotz Nichtwiederaufladbarkeit interessant ist. Neben der Aufarbeitung ist ein Vorteil dieses Siliciumsystems, dass die entstehenden Silikate nur wenig toxisch sind. Allerdings steckt die Entwicklung dieser Batterien noch in den Kinderschuhen und wird noch einige Jahre zur Kommerzialisierung benötigen.<h2>Quergelesen</h2>Die Leistungsdichte von Lithiumionenbatterien liegt derzeit bei etwa 300 Wh·kg–1. Siliciumluftbatterien können in der Theorie 8000 Wh·kg–1 erreichen.Als Elektrolyten für Siliciumluftbatterien werden ionische Flüssigkeiten und wässrige alkalische Elektrolyten untersucht.Bisher lassen sich die Siliciumluftbatterien nicht wieder aufladen. Um dies zu ändern, müssen der Entladungsmechanismus und die Nebenreaktion, also das chemische Auflösen des Siliciums, besser verstanden werden.<h2>Das Metallluftbatterieteam am Forschungszentrum Jülich</h2>Am Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-9) arbeiten Florian Hausen, Yasin Emre Durmus, Saul Montiel Guerrero, Thomas Beuse, Hans Kungl, Rüdiger-A. Eichel und Hermann Tempel an Metallluftbatterien mit Anoden aus Silicium, Eisen, Aluminium sowie Aluminium-Siliciumlegierungen. Dabei interessieren sie sich neben siliciumbasierten auch für Eisenluftbatterien, weil sich darin die Reduktion des Entladeprodukts innerhalb des Stabilitätsfensters von Wasser befindet, das Entladeprodukt lässt sich also in Wasser reduzieren, ohne dass Wasser zerstört wird. Dadurch lässt sich diese Batterie im alkalischen wässrigen Elektrolyten wieder aufladen; dies ist in keinem der anderen Systeme möglich. Deshalb untersucht die Gruppe neben alkalischen wässrigen Elektrolyten vor allem Systeme mit neutralen Elektrolyten und solche, die auf ionischen Flüssigkeiten basieren.<h2>Vitakasten</h2>Hermann Tempel studierte Chemie an der TU Darmstadt. Dort promovierte er über Herstellung und Eigenschaften von Nanoröhren aus Kohlenstoff und Metalloxiden. Anschließend wechselte er nach Jülich, wo er seit dem Jahr 2016 Gruppenleiter für Metallluft- und Festkörper-Batteriesysteme ist. Seine Forschungsschwerpunkte sind Herstellung kohlenstoffbasierter Kathoden für Metallluftbatterien und Größenabhängigkeit der elektrochemischen Eigenschaften von Elektrodenmaterialien für Lithiumionenbatterien.<div><img src="https://media.graphcms.com/OYqwQ9RfSs6h7QWfNPkn">

</div>Florian Hausen hat in Bonn Chemie studiert und an der Universität des Saarlandes und am Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken im Jahr 2013 promoviert. Nach einem Postdoktorat an der Universität Oxford ist er seit September 2015 Juniorprofessor für Angewandte Grenzflächenchemie am IEK-9 und am Institut für Physikalische Chemie der RWTH Aachen. Seine Forschungsinteressen sind die Aufklärung von Prozessen und das Verständnis von Vorgängen an Grenzflächen von Energiematerialien.<div><img src="https://media.graphcms.com/C65kLe9TWquuhuaAQe22">

</div>
<ul><h2>Literatur und Quellen</h2><li>
1 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Meldungen/IEK/IEK-9/DE/Si-Luft%20Batterie" target="_blank">www.fz-juelich.de/SharedDocs/Meldungen/IEK/IEK-9/DE/Si-Luft%20Batterie</a>. html</ext-link></li><li>
2 G. Cohn, D. Starosvetsky, R. Hagiwara, D. D. Macdonald, Y. Ein-Eli, Electrochem. Commun. 2009, 11, 1916–1918.</li><li>
3 P. Jakes, G. Cohn, Y. Ein-Eli et al., Chem. Sus. Chem. 2012, 5, 2278–2285.</li><li>
4 G. Cohn, R.-A. Eichel, Y. Ein-Eli, Phys. Chem. Chem. Phys. 2013, 15, 3256–3260.</li><li>
5 G. Cohn, Y. Ein-Eli, J. Power Sour. 2010, 195, 4963–4970.</li><li>
6 X. G. Zhang, Electrochemistry of Silicon and its oxide, Springer, 39, 2001.</li><li>
7 H. Seidel, L. Csepregi, A. Heuberger, H. Baumgärtel, J. Electrochem. Soc. 1990, 137, 3612–3626.</li><li>
8 H. Seidel, L. Csepregi, A. Heuberger, H. Baumgärtel, J. Electrochem. Soc. 1990, 137, 3626–3632.</li><li>
9 R. Al-Salman, J. Mallet, M. Molinari et al., Phys. Chem. Chem. Phys. 2008, 10, 6233–6237.</li><li>
10 R. Al-Salman, S. Zein El Abedin, F. Endres, Phys. Chem. Chem. Phys. 2008, 10, 4650–4657.</li><li>
11 N. Borisenko, S. Zein El Abedin, F. Endres, J. Phys. Chem. B 2006, 110, 6250–6256.</li><li>
12 Y.E Durmus, Ö. Aslanbas, S. Kayser et al., Electrochim. Acta 2017, 225, 215–224.</li><li>
13 <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.eosenergystorage.com/documents/EOS-Website-Presentation_1–5–12.pdf" target="_blank">www.eosenergystorage.com/documents/EOS-Website-Presentation_1–5–12.pdf</a></ext-link>; zuletzt abgerufen 28.2.2017</li><li>
14 Die Autoren danken Yasin Emre Durmus, Saul Said Montiel Guerrero, Thomas Beuse, Hans Kungl und Rüdiger A. Eichel für die Mitarbeit an diesem Artikel.</li></ul>

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